09.01.2012

Zur Umsatzsteuer aufgrund einer unternehmerischen Tätigkeit des Insolvenzschuldners

Nutzt der Insolvenzschuldner unberechtigt einen zur Masse gehörenden Gegenstand für seine nach Insolvenzeröffnung aufgenommene Erwerbstätigkeit, ist die durch sonstige Leistungen des Insolvenzschuldners begründete Umsatzsteuer jedenfalls dann keine Masseverbindlichkeit, wenn die Umsätze im Wesentlichen auf dem Einsatz seiner persönlichen Arbeitskraft beruhen. Auch die bloße Duldung der Tätigkeit oder die unterlassene Kontrolle des Insolvenzschuldners erfüllt nach der 2006 geltenden Rechtslage nicht das Tatbestandsmerkmal des Verwaltens der Insolvenzmasse.

BFH 8.9.2011, V R 38/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners C. Das Insolvenzverfahren wurde im Jahr 2000 eröffnet. Der C. nahm im Januar 2006 in den zur Insolvenzmasse gehörenden Büroräumen eine neue gewerbliche Tätigkeit auf. Zwar hatte der Kläger ihm die Aufnahme der Tätigkeit in diesen Räumen telefonisch untersagt, doch C. täuschte durch Zusendung einer Gewerbeummeldung dem Kläger vor, unter einer anderen Anschrift tätig zu sein. Tatsächlich übte er seine Tätigkeit bis Dezember 2006 unverändert in den zur Insolvenzmasse gehörenden Räumen aus.

Obwohl der C. auf dem Grundstück wohnte und sich in der Vergangenheit nicht kooperativ verhalten hatte, besichtigte der Kläger die Räume nicht, um sich zu vergewissern, ob C. sie tatsächlich geräumt hatte. Das Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger Umsatzsteuer für das Streitjahr 2006 fest. Es ging davon aus, dass die Umsatzsteuer für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2006 eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 InsO sei, da C. seine Tätigkeit in den zur Insolvenzmasse gehörenden Räumen ausgeübt habe.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG ist die Umsatzsteuer aus dem Neuerwerb keine Masseverbindlichkeit, die i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO "in anderer Weise begründet worden ist", wenn der Insolvenzschuldner bei der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit zwar einen Massegegenstand benutzt, die ausgeführten Umsätze aber im Wesentlichen auf der persönlichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners beruhen.

Bei einer unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Umsatzsteuer auf die erbrachten Leistungen nicht schon deshalb eine Masseverbindlichkeit, weil die Entgelte aus dieser Tätigkeit in die Insolvenzmasse fallen. Nach BGH-Rechtsprechung gehören die Einnahmen, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Insolvenzeröffnung erzielt, in vollem Umfang ohne einen Abzug für beruflich bedingte Ausgaben zur Insolvenzmasse. Daraus lässt sich ableiten, dass die berufsbedingten Ausgaben des unternehmerisch tätigen Schuldners keine Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind. Entscheidend ist, ob die Steuerschulden aus einer insolvenzfreien Tätigkeit des Schuldners herrühren.

Auch die bloße Duldung der Tätigkeit des Insolvenzschuldners erfüllte nach der im Streitjahr 2006 geltenden Rechtslage nicht das Tatbestandsmerkmal des Verwaltens der Insolvenzmasse i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1  2. Hs. InsO, weil die Arbeitskraft des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört und der Insolvenzverwalter keine Möglichkeit hat, die Tätigkeit des Insolvenzschuldners zu unterbinden oder zu beeinflussen. Ob und ggf. inwieweit sich diese Beurteilung nach Einführung des § 35 Abs. 2 InsO durch das Insolvenzvereinfachungsgesetz zum 1.7.2007 geändert haben könnte, brauchte der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, da diese Regelung im Streitjahr noch nicht in Kraft getreten war.

Letztlich lag auch keine Verwertung der Insolvenzmasse deswegen vor, weil der Kläger die Nutzung der zur Masse gehörenden Räume zwar verboten, die Einhaltung des Verbots aber nicht überwacht hatte. Denn jedenfalls dann, wenn die vom Schuldner im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit erbrachten sonstigen Leistungen im Wesentlichen auf dem Einsatz seiner persönlichen Arbeitskraft beruhen und nicht auf der Nutzung von Massegegenständen, handelt es sich bei seinen Umsätzen nicht um eine "Verwertung" von Massegegenständen i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Die auf diese Umsätze entfallende Umsatzsteuer ist unter diesen Voraussetzungen keine Masseverbindlichkeit.

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