§ 85 Abs. 2 UmwG: Zum Geschäftsguthaben des Mitglieds an der Genossenschaft
BGH v. 18.3.2025 - II ZB 7/24
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller war als einfaches Mitglied mit zwei Geschäftsanteilen zu je 125 € an der V. Bank eG in N. beteiligt. Diese verschmolz im Jahr 2021 als übertragende Genossenschaft zusammen mit der V. bank N. eG als weitere übertragende Genossenschaft im Wege der Aufnahme auf die Antragsgegnerin (damals firmierend als V. Bank E. eG). Die Höhe des künftigen Geschäftsanteils bei der vereinigten Genossenschaft wurde in § 4 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags auf 25 € festgesetzt. Zum Umtauschverhältnis der Geschäftsanteile enthielt § 3 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrags folgende Regelung:
"Jedes Mitglied der V. bank N. eG und der V. Bank eG ist mit mindestens einem und im Übrigen mit so vielen Geschäftsanteilen bei der V. -BankE. eG beteiligt, wie durch Anrechnung ihrer Geschäftsguthaben bei der V. bank N. eG und der V. Bank eG als voll eingezahlt anzusehen sind, zusätzlich einem weiteren Geschäftsanteil für ein etwa verbleibendes Geschäftsguthaben. Für die Feststellung des Geschäftsguthabens ist die Schlussbilanz der übertragenden Genossenschaft maßgeblich."
Die beiden vom Antragsteller bei der V. Bank eG voll einbezahlten Geschäftsguthaben von insgesamt 250 € wurden im Zuge der Verschmelzung in zehn Geschäftsanteile der Antragsgegnerin zu je 25 € umgetauscht. Am 1.12.2021 beantragte der Antragsteller beim LG, die Antragsgegnerin durch Entscheidung im Spruchverfahren zum Ausgleich des nach seiner Behauptung durch die Fusion entstandenen Wertverlusts seiner beiden Genossenschaftsanteile zur Zahlung von 1.063 € zu verurteilen.
Das LG verwarf den Antrag als unzulässig. Die Beschwerde des Antragstellers hatte vor dem BayObLG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Das BayObLG hat zu Recht bereits die Statthaftigkeit des Antrags des Antragstellers verneint, weil ein im Spruchverfahren durchsetzbarer Anspruch des Antragstellers auf den von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Wertausgleich über den Nominalwert seines bisherigen Geschäftsguthabens hinaus von vornherein nach § 85 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen ist.
Nach § 85 Abs. 2 UmwG steht den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft bei einer - wie hier - rein genossenschaftlichen Verschmelzung ein im Spruchverfahren geltend zu machender Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach § 15 UmwG, § 1 Nr. 4 SpruchG nur zu, wenn und soweit ihr Geschäftsguthaben in der übernehmenden Genossenschaft niedriger ist als ihr Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft. Geschäftsguthaben i.S.v. § 85 Abs. 2 UmwG ist der Nominalwert der Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft, d.h. der bilanziell auszuweisende Betrag, den das Mitglied tatsächlich auf den oder die Geschäftsanteile eingezahlt hat, zu- bzw. abzüglich etwaiger Gewinn- oder Rückvergütungsgutschriften und Verlustabschreibungen. Eine wirtschaftliche Bewertung des "inneren Werts" des Geschäftsguthabens unter Einbeziehung von Rücklagen oder stillen Reserven der Genossenschaft findet nicht statt.
Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sich bewusst für eine Beschränkung des Ausgleichsanspruchs der Mitglieder der übertragenden Genossenschaft auf den Nominalwert ihres bisherigen Geschäftsguthabens entschieden hat. Systematisch entspricht der Ausschluss eines wirtschaftlichen Wertausgleichs für die Mitglieder der übertragenden Genossenschaft dem in § 73 Abs. 2 Satz 3, § 76 Abs. 1 GenG, § 80 Abs. 1 Nr. 2, § 93 Abs. 2 UmwG zum Ausdruck kommenden genossenschaftsrechtlichen Nominalwertprinzip, nach dem ausscheidende Mitglieder bei der Auseinandersetzung grundsätzlich keinen Anspruch auf die (anteiligen) Rücklagen oder das sonstige Vermögen der Genossenschaft haben und ihnen nur bei der Auflösung der Genossenschaft gem. §§ 90, 91 GenG ein Anspruch auf Beteiligung an deren innerem (wirtschaftlichen) Wert in Form des nach Tilgung und Deckung der Schulden verbleibenden Vermögensüberschusses zukommen kann.
