02.08.2013

Zur Kindergeldberechtigung bei mehrfacher Haushaltsaufnahme eines Kindes

Eine einheitliche Grenze der zeitlichen Aufenthaltsdauer, bei deren Unterschreiten eine - annähernd gleichwertige - Haushaltsaufnahme generell zu verneinen wäre, besteht nicht. So ist es eine Frage der tatsächlichen Würdigung des FG, ob die jeweilige Aufenthaltsdauer unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigt, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei beiden Eltern hat.

BFH 18.4.2013, V R 41/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Vater der im Streitjahr 2009 noch 14-jährigen K. Er war mit der Mutter der K. bis 2000 verheiratet. K. hält sich abwechselnd im Haushalt des Klägers und der Mutter auf. Aufgrund des Antrags des Klägers und der Einverständniserklärungen der Mutter zahlte die Familienkasse das Kindergeld bis Januar 2009 an den Kläger aus. Nachdem die Mutter im Januar 2009 einen eigenen Kindergeldantrag gestellt hatte, setzte die Behörde im März 2009 das Kindergeld ab Februar 2009 zu deren Gunsten fest und zahlte ihr das Geld für die Monate Februar und März aus. Gleichzeitig hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung zu Gunsten des Klägers gem. § 70 Abs. 2 EStG mit der Begründung auf, die Mutter habe K. in ihren Haushalt aufgenommen. Diese habe daher vorrangig Anspruch auf Kindergeld.

Mit seiner Klage forderte der Kläger Kindergeld für den Zeitraum Februar 2009 bis Juli 2009. Im Klageverfahren legte er eine Vereinbarung vom aus Oktober 2009 vor, wonach beide Elternteile weiterhin den Kläger zum Kindergeldberechtigten bestimmten. Das FG gab der Klage teilweise statt. Es legte eine zeitliche Aufteilung der Betreuung von etwa 40 % zu 60 % für den Zeitraum von Januar bis September 2009 zugunsten der Mutter fest. Dies stehe aber einer "annähernd gleichwertigen Haushaltsaufnahme" nicht entgegen. Aufgrund der Berechtigtenbestimmung sei dem Kläger für die Monate April bis Juli 2009 Kindergeld zu gewähren. Für die Monate Februar und März könne die Klage dagegen keinen Erfolg haben, da wegen der bereits erfolgten Auszahlung des Kindergeldes keine Rückwirkung in Betracht kam.

Die hiergegen gerichtete Revision der Familienkasse blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Dem Kläger stand der Kindergeldanspruch im Streitzeitraum April bis Juli 2009 zu.

Sowohl der Kläger als auch die Mutter erfüllten die Voraussetzungen der §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG für einen Anspruch auf Kindergeld. Gem. § 64 Abs. 1 EStG wird jedoch für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten ist dies gem. § 64 Abs. 2 S. 1 EStG derjenige, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Liegt eine annähernd gleichwertige Aufnahme des Kindes in die Haushalte der getrennt lebenden Eltern vor, bestimmen die Eltern untereinander analog § 64 Abs. 2 S. 2 EStG den Berechtigten.

Der Begriff der Haushaltsaufnahme i.S.d. § 64 Abs. 2 S. 1 EStG ist nicht für alle Sachverhalte gleichermaßen, sondern fallgruppenspezifisch zu konkretisieren. Er ist für die Fallgruppe, dass die Dauer der Aufenthalte des Kindes in den Haushalten beider Elternteile über einen Besuchs- oder Feriencharakter hinausgeht, einschränkend auszulegen. Bei diesem Sachverhalt ist für die Annahme einer Haushaltsaufnahme zusätzlich erforderlich, dass sich das Kind dort überwiegend aufhalten und seinen Lebensmittelpunkt haben muss. Nur wenn keinem der Aufenthalte ein eindeutiges Übergewicht zukommt, liegt eine - annähernd gleichwertige - Haushaltsaufnahme bei beiden Eltern vor.

Infolgedessen war im vorliegenden Fall bei einer zeitlichen Aufteilung von 40 % (Kläger) und 60 % (Mutter) von einer - annähernd gleichwertigen - Aufnahme in beide Haushalte auszugehen. Diese Würdigung des FG war aufgrund der tatsächlichen Feststellungen möglich und verstieß weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Zu Recht ging das FG davon aus, dass es nicht allein und ausschließlich auf die Anzahl der jeweiligen Aufenthaltstage ankommen kann, sondern auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. Zwar kommt dem Zeitmoment eine besondere Bedeutung zu. Eine einheitliche Grenze der zeitlichen Aufenthaltsdauer, bei deren Unterschreiten eine - annähernd gleichwertige - Haushaltsaufnahme generell zu verneinen wäre, besteht jedoch nicht. Es ist vielmehr eine Frage der tatsächlichen Würdigung des FG, ob die jeweilige Aufenthaltsdauer unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles die Annahme rechtfertigt, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei beiden Eltern hat.

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