18.11.2014

Zur Bestimmung des Streitwerts bei einer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer

Bei einer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer erschöpft sich der Antrag des Klägers regelmäßig in einer bezifferten Geldleistung; für die bis zum 31.7.2013 geltende Rechtslage bedeutet dies, dass sich der Streitwert nicht nach § 52 Abs. 1, sondern nach § 52 Abs. 3 GKG a.F. bemisst (Rechtsprechungsänderung). In solchen Fällen ergibt sich der Streitwert aus der Summe der Kindergeldbeträge, die in den Zeitraum ab dem Monat der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung bis zum Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung fallen.

BFH 2.10.2014, III S 2/14
Der Sachverhalt:
Die beklagte Familienkasse setzte zugunsten des Klägers und Antragstellers Kindergeld ab Juli 2010 für seine beiden Kinder fest. Diese Kindergeldfestsetzung hob die Familienkasse mit Bescheid vom 21.3.2012 ab April 2012 auf. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 10.7.2012 als unbegründet zurückgewiesen.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und hob die angefochtenen Bescheide auf. Nachdem die Familienkasse die hiergegen eingelegte Revision zurückgenommen hatte, stellte der Senat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 9.9.2013 ein (III R 38/13).

Der Urkundsbeamte des FG setzte mit Beschluss vom 10.7.2013 die Kosten gem. § 149 Abs. 1 FGO fest. Hiergegen legte die Familienkasse Erinnerung ein. Der Antragsteller begehrt die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren.

Die Gründe:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird gem. § 47 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung (GKG) auf 1.472 € festgesetzt.

Bisher ging der BFH davon aus, dass für ein Verfahren, in dem die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer streitig war, der Streitwert nach § 13 Abs. 1 GKG a.F. (jetzt § 52 Abs. 1 GKG) zu bestimmen war. Danach hatte die Wertberechnung auf Grundlage der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu erfolgen. Zwischenzeitlich hat der Senat entschieden, dass das FG den Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle machen kann, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Zudem ist § 42 Abs. 1 S. 1 GKG in der bis 2009 geltenden Fassung, wonach bei Ansprüchen auf Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung der Klage oder des Antrags geforderte Betrag maßgeblich ist, mit Wirkung ab dem 1.9.2009 aus dem GKG gestrichen und im FamFG neu geregelt worden.

Der Streitwert ist für Fälle vorliegender Art - in Abkehr von der bisherigen BFH-Rechtsprechung - nach § 47 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG zu bestimmen. Der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens bestimmt sich nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG). Endet das Verfahren - wie hier - infolge der Rücknahme der Revision, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, ist die Beschwer maßgebend (§ 47 Abs. 1 S. 2 GKG). Maßgeblich für die Streitwertermittlung ist daher das durch den BFH nach § 52 GKG zu bestimmende Klägerinteresse. Danach ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG); diese Regelung geht § 52 Abs. 1 GKG vor.

Nach der Senatsrechtsprechung kann das FG den Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle machen, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Dabei umfasst ein mit der Klage angegriffener Aufhebungs-/Ablehnungsbescheid eine Regelung des Kindergeldanspruchs ab dem Monat der Aufhebung(Ablehnung) bis längstens zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Danach ist eine Anfechtungsklage, mit welcher der Kläger Kindergeld für einen nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung liegenden Zeitraum begehrt, unzulässig. Es entspricht daher dem recht verstandenen Interesse eines Klägers, dass er in solchen Fällen eine Kindergeldregelung für den Zeitraum ab Aufhebung bis längstens zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung begehrt.

Der Streitgegenstand umfasst daher die in diesen Zeitraum fallenden - mtl. entstehenden - Kindergeldansprüche. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer in Rede steht. Danach kann ein eventuell über die Geldleistung hinausgehendes Klägerinteresse nicht länger bei der Wertermittlung berücksichtigt werden. Aufgrund der zeitlichen Eingrenzung des Klagezeitraums erschöpft sich der Antrag (im Ergebnis) in einer bezifferten Geldleistung. Demnach kann dahinstehen, welche Folgerungen aus der Streichung des § 42 Abs. 1 GKG in der bis zum 31.8.2009 geltenden Fassung und dessen Übernahme in § 51 Abs. 1 FamFG zu ziehen sind. Für eine Konkretisierung des nach § 52 Abs. 1 GKG eingeräumten Ermessens besteht keine Notwendigkeit, weil der Streitwert nicht nach dieser Vorschrift, sondern nach § 52 Abs. 3 GKG zu bestimmen ist.

Der Senat weicht mit dieser Entscheidung von der Rechtsprechung des VI. Senats ab, wonach der Streitwert in Kindergeldangelegenheiten bei Aufhebung einer Festsetzung von unbestimmter Dauer nach § 13 Abs. 1 GKG a.F. (jetzt § 52 Abs. 1 GKG) zu bestimmen und mit dem Jahresbetrag des Kindergeldes zzgl. der bis zur Einreichung der Klage zu zahlenden streitigen Kindergeldbeträge anzusetzen ist. Der VI. Senat hat auf Anfrage des Senats (Beschluss vom 10.4.2014) mitgeteilt, dass er an seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht mehr festhält und der vom anfragenden Senat vertretenen - vorstehend dargelegten - Rechtsauffassung zustimmt.

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