26.07.2011

Zur Ermittlungspflicht des Finanzamtes vor einer öffentlichen Zustellung

Vermutet ein Finanzamt einen Steuerpflichtigen im Ausland, so hat es, bevor es ihm gegenüber eine öffentliche Zustellung wegen "unbekannten Aufenthaltsorts" gem. § 10 Abs. 1 VwZG vornimmt, zunächst im Verfahren des zwischenstaatlichen Informationsaustauschs zu versuchen, seine auswärtige Anschrift zu ermitteln. Erst wenn feststeht, dass eine Anschriftenermittlung auf diesem Wege nicht möglich oder fehlgeschlagen ist, darf es zur öffentlichen Zustellung übergehen.

FG Hamburg 11.4.2011, 6 K 215/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist verheiratet und lebt seit dem Jahr 2006 gemeinsam mit seiner Ehefrau in Monaco. Laut Eintragung im Handelsregister war der Kläger von 2005 bis 2006 als Vorstand einer AG tätig. Wegen offener Steuerschulden der AG sandte das Finanzamt im Juni 2008 einen Fragebogen an den Kläger. Das Schreiben wurde nach einer telefonischen Adressmitteilung des Registergerichts als internationales Einschreiben mit Rückschein versandt und ging wegen Unzustellbarkeit wieder beim Finanzamt ein.

Nach schriftlicher Anfrage an das Registergericht erhielt das Finanzamt eine neue Adresse in Monaco, die der dem Kläger nachfolgende Vorstand der AG bestätigte. Auf Anfrage bei der Stadtverwaltung gab diese zur Auskunft, dass Angaben zur Adresse "im Datensatz der gefundenen Person nicht verzeichnet" seien. Im Juli 2008 wandte sich das Finanzamt erneut an den Kläger. Auch dieses Schreiben ging als unzustellbar zurück. Die Deutsche Post AG gab an, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr wohne und dass eine neue Anschrift leider nicht bekannt sei.

Im August 2008 erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid gegen den Kläger. Dieser wurde öffentlich zugestellt. Der Aushang der öffentlichen Zustellung erfolgte vom 1.9.2008 bis zum 15.9.2008. Am 19.12.2008 ging beim Finanzamt per Fax ein Schreiben des Klägers ein, mit dem dieser "Widerspruch" gegen den nicht näher bezeichneten Bescheid einlegte. Das Finanzamt übersandte am 28.1.2009 dem Kläger die Kopien des Haftungsbescheides. Daraufhin legte der Bevollmächtigte des Klägers am 3.2.2009 erneut Einspruch gegen den Haftungsbescheid ein, den das Finanzamt als unzulässig abwies.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Die Gründe:
Das Finanzamt war seiner Verpflichtung, im Vorfeld einer öffentlichen Zustellung den Aufenthaltsort des Klägers mit allen zumutbaren und geeigneten Maßnahmen zu ermitteln, nicht nachgekommen. Die öffentliche Zustellung war unwirksam, da weder die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 noch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 VwZG vorlagen.

Zwar dürfen die Anforderungen an die Behörde im Hinblick auf die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Zustellungsempfängers nicht überspannt werden. Allerdings war der Aufenthaltsort des Klägers nicht allgemein unbekannt. Zumindest den Behörden in Monaco war die aktuelle Adresse durch die dort vorgenommene Ummeldung bekannt. Für die Annahme einer "Auslandsflucht" oder eine Abmeldung ins Ausland ohne Angabe einer Anschrift ergaben sich keine Anhaltspunkte.

Zwar ging aus der Mitteilung der Stadtverwaltung nicht eindeutig hervor, ob der Kläger keine Auslandsanschrift mitgeteilt hatte oder ob die Stadt lediglich in ihren Datensätzen keine ausländische Anschrift gespeichert hatte. Doch verfügte jedenfalls das Registergericht über eine - wenn auch im Zeitpunkt des ersten Zustellungsversuchs nicht mehr gültige - Anschrift des Klägers.

Infolgedessen hatte das Finanzamt nicht alle ihm möglichen und zumutbaren Ermittlungsmöglichkeiten zur Feststellung des Aufenthaltsortes des Klägers ausgeschöpft. Zwar ist es zutreffend, dass zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Monaco ein bilaterales Amtshilfeabkommen nicht bestand und dass ein auf dieser Grundlage vorzunehmender Zustellungsversuch ausschied. Dies durfte die Behörde aber nicht zum Anlass nehmen, jeden Versuch der Zustellung oder der Ermittlung der aktuellen Anschrift des Klägers über die Behörden oder über die konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland von vornherein zu unterlassen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des FG Hamburg veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier (pdf-Dokument).

FG Hamburg Newsletter vom 2/2011
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