13.07.2015

Zur Bilanzierung von Verbindlichkeiten bei Rangrücktritt

Eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, unterliegt dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG 2002. Beruht der hierdurch ausgelöste Wegfallgewinn auf dem Gesellschaftsverhältnis, ist er durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen zu neutralisieren (Rechtsprechungskorrektur).

BFH 15.4.2015, I R 44/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH. Sie hatte von ihrer Muttergesellschaft (E-GmbH) im Zuge einer Konzernumstrukturierung Darlehen i.H.v. 7 Mio. € sowie 2,6 Mio. US-Dollar erhalten. Für beide Darlehen wurden in gesonderten Urkunden zur Abwendung der Überschuldung Rangrücktritte vereinbart, wonach sich sie Tilgung und Verzinsung der Darlehen nur aus künftigen Bilanzgewinnen oder aus etwaigen Liquidationsüberschüssen ergeben sollte. Für den Fall der Insolvenz sollte die E-GmbH auf den Rang des § 199 S. 2 InsO zurücktreten.

In ihrem für das Streitjahr 2005 erstellten Jahresabschluss passivierte die Klägerin die Darlehensverbindlichkeiten. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass § 5 Abs. 2a EStG 2002 der Passivierung der gegenüber der E-GmbH bestehenden Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz der Klägerin entgegenstehe. Die Behörde änderte den Gewerbesteuermessbetrag, setzte die Körperschaftsteuer entsprechend fest und lehnte die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags für Zwecke der Festsetzung der Körperschaftsteuer ab.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Gründe:
Entgegen der Ansicht des FG war die Klägerin nicht berechtigt, in ihrer Steuerbilanz die gegenüber der E-GmbH bestehenden Darlehensschulden zu passivieren.

Zwar war das FG noch zu Recht davon ausgegangen, dass der handelsrechtliche Begriff des Bilanzgewinns das Jahresergebnis (Jahresüberschuss oder -fehlbetrag), den Gewinn- oder Verlustvortrag sowie die Veränderungen der Rücklagen umfasst. Jedoch hatte es nicht hinreichend gewürdigt, dass der Gewinnbegriff i.S.v. § 5 Abs. 2a EStG 2002 nicht nur auf den Steuerbilanzgewinn abstellt, sondern - entsprechend Wortlaut und Sinn der Regelung - auch den Sachverhalt erfasst, dass die betroffenen Verpflichtungen nur aus künftigen (handelsrechtlichen) Jahresüberschüssen zu erfüllen sind. Somit konnte auch für die hier getroffene Vereinbarung, die Forderungen der E-GmbH aus künftigen Bilanzgewinnen zu erfüllen, nichts anderes gelten.

Es war dem FG auch darin beizupflichten, dass eine solche Abrede dann mit einer im vorgenannten Sinne aktuellen wirtschaftlichen Belastung der Vermögenslage des Schuldners verbunden sein kann, wenn die Verpflichtung aus dem sich aufgrund der Auflösung einer Kapitalrücklage ergebenden Bilanzgewinn getilgt wird. Gleichwohl war zu beachten, dass die Forderungen der E-GmbH nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn der Klägerin zu tilgen waren und sich nach den Verhältnissen des Bilanzstichtags selbst im Fall der Auflösung der Kapitalrücklage kein Bilanzgewinn hätte einstellen können. Folge hiervon war zugleich, dass die gegenüber der E-GmbH bestehenden Verpflichtungen i.S.v. § 5 Abs. 2a EStG 2002 auch nur im Fall der Erzielung künftiger Gewinne zu erfüllen waren.

Der Tatbestand des § 5 Abs. 2a EStG 2002 wurde nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht nur verpflichtet war, die Forderungen der E-GmbH aus ihrem zukünftigen Bilanzgewinn, sondern auch aus etwaigen Liquidationsüberschüssen zu tilgen. Zwar handelt es sich beim Liquidationsüberschuss um das Vermögen, das im Fall der Liquidation nach Veräußerung der Wirtschaftsgüter und Begleichung aller (übrigen) Verbindlichkeiten verbleibt; demgemäß betreffen die Zahlungspflichten aus einem Liquidationsüberschuss bereits das gegenwärtige Vermögen, sie belasten aber das gegenwärtige Vermögen (noch) nicht, da nach dem Grundsatz der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) der Liquidationsfall (noch) nicht berücksichtigt zu werden braucht und die Rücklagen bis zu diesem Zeitpunkt noch in vollem Umfang zur Verlustdeckung und zur Befriedigung der anderen Gläubiger zur Verfügung stehen.

Die tatsächlichen Feststellungen erlaubten jedoch noch keine abschließende Beurteilung dazu, ob der aus der Ausbuchung der Verbindlichkeiten sich ergebende Gewinn um den Ansatz einer verdeckten Einlage zu kürzen ist. Zwar hat der Senat bisher vertreten, dass Darlehen, die aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind, nicht die Funktion von zusätzlichem Eigenkapital zukommt. Hieran hält er jedoch nicht mehr fest. Maßgeblich für diese Rechtsprechungskorrektur ist, dass der Einlagetatbestand durch die Zuführung eines Wirtschaftsguts gekennzeichnet ist und hierzu nach ständiger Rechtsprechung nicht nur der Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sondern auch der Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens zu rechnen ist. Zum anderen unterliegt der steuerrechtliche Einlagebegriff nicht dem Maßgeblichkeitsgrundsatz, sondern geht mit Rücksicht auf seine eigenständigen Regelungszwecke über diesen hinaus.

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