10.08.2016

Zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters wegen schweren Treubruchs gegenüber dem Insolvenzgericht

Ein Insolvenzverwalter kann seinen Vergütungsanspruch verwirken, wenn er bei seiner Bestellung verschweigt, dass er in einer Vielzahl früherer Insolvenzverfahren als Verwalter an sich selbst und an von ihm beherrschte Gesellschaften grob pflichtwidrig Darlehen aus den dortigen Massen ausgereicht hat.

BGH 14.7.2016, IX ZB 52/15
Der Sachverhalt:
Der weitere Beteiligte zu 2) ist Verwalter in dem am 15.2.2011 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des R. Dieser war am 1.3.2010 zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bestellt worden. Im Zuge seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter verschwieg R gegenüber dem Insolvenzgericht, dass er seit dem Jahr 2004 als Verwalter in anderen Insolvenzverfahren in 20 Fällen aus den dortigen Massen Darlehen im Gesamtbetrag von 21 Mio. € auf Konten von Gesellschaften ausgezahlt hatte, an denen er selbst maßgeblich beteiligt war.

Bis zum Ende des Jahres 2010 flossen auf diese Weise in acht Teilbeträgen weitere 1,23 Mio. € ab. Der Verbleib der Gelder ist unbekannt, die empfangenden Gesellschaften sind inzwischen überwiegend selbst insolvent. Am 27.12.2010 beantragte R die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Mit Beschluss vom 17.1.2011 wurde R auf seinen eigenen Antrag in allen ihm vom Insolvenzgericht übertragenen Konkurs-, Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren aus seinem Amt entlassen. Am 3.5.2011 beantragte der weitere Beteiligte zu 2), für dessen Tätigkeit als Verwalter im vorliegenden Insolvenzverfahren eine restliche Vergütung i.H.v. rd. 25.000 € festzusetzen. Bereits im September 2010 hatte R einen Vergütungsvorschuss i.H.v. rd. 18.700 € erhalten.

Das AG - Insolvenzgericht - lehnte den Antrag mit der Begründung ab, R habe seinen Anspruch auf Vergütung verwirkt. Das LG wies die sofortige Beschwerde zurück. Die Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Nach der Rechtsprechung des BGH verwirkt der Insolvenzverwalter seinen Anspruch auf Vergütung entsprechend dem der Regelung in § 654 BGB zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedanken, wenn er vorsätzlich oder grob leichtfertig die ihm obliegende Treuepflicht so schwerwiegend verletzt, dass er sich seines Lohnes als "unwürdig" erweist. Ein Ausschluss der Vergütung kommt bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen und bei einer schweren, subjektiv in hohem Maße vorwerfbaren Verletzung der Treuepflicht in Betracht (etwa Straftaten zum Nachteil der Masse oder Erschleichen der Bestellung durch Täuschung).

Demzufolge hat das LG dem früheren Insolvenzverwalter R ohne Rechtsfehler eine über den erhaltenen Vorschuss hinausgehende Vergütung versagt. Entscheidender Grund für die Beurteilung, dass der Anspruch auf Vergütung verwirkt ist, ist der schwere Treubruch des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht, das ihn zum Insolvenzverwalter bestellt hat. Das Insolvenzgericht hat zum Insolvenzverwalter nach § 56 Abs. 1 InsO eine geeignete Person zu bestellen. Zu den persönlichen Anforderungen an den Insolvenzverwalter gehört neben der fachlichen Qualifikation auch seine persönliche Integrität, insbesondere seine Ehrlichkeit.

Eine absolute persönliche Zuverlässigkeit und Korrektheit im Umgang mit fremdem Vermögen ist eine unerlässliche Voraussetzung der Bestellung zum Insolvenzverwalter. Wer, wie der frühere Verwalter R, in einer Vielzahl von Insolvenzverfahren hohe Geldbeträge im Gesamtbetrag von mehr als 20 Mio. € der Masse entnimmt, sie an sich selbst oder an von ihm beherrschte Gesellschaften darlehensweise ausreicht und die Rückzahlungsansprüche nicht einmal für den Fall der Insolvenz absichert, lässt die erforderliche Zuverlässigkeit und Korrektheit jedenfalls in hohem Maße vermissen.

Indem R seine Bestellung zum Verwalter im vorliegenden Insolvenzverfahren angenommen und dabei sein grob pflichtwidriges Verhalten in anderen Insolvenzverfahren verschwiegen hat, hat er das vom Insolvenzgericht mit der Bestellung in ihn gesetzte Vertrauen in grober Weise missbraucht. Zwar ist ein Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, dem Insolvenzgericht vor der Bestellung ungefragt jegliche Pflichtwidrigkeit aus anderen Verfahren mitzuteilen, und nicht jegliche Unterlassung dieser Art führt zum Verlust des Vergütungsanspruchs. Im Streitfall handelt es sich aber um Pflichtwidrigkeiten in einem Ausmaß, das - wie R unschwer erkennen konnte - im Falle des Bekanntwerdens nach der Bestellung seine sofortige Entlassung aus dem Amt des Verwalters nach § 59 InsO nicht nur rechtfertigte, sondern als zwingende Folge seines Handelns gebot.

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