21.07.2022

Zur Umsatzbesteuerung der Wärmeabgabe aus einem Blockheizkraftwerk

Entstehen Selbstkosten i.S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für entgeltliche Lieferungen wie auch für unentgeltliche Wertgaben nach § 3 Abs. 1b UStG, sind diese entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Müssen aufgrund einer unentgeltlichen Abgabe von Wärme aus einem Blockheizkraftwerk die Selbstkosten auf den Strom und die Wärme aufgeteilt werden, hat die Aufteilung im Regelfall nicht nach der erzeugten Menge an elektrischer und thermischer Energie (in kWh), sondern nach tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsätzen (Marktwerten) zu erfolgen.

Kurzbesprechung
BFH v. 15. 3. 2022 - V R 34/20

UStG § 3 Abs 1b, § 10 Abs 4, § 15 Abs 4
EGRL 112/2006 Art 16, 112/2006 Art 74
EWGRL 388/77 Art 5 Abs 6


Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes bemessen.

Im Streitfall war die Entscheidung des FG, dass kein Einkaufspreis am Markt für einen gleichartigen Gegenstand ermittelt werden konnte, weil der Steuerpflichtige nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen war, sondern die von ihm produzierte Wärme lediglich an die Gemeinde abgab, zutreffend. Danach scheidet der durchschnittliche Fernwärmepreis als Bemessungsgrundlage eines Einkaufspreises aus. Denn von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Wärme kann nur dann als "gleichartiger Gegenstand" i.S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG angesehen werden, wenn sie für den Unternehmer zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Nur dann kann der Unternehmer im Zeitpunkt des Bedarfs die selbst erzeugte Wärme durch eine gleichartige, einzukaufende, ersetzen und den Einkaufspreis ermitteln, den er einem fremden Anbieter für den Gegenstand "Wärme" zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlen müssen.

Im Übrigen ist das Wärmenetz der Gemeinde als kommunales "Nahwärmenetz" einem Fernwärmenetz jedenfalls dann nicht gleichzustellen, wenn es dem einspeisenden Unternehmer keinen Wärmebezug ermöglicht.

Die Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG bestimmte sich deshalb im Streitfall nach den (anteiligen) Selbstkosten, wenn der Steuerpflichtige einen Gegenstand (im Streitfall: die Biogasanlage) für unterschiedliche Zwecke (im Streitfall: die entgeltliche Stromlieferung und die unentgeltliche Zuwendung von Wärme) verwendete, ohne dass eine Anbindung an das Fernwärmenetz bestand.

Maßgeblich sind somit die Selbstkosten für die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage. Entstehen Selbstkosten i.S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für entgeltliche Lieferungen wie auch für unentgeltliche Wertgaben nach § 3 Abs. 1b UStG, sind diese entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen. Die Aufteilung ist dem Grunde nach erforderlich, da sonst der auf die unentgeltliche Wertabgabe entfallende Anteil der Selbstkosten nicht bestimmt werden kann.

Zwar hate das FG im Streitfall eine derartige Aufteilung der Selbstkosten erwogen. Es ist dabei von der sog. energetischen Methode (Abschn. 2.5 Abs. 22 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses ‑‑UStAE‑‑) ausgegangen, die nach Auffassung des FG im Streitfall unter Berücksichtigung der vom Prüfer ermittelten Selbstkosten zu einem überhöhten Wertansatz führe und deshalb vom FG verworfen wurde, wofür im Hinblick auf die fehlende Vergleichbarkeit von Strom und Wärme auch die Rechtsprechung des BFH spricht.

Diese Rechtsauffassung ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern. Führt die Aufteilung von Selbstkosten entsprechend § 15 Abs. 4 UStG nach einer Aufteilungsmethode zu einem unzutreffenden Ergebnis, sind zwar die Selbstkosten nach anderen Kriterien aufzuteilen. Demgegenüber ist es aber mit § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht vereinbar, eine Wertbemessung nach Einkaufspreisen abzulehnen, um dann nach einer unzutreffenden Aufteilung von Selbstkosten nach der "energetischen Methode" mit einem Abstellen auf einen durchschnittlichen Fernwärmepreis letztlich doch wieder zu einer Wertbemessung nach einem Einkaufspreis zu gelangen (entgegen Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 UStAE).

Auch die vom FG angeführte Käuferbetrachtung rechtfertigt dies nicht. Dies wirkt sich im Streitfall zu Lasten des Steuerpflichtigen aus. Die vom FA vorgenommene und vom FG zugrunde gelegte Aufteilung nach der energetischen Methode stellt unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Fernwärmepreises im Ergebnis eine Wertbemessung nach Einkaufspreisen dar. Sie führt zu einer höheren Bemessungsgrundlage für die Wärmeentnahmen als die nach der Rechtsprechung des Senats zu dem vorliegend entsprechend anwendbaren § 15 Abs. 4 UStG insbesondere in Betracht kommende Aufteilung nach Umsätzen (sog. Marktpreismethode). Dabei ist auf einen "fiktiven Verkaufsumsatz" abzustellen.

Dieser kann sich im Rahmen einer schätzungsweisen Aufteilung auch dann aus einem Fernwärmepreis ergeben, wenn im konkreten Streitfall kein Fernwärmeanschluss besteht.

Der Streitfall wurde an das FG zurückverwiesen. Für das weitere Verfahren hat der BFH vorsorglich darauf hingewiesen, dass es nach dem bisherigen Verfahrensstand nicht zu beanstanden ist, die Wärmeabgaben an die Gemeinde und für die Hühnermastställe I und II als unentgeltliche Zuwendung i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG anzusehen.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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