14.11.2011

Zur Rechnungsabgrenzung bei Darlehen mit fallenden Zinssätzen

Ob der Darlehensnehmer bei Vereinbarung jährlich fallender Zinssätze zu Beginn der Vertragslaufzeit einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) bilden muss, hängt davon ab, ob er bei vorzeitiger Vertragsbeendigung die anteilige Erstattung bereits gezahlter Zinsen verlangen könnte. Sollte ein solcher Anspruch nicht bestehen, ist gleichwohl ein RAP zu aktivieren, wenn der Vertrag nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und die Parteien der Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Darlehensverhältnisses rein theoretische Bedeutung beigemessen haben.

BFH 27.7.2011, I R 77/10
Der Sachverhalt:
Streitpunkt ist, ob der Darlehensnehmer bei Vereinbarung fallender Zinssätze zu Beginn der Vertragslaufzeit einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) bilden muss. Die Klägerin, ein Kreditinstitut, nahm bei der X-Bank sog. Step-down-Gelder auf, die mit fallenden Zinssätzen verzinst wurden. Im Streitjahr (1999) handelte es sich um ein Darlehen i.H.v. 50 Mio. DM mit einer Laufzeit vom 10.11.1999 bis 10.11.2009.

Die Rückzahlung des Darlehens sollte nach den vertraglichen Vereinbarungen am Ende der Laufzeit in einer Summe erfolgen; eine ordentliche Kündigung des Darlehens vor Fälligkeit wurde ausgeschlossen, die Auflösung des Darlehensvertrags sollte nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich sein. Vereinbart wurden fallende Zinssätze beginnend mit 7,5 Prozent im Jahr 2000 über 5,0 Prozent im Jahr 2005 bis zu 3,0 Prozent im Jahr 2009.

Die Klägerin setzte die im Streitjahr geleisteten Zinszahlungen als laufende Betriebsausgaben an. Das Finanzamt war der Auffassung, die Klägerin müsse in ihrer Bilanz zum 31.12.1999 einen RAP i.H.v. rd. 156.000 DM aktivieren, weil es sich bei der Überlassung der Darlehensvaluta um eine über die Laufzeit des Darlehens gleichbleibende Leistung handele und deshalb die von der Klägerin zu zahlenden Zinsen gleichmäßig auf die Laufzeit zu verteilen seien. Auf dieser Grundlage setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer für das Streitjahr fest.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat in dem angefochtenen Bescheid zu Recht für die im Streitjahr gezahlten Darlehenszinsen einen aktiven RAP angesetzt.

Gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG sind in den Bilanzen der Klägerin für Ausgaben vor dem Abschlussstichtag auf der Aktivseite RAP anzusetzen, soweit sie Ausgaben für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz gelten die im Streitjahr gezahlten Zinsen bei wirtschaftlicher Betrachtung teilweise die Überlassung der Darlehensvaluta in den Folgejahren ab und sind deshalb insoweit Aufwand der Klägerin "für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag".

In Bezug auf die von der Klägerin im Streitjahr entrichteten Darlehenszinsen mit dem Zinssatz von 7,5 Prozent ist die Frage zu beantworten, ob die Zinsen zu einem Teil - nämlich soweit sie den auf die gesamte Vertragslaufzeit entfallenden rechnerischen Durchschnittszinssatz übersteigen - als Vorleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta in der restlichen Darlehenslaufzeit anzusehen sind. Die Frage ist entgegen der Auffassung des FG zu bejahen. Den Revisionsangriffen stand hält die Annahme des FG, die Klägerin habe im Falle einer vorzeitigen Beendigung des Darlehensverhältnisses keinen vertraglichen Anspruch auf anteilige Rückerstattung der bis zum Beendigungszeitpunkt bereits gezahlten Zinsen gehabt.

Die Vorinstanz hat jedoch nicht beachtet, dass die fehlende Rückforderbarkeit der Leistung im Falle einer (gedachten) Beendigung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf der Vertragslaufzeit dann kein Kriterium für die Verneinung eines Bezugs zu einer erst in künftigen Zeiträumen zu erbringenden Gegenleistung sein kann, wenn das Vertragsverhältnis auf mehrere Jahre zu festen Bedingungen abgeschlossen ist und während dieser Zeit nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und wenn konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Vertragsparteien der Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung aus wichtigem Grund und dem Fehlen eines Anspruchs auf teilweise Rückforderung bisher gezahlter Zinsen in diesem Falle eine mehr als rein theoretische Bedeutung beigemessen haben.

Vom Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls muss hier ausgegangen werden: Der Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und der X-Bank wurde für zehn Jahre fest vereinbart und ist auf eine in jedem Jahr seiner Laufzeit gleichbleibende Leistung der Darlehensgeberin gerichtet. Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wurde für beide Vertragsseiten ausgeschlossen. Eine Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund wurde vertraglich nicht festgelegt.

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