07.07.2011

Zur Frage des Wohnsitzes des Kindes bei einer Geburt im Ausland

Zwar ist es möglich, dass ein im Ausland geborenes Kind bereits von Geburt an den inländischen (Familien-)Wohnsitz teilt. Kann das Kind den Wohnsitz der Eltern im Inland allerdings aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht nur kurzfristig nicht aufsuchen, kann es dort (zunächst) auch keinen eigenen Wohnsitz begründen.

BFH 7.4.2011, III R 77/09
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Dezember 2004 in der Ukraine seine Ehefrau, eine ukrainische Staatsangehörige, geheiratet. Seit Mai 2004 ist sie in der Wohnung des Klägers in Deutschland gemeldet. Nachdem die Ehefrau im August 2004 in die Ukraine gereist war, brachte sie dort im Januar 2005 den gemeinsamen Sohn zur Welt. Bis zu ihrer Rückkehr nach Deutschland im Januar 2006 hielten beide sich ausschließlich in der Ukraine auf. Seit dem Tag der Einreise ist auch der Sohn in Deutschland gemeldet.

Infolgedessen setzte die Familienkasse das Kindergeld für den Sohn erst ab Januar 2006 fes. Hiergegen wandte sich der Kläger und trug vor, dass seine Ehefrau die geplante Rückreise wegen Problemen in der Schwangerschaft nicht habe antreten können. Nachdem sie sich von der Geburt erholt gehabt habe, habe sie sich umgehend um die erforderlichen Papiere gekümmert, was jedoch in der Ukraine gedauert habe. Schließlich habe die Ehefrau erst im Januar 2006 zusammen mit dem Sohn nach Deutschland einreisen können. Ihr Verbleib in der Ukraine sei somit unfreiwillig gewesen.

Der Kläger war der Ansicht, Kinder teilten den Wohnsitz der Eltern, solange nach den äußerlich erkennbaren Umständen davon auszugehen sei, dass die elterliche Wohnung für das Kind bestimmt sei und von dem Kind auch als eigenes Heim angesehen werde. Insofern müsse für seinen Sohn auch für die Monate Januar 2005 bis Dezember 2005 Kindergeld gewährt werden.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Nach § 63 Abs. 1 S. 3 EStG werden Kinder nicht berücksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat haben, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 2a EStG leben.

Die Frage, ob eine natürliche Person im Inland einen Wohnsitz hat, beurteilt sich nach § 8 AO. Danach kommt es darauf an, ob die betreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Die Begründung eines Wohnsitzes erfolgt durch tatsächliches Handeln, der bloße Wille des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht entscheidend. Auch ein Kind begründet erst dann einen Wohnsitz, wenn es eine Wohnung unter Umständen innehat, die auf das Beibehalten und Benutzen schließen lassen.

Zwar hält der Senat es u.U. für möglich, dass ein im Ausland geborenes Kind bereits von Geburt an den inländischen (Familien-)Wohnsitz teilt. Kann das Kind den Wohnsitz der Eltern im Inland allerdings aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht nur kurzfristig nicht aufsuchen, kann es dort (zunächst) auch keinen eigenen Wohnsitz begründen. Insgesamt muss die tatsächliche Gestaltung dafür sprechen, dass das Kind bereits mit seiner Geburt im Ausland seinen Wohnsitz in der elterlichen Wohnung im Inland begründet, weil es diese über seine Eltern innehat und Umstände vorliegen, die auf eine Nutzung der Wohnung auch durch das Kind schließen lassen. Dies ist letztlich eine Frage der tatrichterlichen Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles, die einer revisionsrechtlichen Prüfung regelmäßig entzogen ist.

Die Anknüpfung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes als Ausprägung des Territorialitätsprinzips ist sachgerecht und verfassungsgemäß. Auch die Differenzierung in § 63 Abs. 1 S. 3 EStG ist nicht zu beanstanden. Danach war die Entscheidung des FG, der in der Ukraine geborene Sohn habe einen Wohnsitz im Inland nicht bereits mit seiner Geburt im Januar 2005, sondern erst mit seiner Einreise nach Deutschland im Januar 2006 begründet, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies galt insbesondere auch für die Wertung, der Sohn sei jedenfalls nicht mehr innerhalb eines als angemessen zu beurteilenden Zeitraums ins Inland gebracht worden.

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