Zur Selbstunterhaltsfähigkeit volljähriger Kinder mit Behinderung bei Bezug von Erwerbsminderungsrenten und ALG II infolge Mitgliedschaft in Bedarfsgemeinschaft
Kurzbesprechung
BFH v. 25.9.2025 - III R 20/23
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 33a Abs. 1 Satz 4, § 62, § 63
SGB II §§ 19ff.
Streitig war der Kindergeldanspruch für ein Kind mit Behinderung in den Monaten Januar 2019 bis Mai 2020 (Streitzeitraum) und insbesondere die Ermittlung von Einnahmen und Bezügen bei Zusammentreffen einer Erwerbsminderungsrente mit Sozialleistungen aus einer Bedarfsgemeinschaft.
Das FG hatte im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das Kind im Streitzeitraum nicht in der Lage war, sich selbst zu unterhalten, weil die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht ausreichten, um seinen existenziellen Lebensbedarf abzudecken, so dass der BFH die Revision der Familienkasse als unbegründet zurückwies.
Gem. § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Das Tatbestandsmerkmal "außerstande [...], sich selbst zu unterhalten" wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Kind mit Behinderung dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist dabei anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des aus dem Grundbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf bestehenden gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits. Die Prüfung der Selbstunterhaltsfähigkeit hat für jeden Monat gesondert zu erfolgen.
Zu den finanziellen Mitteln des volljährigen Kindes mit Behinderung gehören seine Einkünfte und Bezüge, das heißt grundsätzlich alle Mittel, die zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet und bestimmt sind und ihm im maßgeblichen Zeitraum zufließen, nicht jedoch sein Vermögen.
Im Streitfall waren die Zuflüsse aus der geringfügigen Beschäftigung und den Erwerbsminderungsrenten als zum Selbstunterhalt des Kindes geeignete und bestimmte finanzielle Mittel zu berücksichtigen. Hingegen galt dies unter den Umständen des Streitfalls nicht für die auf das Kind entfallenden ALG II-Leistungen gemäß den Bewilligungsbescheiden des Jobcenters für die Bedarfsgemeinschaft.
Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung ist als Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu qualifizieren und führt damit zu Einkünften gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG (zur Pauschalierung der Lohnsteuer bei geringfügiger Beschäftigung vgl. § 40a EStG).
Erwerbsminderungsrenten sind hinsichtlich des Besteuerungsanteils als sonstige Einkünfte zu qualifizieren, im Übrigen zählen sie zu den Bezügen. Erwerbsminderungsrenten sind nicht aus im Sozialrecht wurzelnden Wertungsgesichtspunkten zu kürzen.
Bei teleologischer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sind stattdessen die auf das Kind entfallenden ALG II-Leistungen nicht als zusätzliche finanzielle Mittel zu erfassen, weil sie unter den Umständen des Streitfalls nicht zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet sind.
Die in den Bewilligungsbescheiden dem Kind zugeordneten ALG II-Leistungen waren in den Streitmonaten nicht als weitere finanzielle Mittel des Kindes zu berücksichtigen, weil sie zwar sozialrechtlich Unterhaltszwecken dienen, kindergeldrechtlich aber nicht zum Selbstunterhalt des Kindes geeignet sind.
Im Streitfall war das Kind mit den vorstehend qualifizierten Einkünften und Bezügen im gesamten Streitzeitraum außerstande, sich selbst zu unterhalten, weil der sich aus dem Grundbedarf (Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf (Behindertenpauschbetrag gem. § 33b Abs. 1 bis 3 EStG) zusammensetzende existenzielle Lebensbedarf des Kindes in allen Streitmonaten höher war als die ihn zum Selbstunterhalt befähigenden finanziellen Mittel.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 33a Abs. 1 Satz 4, § 62, § 63
SGB II §§ 19ff.
Streitig war der Kindergeldanspruch für ein Kind mit Behinderung in den Monaten Januar 2019 bis Mai 2020 (Streitzeitraum) und insbesondere die Ermittlung von Einnahmen und Bezügen bei Zusammentreffen einer Erwerbsminderungsrente mit Sozialleistungen aus einer Bedarfsgemeinschaft.
Das FG hatte im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das Kind im Streitzeitraum nicht in der Lage war, sich selbst zu unterhalten, weil die ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht ausreichten, um seinen existenziellen Lebensbedarf abzudecken, so dass der BFH die Revision der Familienkasse als unbegründet zurückwies.
Gem. § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Das Tatbestandsmerkmal "außerstande [...], sich selbst zu unterhalten" wird im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Kind mit Behinderung dann außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Die Fähigkeit zum Selbstunterhalt ist dabei anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen zu prüfen, nämlich des aus dem Grundbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf bestehenden gesamten existenziellen Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits. Die Prüfung der Selbstunterhaltsfähigkeit hat für jeden Monat gesondert zu erfolgen.
Zu den finanziellen Mitteln des volljährigen Kindes mit Behinderung gehören seine Einkünfte und Bezüge, das heißt grundsätzlich alle Mittel, die zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet und bestimmt sind und ihm im maßgeblichen Zeitraum zufließen, nicht jedoch sein Vermögen.
Im Streitfall waren die Zuflüsse aus der geringfügigen Beschäftigung und den Erwerbsminderungsrenten als zum Selbstunterhalt des Kindes geeignete und bestimmte finanzielle Mittel zu berücksichtigen. Hingegen galt dies unter den Umständen des Streitfalls nicht für die auf das Kind entfallenden ALG II-Leistungen gemäß den Bewilligungsbescheiden des Jobcenters für die Bedarfsgemeinschaft.
Arbeitsentgelt aus geringfügiger Beschäftigung ist als Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu qualifizieren und führt damit zu Einkünften gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG (zur Pauschalierung der Lohnsteuer bei geringfügiger Beschäftigung vgl. § 40a EStG).
Erwerbsminderungsrenten sind hinsichtlich des Besteuerungsanteils als sonstige Einkünfte zu qualifizieren, im Übrigen zählen sie zu den Bezügen. Erwerbsminderungsrenten sind nicht aus im Sozialrecht wurzelnden Wertungsgesichtspunkten zu kürzen.
Bei teleologischer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG sind stattdessen die auf das Kind entfallenden ALG II-Leistungen nicht als zusätzliche finanzielle Mittel zu erfassen, weil sie unter den Umständen des Streitfalls nicht zur Deckung seines Lebensunterhalts geeignet sind.
Die in den Bewilligungsbescheiden dem Kind zugeordneten ALG II-Leistungen waren in den Streitmonaten nicht als weitere finanzielle Mittel des Kindes zu berücksichtigen, weil sie zwar sozialrechtlich Unterhaltszwecken dienen, kindergeldrechtlich aber nicht zum Selbstunterhalt des Kindes geeignet sind.
Im Streitfall war das Kind mit den vorstehend qualifizierten Einkünften und Bezügen im gesamten Streitzeitraum außerstande, sich selbst zu unterhalten, weil der sich aus dem Grundbedarf (Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf (Behindertenpauschbetrag gem. § 33b Abs. 1 bis 3 EStG) zusammensetzende existenzielle Lebensbedarf des Kindes in allen Streitmonaten höher war als die ihn zum Selbstunterhalt befähigenden finanziellen Mittel.