10.08.2015

Zur vorläufigen Berücksichtigung von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen

Es liegt die Situation vor, dass die Rechtsfrage hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von unmittelbar durch den Scheidungsprozess veranlasste Kosten als außergewöhnliche Belastungen in der Literatur unterschiedlich beantwortet wird, eine ständige Rechtsprechung der Finanzgerichte zu der Rechtsfrage noch nicht existiert und der BFH über die Rechtsfrage noch nicht entschieden hat. Diese Rechtslage ist insofern als nicht eindeutig zu bewerten.

FG Münster 19.6.2015, 1 V 795/15 E
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin hatte in ihrer Einkommensteuererklärung 2013 Scheidungskosten i.H.v. rund 7.509 € als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 Abs. 2 S. 4 EStG geltend gemacht. Die Aufwendungen setzen sich zusammen aus zwei Rechnungen ihres Rechtsanwaltes sowie einer Rechnung der Oberjustizkasse.

Das Finanzamt erkannte die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Einspruch, über den noch nicht entschieden wurde. Sie war der Ansicht, dass Scheidungskosten auch nach der Einführung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG weiterhin als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien. Hierzu führte das Finanzamt aus, dass vor dem BFH zwar zwei Revisionsverfahren zur Frage der Berücksichtigung der unmittelbar durch einen Scheidungsprozess verursachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen anhängig seien (Az.: VI R 66/14 und VI R 81/14). Aus Sicht der Verwaltung sei die Rechtslage jedoch eindeutig.

Die Antragstellerin begehrte die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2013 i.H.d. sich bei einer Berücksichtigung der Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen ergebenden Minderung der Steuerfestsetzung. Das FG kam dem Begehren nach und setzte die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides aus.

Die Gründe:
Die Versagung des Abzugs der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid waren ernstlich zweifelhaft i.S.d. § 69 Abs. 2 i.V.m. Abs. 2 FGO. Entgegen der Auffassung der Finanzbehörde ist die Rechtslage insofern nicht eindeutig.

Ein Teil der Literatur von einem rein materiellen Verständnis des Begriffs "Existenzgrundlage" aus. Demnach schließt § 33 Abs. 1 S. 4 EStG Scheidungsprozesskosten grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen aus. Ein Abzug käme nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall ohne Scheidung die materielle Existenzgrundlage bedroht wäre. Demgegenüber vertritt die wohl h.M. in der Literatur die Auffassung, dass Ehescheidungskosten trotz der Neuregelung in dem ursprünglich von der Rechtsprechung anerkannten Umfang weiterhin abzugsfähig sein sollen. Dabei wird der Begriff der "Existenzgrundlage" über ein bloßes materielles Verständnis hinaus weit ausgelegt.

Das FG Münster und das FG Rheinland-Pfalz haben mit Urteilen vom 21.11.2014 (Az.: 4 K 1829/14 E) und vom 16.10.2014 (AZ.: 4 K 1976//14, EFG 2015, 39) entschieden, dass auch nach der Einführung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG Scheidungskosten, die unmittelbar durch den Scheidungsprozess veranlasst sind, als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind. Hierunter fallen Gerichts- und Anwaltskosten des Scheidungsverfahrens, nicht jedoch Scheidungsfolgesachen, wie etwa die Vermögensauseinandersetzung. Beide Gerichte hatten die Revision zugelassen.

Infolgedessen konnte bei summarischer Würdigung nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtslage hinsichtlich der Abzugsfähigkeit von unmittelbar durch den Scheidungsprozess veranlasste Kosten als außergewöhnliche Belastungen eindeutig ist. Vielmehr liegt die Situation vor, dass die Rechtsfrage in der Literatur unterschiedlich beantwortet wird, eine ständige Rechtsprechung der Finanzgerichte zu der Rechtsfrage noch nicht existiert und der BFH über die Rechtsfrage noch nicht entschieden hat. Dies führte im vorliegenden Fall dazu, dass die im angefochtenen Einkommensteuerbescheid berücksichtigte Auffassung der Finanzbehörde, Scheidungsprozesskosten seien, von extremen Ausnahmefällen abgesehen, ab dem Veranlagungszeitraum 2013 nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, ernstlich rechtlich zweifelhaft i.S.d. § 69 FGO ist.

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