10.03.2016

Zur Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG bei Ausscheiden von Kommanditisten gegen Abfindung

Die Vereinbarung, dass die Kommanditisten einer grundbesitzenden KG bis auf einen gegen eine von der KG zu leistende Abfindung aus dieser ausscheiden und ihre Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH auf den verbleibenden Kommanditisten übertragen, erfüllt nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Grunderwerbsteuer unterliegt gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG erst der Vollzug der Vereinbarung.

BFH 20.1.2016, II R 29/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war Gesellschafterin einer im Juni 2005 gegründeten GmbH. Diese war ohne Kapitalbeteiligung Komplementärin einer grundbesitzenden KG, deren Kommanditisten zu gleichen Teilen die Gesellschafter der GmbH waren. Die KG wird nach dem Gesellschaftsvertrag beim Ausscheiden eines Gesellschafters von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt.

Im November 2011 übertrugen die beiden anderen Gesellschafter ihre GmbH-Anteile mit Wirkung zum Ablauf des Jahres auf die Klägerin. Ferner wurde, dass die beiden Gesellschafter mit Wirkung zum selben Zeitpunkt aus der KG ausscheiden und die Klägerin als alleinige Kommanditistin verbleibt. Als Gegenleistung wurde vereinbart, dass ein aus mehreren Eigentumswohnungen bestehende Grundbesitz der KG in S, F und N auf die scheidenden Gesellschafter übertragen werde. Nur der Grundbesitz in T sollte in der KG verbleiben.

Das Finanzamt stellte die Besteuerungsgrundlagen für die im November 2011 "beurkundete und verwirklichte Übertragung" von mindestens 95 % der Anteile der KG gem. § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG gesondert fest. Es berücksichtigte dabei auch den Grundbesitz in S, F und N als Grundstücke, deren Werte der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen seien, und stellte ferner fest, dass der Erwerb gem. § 6 Abs. 2 GrEStG zu Anteilen i.H.v. 33,34 % steuerbegünstigt ist.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes vor dem BFH blieb erfolglos.

Gründe:
Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG war durch den Abschluss des Vertrags im November 2011 nicht verwirklicht worden.

Durch den Vertrag wurde kein Anspruch der Klägerin auf Übertragung der Beteiligungen der anderen beiden Gesellschafter an der KG begründet. Vielmehr sollten diese gegen eine von der KG zu leistende Abfindung aus dieser ausscheiden. Das Finanzamt hatte daher zu Unrecht auf diesen Zeitpunkt eine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG vorgenommen. Der Feststellungsbescheid konnte nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die gesonderte Feststellung auf den Zeitpunkt erfolgen sollte, zu dem die Gesellschafter aus der KG ausgeschieden waren.

Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG für den Erlass eines Feststellungsbescheids auf den Zeitpunkt, zu dem die beiden Gesellschafter aus der KG ausgeschieden waren, lagen nicht vor. Von dem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG wurde kein außerhalb des Bezirks des Finanzamtes liegendes Grundstück betroffen. Die Grundstücke in S, F und N waren bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer für den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG nicht zu berücksichtigen.

Ob ein Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung. Es "gehört" der Gesellschaft, wenn es ihr im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, 2 o. 3 oder nunmehr auch 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Umgekehrt folgt daraus, dass ein Grundstück nicht mehr zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", wenn es zwar noch in ihrem Eigentum steht bzw. ihr bewertungsrechtlich zuzurechnen ist, es aber vor Entstehung der Steuerschuld Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs i.S.d. § 1 Abs. 1, 2, 3 o. 3a GrEStG war. Bei der Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG war der Grundbesitz in S, F und N somit grunderwerbsteuerrechtlich nicht mehr zuzurechnen.

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