21.02.2024

Abtretung von Ansprüchen einer GmbH auf Ersatz verbotener Zahlungen nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F.

Ist eine GmbH in Liquidation dazu berechtigt, abgetretene Ansprüche auf Ersatz verbotener Zahlungen nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. in gewillkürter Prozessstandschaft einzuklagen? Die Abtretung von Ansprüchen einer GmbH auf Ersatz verbotener Zahlungen nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. ist unwirksam, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist und der Gesellschaft für die Abtretung keine gleichwertige Gegenleistung zufließt.

BGH v. 17.10.2023 - II ZR 72/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH, die sich in Liquidation befindet, seitdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen im Januar 2015 mangels Masse abgewiesen worden ist. Sie verlangte von dem Beklagten, ihrem ehemaligen Geschäftsführer, den Ersatz von insgesamt 474 Zahlungen der Gesellschaft im Zeitraum von Juli 2012 bis März 2015 mit der Begründung, dass sie zu den Zeitpunkten zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei. Der Rechtsstreit wird der Klägerin durch einen ihrer Gesellschafter finanziert, dem sie die Klageforderungen sicherungshalber abgetreten und der sie zur Einziehung der Forderungen ermächtigt hat.

Das LG hat den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 505.722 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist i.H.v. 8.723 € nebst Zinsen mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Klage im Übrigen als unzulässig abgewiesen. Auf die die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als die Klage als unzulässig abgewiesen worden war und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Entgegen der Ansicht des OLG war die Klage zulässig. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung darf jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozess verfolgen, sofern er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog. gewillkürte Prozessstandschaft). Dabei handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist. Dabei ist das Revisionsgericht nicht an die Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Die Vorinstanz hatte die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft allerdings rechtsfehlerhaft verneint.

Zwar hat der BGH entschieden, dass einer überschuldeten, vermögenslosen GmbH oder GmbH & Co. KG, die keine Aussicht hat, die Geschäfte fortzuführen, in aller Regel das schutzwürdige Interesse daran fehlt, abgetretene Forderungen nach Offenlegung der Abtretung im eigenen Namen und auf eigene Kosten mit Ermächtigung des neuen Gläubigers zu dessen Gunsten einzuklagen. Allerdings hat er von dieser Regel Ausnahmen anerkannt. Ein schutzwürdiges Eigeninteresse der Liquidationsgesellschaft an der Anspruchsverfolgung ist etwa auch dann zu bejahen, wenn die Gesellschaft den Ersatz verbotener Zahlungen nach § 64 Satz 1 GmbHG a.F. beansprucht. Die Eigenart des Anspruchs rechtfertigt es, eine Ausnahme von dem Grundsatz anzuerkennen, dass einer überschuldeten, vermögenslosen GmbH oder GmbH & Co. KG, die keine Aussicht hat, die Geschäfte fortzuführen, in aller Regel das schutzwürdige Interesse daran fehlt, abgetretene Forderungen nach Offenlegung der Abtretung im eigenen Namen und auf eigene Kosten mit Ermächtigung des neuen Gläubigers zu dessen Gunsten einzuklagen.

Der Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. dient also gerade dazu, das Gesellschaftsvermögen und damit die Vollstreckungsmasse zu erhöhen. Daher ging die Begründung des OLG fehl, wenn es ausführte, dass Forderungen gegenüber der Klägerin, sofern sie nicht ohnehin verjährt seien, nicht verfolgt würden, weil die Gläubiger von der Erfolglosigkeit von Eintreibungsversuchen ausgegangen waren. Geht das OLG selbst von auch unverjährten Gläubigerforderungen aus, deren Inhaber von ihrer Geltendmachung nur mangels Erfolgsaussichten der Eintreibung absehen, spricht dies nicht gegen, sondern für deren Interesse an der Inanspruchnahme des Beklagten, da dadurch Vollstreckungsmasse geschaffen würde. Die Abtretung dieser Ansprüche an den Prozessfinanzierer stand, ihre Wirksamkeit unterstellt, der Wahrnehmung des Interesses der Gesellschaftsgläubiger schon deshalb nicht entgegen, weil jenem nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lediglich 50 % des Reinerlöses aus der Durchsetzung der Ansprüche zustehen sollte.

Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass nicht offenlassen werden darf, ob und in welchem Umfang die Klägerin noch Schulden zu tilgen hat, weil die Abtretung der Ersatzansprüche an den Sicherungszessionar insoweit in analoger Anwendung von § 9b Abs. 1 Satz 1 GmbHG, der über § 64 Satz 4, § 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG a.F. entsprechend anwendbar ist, unwirksam wäre. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift liegen vor, soweit der Gesellschaft für die Abtretung keine gleichwertige Gegenleistung zufließt. Der mit § 9b Abs. 1 Satz 1 GmbHG bezweckte Gläubigerschutz wird durch eine gegenleistungslose Abtretung der Ersatzansprüche in gleicher Weise wie durch den Verzicht auf oder den Vergleich über diese Ansprüche vereitelt. Die Pfändbarkeit des Anspruchs aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. im Fall der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse steht der Annahme eines Abtretungsverbots trotz § 851 Abs. 1 ZPO nicht entgegen, weil der Gesellschaft in diesem Fall eine gleichwertige Gegenleistung in Form der Befreiung von einer Verbindlichkeit zufließt.

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