05.01.2021

Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen wegen unrichtiger Auskunft nur bei Relevanz

Verwaltungsorgane müssen Aktionärsfragen nur im erforderlichen Umfang beantworten. Dies richtet sich nach dem konkreten Tagesordnungspunkt. Werden Fragen nicht ordnungsgemäß, unzutreffend oder unzureichend beantwortet, führt dies nur dann zur Anfechtbarkeit, wenn die Antworten für die Willensbildung der Aktionäre erforderlich waren.

OLG Frankfurt a.M. v. 29.12.2020 - 5 U 231/19
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Aktionäre einer beklagten deutschen Großbank. Sie wenden sich gegen Beschlüsse der Hauptversammlung im Mai 2019. Im Rahmen der Generaldebatte waren in der Hauptversammlung Fragen u.a. zu den Themenkomplexen Postbank-Prozesse, Cum-Ex und unterlassene Rückstellung, Geldwäscheprävention sowie angeblicher Einlagenrückgewähr an einen Großaktionär gestellt worden. Die Verwaltungsorgane der Beklagten hatten Antworten gegeben. Nachfolgend wurde den Vorstandsmitgliedern und dem Aufsichtsratsvorsitzenden von den Aktionären Entlastung für das Geschäftsjahr 2018 erteilt.

Die Kläger begehren die Nichtigerklärung der Entlastungsbeschlüsse ggü. vier Vorstandsmitgliedern und dem Aufsichtsratsvorsitzenden. Sie behaupten, durch die nicht, nicht vollständig oder unzutreffend bzw. verschleiernd erteilten Auskünfte sei einem Durchschnittsaktionär ein wesentliches Element für seine Willensbildung bei der Entlastung vorenthalten worden. Das LG hatte der Klage stattgegeben.

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision vor dem BGH begehrt werden.

Die Gründe:
Die Entlastungsbeschlüsse sind nicht anfechtbar. Es liegt weder ein Verstoß wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Informationen vor noch hat die Mehrheit der für die Entlastung stimmenden Aktionäre gegen ihre gesellschaftlichen Treuepflichten verstoßen.

Grundsätzlich ist zwar jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben. Dieses Auskunftsrecht wird jedoch durch das Kriterium der Erforderlichkeit und das Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstandes begrenzt. Erforderlich ist eine Auskunft, wenn sie ein für die Urteilsfindung des Aktionärs wesentliches Element bildet. Der Verstoß gegen die Auskunftspflicht im Zusammenhang mit einer Entlastung ist nur relevant, wenn er die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung der Gesellschaft betrifft. Angesichts der Vielzahl von durch die Geschäftsführung vorgenommenen bzw. vom Aufsichtsrat zu überwachenden (Geschäfts-) Maßnahmen können solche Informationen von hinreichender Relevanz für Beurteilung der TOP Entlastung sein, die sich auf die Einhaltung der Gesetze und der Satzungsbestimmung beziehen oder sich auf die Darstellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit oder in nennenswertem Umfang auf die Finanz-und Ertragslage der Gesellschaft auswirken.

Anhand dieses Maßstabes lässt sich hier kein relevanter Verstoß gegen die Auskunftspflicht feststellen. Dass eine erteilte Auskunft unrichtig ist, muss der Aktionär darlegen. Daran fehlt es vorliegend in vielen Fällen. Soweit teilweise Fragen nicht ordnungsgemäß beantwortet worden sind, betraf dies den Bereich der nicht mehr erforderlichen Auskünfte. Die Wirksamkeit der Entlastungsbeschlüsse wird damit nicht berührt.

Die Mehrheit der Aktionäre hat durch ihr Abstimmungsverhalten auch nicht gegen die gesellschaftliche Treuepflicht verstoßen. Es ist nicht feststellbar, dass für die Aktionäre pflichtwidriges Verhalten der Organe der Gesellschaft bei der Entlastung erkennbar gewesen ist.
OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 96 vom 29.12.2020
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