Die Beschränkung des Ausgleichsanspruchs eines Mitglieds der übertragenden Genossenschaft auf den Differenzbetrag zwischen den Nominalwerten seiner Geschäftsguthaben bei der übertragenden und der übernehmenden Genossenschaft dient schließlich auch dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, durch die Begrenzung des Kapitalabflusses bei der übernehmenden Genossenschaft deren Eigenkapital zur (weiteren) Verfolgung ihres Förderzwecks zu bewahren. Zudem wird den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft eine stärkere finanzielle Motivation für ein Ausscheiden genommen, um so den Mitgliederbestand bei der Genossenschaft nach der Verschmelzung zu sichern. Die vom Antragsteller dagegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken überzeugen nicht. Und schließlich kommt auch eine teleologische Reduktion des Anspruchsausschlusses nach § 85 Abs. 2 UmwG in Fällen, in denen der innere Wert sich maßgeblich von dem Nominalwert des Geschäftsguthabens unterscheidet, mangels verdeckter Regelungslücke nicht in Betracht.
Danach ist hier ein im Spruchverfahren gem. § 15 Abs. 1, § 1 Nr. 4 SpruchG durchsetzbarer Anspruch des Antragstellers auf Zahlung eines Ausgleichs wegen Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses nach § 85 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen. Die i.H.v. insgesamt 250 € voll einbezahlten Geschäftsguthaben des Antragstellers bei der übertragenden Genossenschaft sind in zehn Geschäftsanteile bei der Antragsgegnerin mit in der Summe gleichem Nominalwert umgetauscht worden.
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Der Antragsteller war als einfaches Mitglied mit zwei Geschäftsanteilen zu je 125 € an der V. Bank eG in N. beteiligt. Diese verschmolz im Jahr 2021 als übertragende Genossenschaft zusammen mit der V. bank N. eG als weitere übertragende Genossenschaft im Wege der Aufnahme auf die Antragsgegnerin (damals firmierend als V. Bank E. eG). Die Höhe des künftigen Geschäftsanteils bei der vereinigten Genossenschaft wurde in § 4 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags auf 25 € festgesetzt. Zum Umtauschverhältnis der Geschäftsanteile enthielt § 3 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrags folgende Regelung:
"Jedes Mitglied der V. bank N. eG und der V. Bank eG ist mit mindestens einem und im Übrigen mit so vielen Geschäftsanteilen bei der V. -BankE. eG beteiligt, wie durch Anrechnung ihrer Geschäftsguthaben bei der V. bank N. eG und der V. Bank eG als voll eingezahlt anzusehen sind, zusätzlich einem weiteren Geschäftsanteil für ein etwa verbleibendes Geschäftsguthaben. Für die Feststellung des Geschäftsguthabens ist die Schlussbilanz der übertragenden Genossenschaft maßgeblich."
Die beiden vom Antragsteller bei der V. Bank eG voll einbezahlten Geschäftsguthaben von insgesamt 250 € wurden im Zuge der Verschmelzung in zehn Geschäftsanteile der Antragsgegnerin zu je 25 € umgetauscht. Am 1.12.2021 beantragte der Antragsteller beim LG, die Antragsgegnerin durch Entscheidung im Spruchverfahren zum Ausgleich des nach seiner Behauptung durch die Fusion entstandenen Wertverlusts seiner beiden Genossenschaftsanteile zur Zahlung von 1.063 € zu verurteilen.
