Zweimalige Festsetzung von Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Gesellschaftsanteilen beim Auseinanderfallen von sog. Signing und Closing
Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 16.9.2025 - II B 23/25 (AdV)
GrEStG § 1 Abs 2b, GrEStG § 1 Abs 3, GrEStG § 16 Abs 4a S 1, GrEStG § 16 Abs 5, GrEStG § 19, GrEStG § 1 Abs 2a
FGO § 69 Abs 2 S 1, FGO § 69 Abs 3 S 1
Nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG gilt es als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft, wenn sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen und zum Vermögen der Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück gehört. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt.
Im Rahmen der summarischen Prüfung des Aussetzungsverfahrens hatte der BFH auch keine rechtlichen Zweifel an der Annahme des FG, dass die Antragstellerin keinen Anspruch aus § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG auf Aufhebung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids vom 30.05.2024 hatte. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder nach § 1 Abs. 3a GrEStG aufgehoben oder geändert, wenn die Anteile in Erfüllung eines Rechtsgeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG oder des § 1 Abs. 3a GrEStG nach Abschluss dieses Rechtsgeschäfts übergehen und dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird.
Die mit dem Jahressteuergesetz 2022 eingefügte Vorschrift soll im Verhältnis der Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG einerseits und des § 1 Abs. 2a sowie des § 1 Abs. 2b GrEStG andererseits die rückwirkende Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ermöglichen. Damit kann unter anderem derjenige, dem aufgrund Rechtsgeschäfts ein Anspruch auf Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft zusteht und der damit den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG verwirklicht hat, nach dem Übergang der Anteile beantragen, dass die Steuer für den nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang nicht festgesetzt wird beziehungsweise eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben wird.
Im Streitfall kam bei summarischer Prüfung eine Aufhebung des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Bescheids vom 30.05.2024 gemäß § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG nicht in Betracht. Die nach dieser Vorschrift vorgesehene Aufhebung oder Änderung betrifft die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder nach § 1 Abs. 3a GrEStG. Die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG ist dagegen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen. Das FG hatte daher zu Recht angenommen, dass es im vorliegenden Verfahren an einem nach § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG aufhebungsfähigen Bescheid fehlt.
Das weitere Vorbringen der Antragstellerin, die doppelte Festsetzung von Grunderwerbsteuer für denselben Anteilsübergang sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen und verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, rechtfertigt bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht die Gewährung der AdV in Bezug auf den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 30.05.2024.
Zwar hat der BFH entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob das FA bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, zweimal Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b und nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG festsetzen darf, wenn ihm im Zeitpunkt der Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. GrEStG bekannt ist, dass die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) bereits erfolgt ist (BFH-Beschluss v. 9.7.2025 - II B 13/25 (AdV). Die Entscheidung betrifft jedoch die Frage, ob in solchen Fällen neben einer Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG zusätzlich noch eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfolgen darf, die lediglich auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4a, 5 GrEStG wieder aufgehoben oder geändert werden kann oder ob im Hinblick auf den gesetzlichen Vorrang der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b vor § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. Einleitungssatz des § 1 Abs. 3 GrEStG) eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG von vornherein zu unterbleiben hat. Die Gewährung der AdV in Bezug auf eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG, um die es im Streitfall geht und die nach dem gesetzgeberischen Willen Anwendungsvorrang vor einer Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG haben sollte, kann hieraus nicht abgeleitet werden.
Da im Streitfall bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids vom 30.05.2024 nicht bestanden, kam die beantragte Aufhebung der Vollziehung nicht in Betracht.
Verlag Dr. Otto Schmidt
GrEStG § 1 Abs 2b, GrEStG § 1 Abs 3, GrEStG § 16 Abs 4a S 1, GrEStG § 16 Abs 5, GrEStG § 19, GrEStG § 1 Abs 2a
FGO § 69 Abs 2 S 1, FGO § 69 Abs 3 S 1
Nach § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG gilt es als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Kapitalgesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft, wenn sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert, dass mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen und zum Vermögen der Kapitalgesellschaft ein inländisches Grundstück gehört. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt.
Im Rahmen der summarischen Prüfung des Aussetzungsverfahrens hatte der BFH auch keine rechtlichen Zweifel an der Annahme des FG, dass die Antragstellerin keinen Anspruch aus § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG auf Aufhebung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids vom 30.05.2024 hatte. Nach dieser Vorschrift wird auf Antrag die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder nach § 1 Abs. 3a GrEStG aufgehoben oder geändert, wenn die Anteile in Erfüllung eines Rechtsgeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG oder des § 1 Abs. 3a GrEStG nach Abschluss dieses Rechtsgeschäfts übergehen und dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG verwirklicht wird.
Die mit dem Jahressteuergesetz 2022 eingefügte Vorschrift soll im Verhältnis der Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG einerseits und des § 1 Abs. 2a sowie des § 1 Abs. 2b GrEStG andererseits die rückwirkende Aufhebung der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ermöglichen. Damit kann unter anderem derjenige, dem aufgrund Rechtsgeschäfts ein Anspruch auf Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft zusteht und der damit den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG verwirklicht hat, nach dem Übergang der Anteile beantragen, dass die Steuer für den nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang nicht festgesetzt wird beziehungsweise eine bereits erfolgte Steuerfestsetzung aufgehoben wird.
Im Streitfall kam bei summarischer Prüfung eine Aufhebung des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Bescheids vom 30.05.2024 gemäß § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG nicht in Betracht. Die nach dieser Vorschrift vorgesehene Aufhebung oder Änderung betrifft die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder nach § 1 Abs. 3a GrEStG. Die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG ist dagegen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen. Das FG hatte daher zu Recht angenommen, dass es im vorliegenden Verfahren an einem nach § 16 Abs. 4a Satz 1 GrEStG aufhebungsfähigen Bescheid fehlt.
Das weitere Vorbringen der Antragstellerin, die doppelte Festsetzung von Grunderwerbsteuer für denselben Anteilsübergang sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen und verstoße zudem gegen das Übermaßverbot, rechtfertigt bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht die Gewährung der AdV in Bezug auf den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 30.05.2024.
Zwar hat der BFH entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob das FA bei einem Erwerb von Anteilen an einer GmbH, bei dem das schuldrechtliche Erwerbsgeschäft (Signing) und die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, zweimal Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b und nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG festsetzen darf, wenn ihm im Zeitpunkt der Festsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. GrEStG bekannt ist, dass die Übertragung der GmbH-Anteile (Closing) bereits erfolgt ist (BFH-Beschluss v. 9.7.2025 - II B 13/25 (AdV). Die Entscheidung betrifft jedoch die Frage, ob in solchen Fällen neben einer Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG zusätzlich noch eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfolgen darf, die lediglich auf Antrag unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4a, 5 GrEStG wieder aufgehoben oder geändert werden kann oder ob im Hinblick auf den gesetzlichen Vorrang der Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b vor § 1 Abs. 3 GrEStG (vgl. Einleitungssatz des § 1 Abs. 3 GrEStG) eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG von vornherein zu unterbleiben hat. Die Gewährung der AdV in Bezug auf eine Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG, um die es im Streitfall geht und die nach dem gesetzgeberischen Willen Anwendungsvorrang vor einer Steuerfestsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG haben sollte, kann hieraus nicht abgeleitet werden.
Da im Streitfall bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids vom 30.05.2024 nicht bestanden, kam die beantragte Aufhebung der Vollziehung nicht in Betracht.