03.07.2025

Zur Verfassungsmäßigkeit des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG

Gegen die Höhe des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Kurzbesprechung
BFH v. 20.3.2025 - VI R 20/23

EStG § 6b Abs 7
GG Art 3 Abs 1, GG Art 2 Abs 1, GG Art 14 Abs 1


Ist eine nach § 6b EStG gebildete Rücklage am Schluss des vierten beziehungsweise sechsten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Dessen ungeachtet ist der Steuerpflichtige berechtigt, die von ihm wirksam gebildete Rücklage schon während des Laufs der Reinvestitionsfrist ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen, ohne in dieser Höhe die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsgutes zu kürzen. In beiden Fällen ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen (§ 6b Abs. 7 EStG).

Der BFH hat nun entschieden, dass der Ansatz des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG von Verfassungs wegen weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden ist.

Der Gewinnzuschlag verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der BFH hat bereits erhebliche Zweifel, ob der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG eröffnet ist.

Unabhängig davon ist die Auferlegung des Gewinnzuschlags dem Grunde nach unter Berücksichtigung seiner Zielrichtung durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Denn § 6b EStG ist eine Lenkungs- oder Sozialzwecknorm mit Subventionscharakter, die im Subventionsbericht der Bundesregierung ausgewiesen. Sie wurde eingeführt, um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nicht mehr benötigt oder infolge einer Standortverlegung oder Strukturveränderung aufgegeben werden, ganz oder teilweise ohne Steuerbelastung veräußern zu können, damit der Veräußerungserlös (steuerlich) ungeschmälert zur Neuinvestition, Rationalisierung oder Modernisierung betrieblicher Produktionsanlagen zur Verfügung steht. Zugleich wird durch den Verzicht auf die sofortige Besteuerung betrieblicher Veräußerungsgewinne die Liquidität des Steuerpflichtigen gestärkt.

Dieses Subventionsangebot hat der Gesetzgeber in § 6b Abs. 7 EStG mit einem Gewinnzuschlag bewehrt. Damit will er den durch die Bildung der Rücklage im Laufe des Reinvestitionszeitraums entstandenen (Steuerstundungs-)Vorteil des Steuerpflichtigen durch Erhöhung des Gewinns im Jahr der Auflösung der Rücklage rückgängig machen, wenn die begünstigte (volkswirtschaftlich erwünschte) Reinvestition nicht vorgenommen wird. Denn in diesen Fällen besteht aus Sicht des Gesetzgebers keine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, dem Steuerpflichtigen den durch die Bildung der Rücklage eingetretenen ("Zins-")Vorteil zu belassen. Zugleich dient der Gewinnzuschlag der Vermeidung einer "missbräuchlichen Inanspruchnahme" des Rücklagewahlrechts.

Damit ist der Gewinnzuschlag auf den nicht zur Reinvestition genutzten Rücklagenbetrag dem Grunde nach verfassungsrechtlich hinreichend sachlich gerechtfertigt und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Denn es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, ‑‑ jenseits des Vorteilsausgleichs ‑‑ seinem Subventionsangebot Nachdruck zu verleihen, Mitnahmeeffekte zu vermeiden und Regelungen vorzusehen, die eine Verwirklichung des Normzwecks (Reinvestition) in angemessener Weise sicherstellen sollen.

Auch die Höhe des sechsprozentigen Gewinnzuschlags steht mit der Verfassung in Einklang. Denn der Gesetzgeber ist im Hinblick auf den Lenkungszweck von Reinvestitionsbegünstigung und Gewinnzuschlag nicht gehalten, sich bei der Bemessung des Gewinnzuschlags ausschließlich an dem vom Steuerpflichtigen zu erzielenden Stundungsvorteil zu orientieren. Er ist deshalb auch nicht verpflichtet, den Gewinnzuschlag der Höhe nach fremdkapitalmarktkonform und insoweit realitätsgerecht auszugestalten. Vielmehr erlaubt ihm der wirtschaftslenkende Zweck von Reinvestitionsbegünstigung und Gewinnzuschlag, den Zuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG unabhängig von der Höhe des (Stundungs-)Vorteils, den der Steuerpflichtige durch die Bildung der Rücklage erzielt, anzusetzen.

Daher ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Höhe des Gewinnzuschlags nicht mit einem Zinssatz auf die Steuer bemisst, die ohne Rücklagenbildung im Veräußerungsjahr beim Steuerpflichtigen angefallen wäre, sondern aus Gründen der Steuervereinfachung in pauschalierter Weise mit 6 % des Rücklagenbetrags für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat. Durch die pauschale Berechnungsmethode wird die im Einzelfall schwierige Ermittlung des (konkreten) wirtschaftlichen Vorteils unter Beachtung von Zins und Zinseszins und dem jeweiligen Steuersatz vermieden. Der Gesetzgeber hat insoweit eine weitreichende Typisierungsbefugnis.

Schließlich verstößt die Höhe des Gewinnzuschlags auch nicht gegen das ‑‑ jedes staatliche Handeln bindende ‑‑ Übermaßverbot. Insbesondere ist eine übermäßige steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen durch den Ansatz des sechsprozentigen Gewinnzuschlags nicht ersichtlich. Überdies ist zu berücksichtigen, dass der sechsprozentige Zuschlag -a nders als Zinsen auf die Steuerschuld ‑‑ den Steuerpflichtigen nicht in tatsächlicher Höhe, sondern nur nach Maßgabe des individuellen (Grenz-)Steuersatzes belastet. Schließlich "relativiert" sich die tatsächliche (steuerliche) Belastung des Zuschlags auch dadurch, dass der Stundungsvorteil dem Steuerpflichtigen wirtschaftlich deutlich länger zur Verfügung steht als der Zeitraum, nach dem der Gewinnzuschlag bemessen wird (jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat). Denn die Steuer für den Veranlagungszeitraum, in dem der Gewinnzuschlag anzusetzen ist, wird regelmäßig erst deutlich nach Ablauf des Veranlagungszeitraums festgesetzt. Zudem wird das Jahr, in dem die Rücklage gebildet wurde, nicht mitgerechnet.
Verlag Dr. Otto Schmidt