30.01.2013

Zur Verrechnung von positiven und negativen gewerblichen Einkünften bei der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 EStG 2002

Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und sowohl positive als auch negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, haben einen Anspruch darauf, dass bei der Anwendung des § 35 Abs. 1 EStG 2002 die positiven Einkünfte des einen Ehegatten mit den negativen Einkünften des anderen verrechnet werden. Die 2004 geltende Fassung des § 35 EStG enthielt - anders als die ab dem Veranlagungszeitraum 2008 geltende Fassung - noch keine ausdrückliche Regelung zur Ermittlung des auf die gewerblichen Einkünfte entfallenden Anteils der tariflichen Einkommensteuer.

BFH 27.9.2012, III R 69/10
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden waren. Der Kläger erzielte in diesem Jahr als Einzelunternehmer positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 48.717 €. Die Klägerin hatte positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen i.H.v. insgesamt 98.443 € sowie negative gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft i.H.v. ./. 84.160 €. Der für den Betrieb des Klägers festgesetzte Gewerbesteuer-Messbetrag 2004 belief sich auf 369 €.

Das Finanzamt rechnete den Betrag nicht nach § 35 d EStG 2002 auf die Einkommensteuer an, weil die Summe der im zu versteuernden Einkommen enthaltenen gewerblichen Einkünfte nicht größer als 0 € gewesen sei. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Es war der Ansicht, dass es auch bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten den Grundsatz der Individualbesteuerung gebe, der wiederum zur Folge habe, dass für jeden der Ehegatten eine eigene Summe der Einkünfte zu bilden sei, die erst in einem zweiten Schritt in die Summe der Einkünfte beider Ehegatten eingehe. Es sei nicht ersichtlich, weshalb dies im Rahmen des § 35 EStG anders sein sollte.

Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Rechtsansicht des FG, wonach die positiven Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb bei Anwendung des § 35 EStG nicht mit den negativen gewerblichen Einkünften der Klägerin zu verrechnen seien, war abzulehnen.

Nur positive gewerbliche Einkünfte können anteilige Einkommensteuer auslösen, so dass auf negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb keine Einkommensteuer "entfällt". Die im Streitjahr 2004 geltende Fassung des § 35 EStG enthielt - anders als die ab dem Veranlagungszeitraum 2008 geltende Fassung - noch keine ausdrückliche Regelung zur Ermittlung des auf die gewerblichen Einkünfte entfallenden Anteils der tariflichen Einkommensteuer. Dieser ergibt sich nach BFH-Rechtsprechung (vgl. Urt. v. 27.9.2006, X R 25/04) bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten aus dem Verhältnis der gewerblichen Einkünfte zur Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) beider Ehegatten. Dabei ist eine Saldierung zwischen den positiven und negativen gewerblichen Einkünften eines Ehegatten vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall entfiel keine Einkommensteuer auf gewerbliche Einkünfte, da diese letztlich mit einem negativen Betrag in die Summe der Einkünfte der zusammen veranlagten Kläger eingegangen waren. Der Saldo der positiven gewerblichen Einkünfte des Klägers und der negativen gewerblichen Einkünfte der Klägerin war negativ, so dass in der Summe der Einkünfte keine gewerblichen Einkünfte enthalten waren, auf die anteilig Einkommensteuer hätte entfallen können.

Eine Meistbegünstigung dergestalt, dass die negativen gewerblichen Einkünfte der Klägerin bei der Anwendung des § 35 EStG durch Verrechnung mit ihren positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten vorab verbraucht würden, so dass die positiven gewerblichen Einkünfte des Klägers ungeschmälert für eine Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG zur Verfügung ständen, findet im Gesetz keine Stütze. Auch der Einwand, wonach eine Verrechnung der negativen gewerblichen Einkünfte der Klägerin mit den positiven gewerblichen Einkünften des Klägers zur Folge habe, dass sich die negativen gewerblichen Einkünfte der Klägerin wegen des Verlustvortrags nach § 10a GewStG ein weiteres Mal nachteilig für eine Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG auswirkten, führte zu keiner anderen Betrachtung. Es kam schließlich zu keiner doppelten" nachteiligen Berücksichtigung des gewerblichen Verlustes der Klägerin.

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