Das LG verwarf den Antrag als unzulässig. Die Beschwerde des Antragstellers hatte vor dem BayObLG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Das BayObLG hat zu Recht bereits die Statthaftigkeit des Antrags des Antragstellers verneint, weil ein im Spruchverfahren durchsetzbarer Anspruch des Antragstellers auf den von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Wertausgleich über den Nominalwert seines bisherigen Geschäftsguthabens hinaus von vornherein nach § 85 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen ist.
Nach § 85 Abs. 2 UmwG steht den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft bei einer - wie hier - rein genossenschaftlichen Verschmelzung ein im Spruchverfahren geltend zu machender Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach § 15 UmwG, § 1 Nr. 4 SpruchG nur zu, wenn und soweit ihr Geschäftsguthaben in der übernehmenden Genossenschaft niedriger ist als ihr Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft. Geschäftsguthaben i.S.v. § 85 Abs. 2 UmwG ist der Nominalwert der Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft, d.h. der bilanziell auszuweisende Betrag, den das Mitglied tatsächlich auf den oder die Geschäftsanteile eingezahlt hat, zu- bzw. abzüglich etwaiger Gewinn- oder Rückvergütungsgutschriften und Verlustabschreibungen. Eine wirtschaftliche Bewertung des "inneren Werts" des Geschäftsguthabens unter Einbeziehung von Rücklagen oder stillen Reserven der Genossenschaft findet nicht statt.
Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sich bewusst für eine Beschränkung des Ausgleichsanspruchs der Mitglieder der übertragenden Genossenschaft auf den Nominalwert ihres bisherigen Geschäftsguthabens entschieden hat. Systematisch entspricht der Ausschluss eines wirtschaftlichen Wertausgleichs für die Mitglieder der übertragenden Genossenschaft dem in § 73 Abs. 2 Satz 3, § 76 Abs. 1 GenG, § 80 Abs. 1 Nr. 2, § 93 Abs. 2 UmwG zum Ausdruck kommenden genossenschaftsrechtlichen Nominalwertprinzip, nach dem ausscheidende Mitglieder bei der Auseinandersetzung grundsätzlich keinen Anspruch auf die (anteiligen) Rücklagen oder das sonstige Vermögen der Genossenschaft haben und ihnen nur bei der Auflösung der Genossenschaft gem. §§ 90, 91 GenG ein Anspruch auf Beteiligung an deren innerem (wirtschaftlichen) Wert in Form des nach Tilgung und Deckung der Schulden verbleibenden Vermögensüberschusses zukommen kann.
Die Beschränkung des Ausgleichsanspruchs eines Mitglieds der übertragenden Genossenschaft auf den Differenzbetrag zwischen den Nominalwerten seiner Geschäftsguthaben bei der übertragenden und der übernehmenden Genossenschaft dient schließlich auch dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, durch die Begrenzung des Kapitalabflusses bei der übernehmenden Genossenschaft deren Eigenkapital zur (weiteren) Verfolgung ihres Förderzwecks zu bewahren. Zudem wird den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft eine stärkere finanzielle Motivation für ein Ausscheiden genommen, um so den Mitgliederbestand bei der Genossenschaft nach der Verschmelzung zu sichern. Die vom Antragsteller dagegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken überzeugen nicht. Und schließlich kommt auch eine teleologische Reduktion des Anspruchsausschlusses nach § 85 Abs. 2 UmwG in Fällen, in denen der innere Wert sich maßgeblich von dem Nominalwert des Geschäftsguthabens unterscheidet, mangels verdeckter Regelungslücke nicht in Betracht.
Danach ist hier ein im Spruchverfahren gem. § 15 Abs. 1, § 1 Nr. 4 SpruchG durchsetzbarer Anspruch des Antragstellers auf Zahlung eines Ausgleichs wegen Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses nach § 85 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen. Die i.H.v. insgesamt 250 € voll einbezahlten Geschäftsguthaben des Antragstellers bei der übertragenden Genossenschaft sind in zehn Geschäftsanteile bei der Antragsgegnerin mit in der Summe gleichem Nominalwert umgetauscht worden.
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7. Aufl./Lfg. 10.2023
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