Anforderungen an den Wahlvorschlag für Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft
KG Berlin v. 24.9.2025 - 2 U 106/23
Der Sachverhalt:
Gegenstand des Rechtsstreits war ursprünglich die Anfechtung zweier von der Hauptversammlung der beklagten AG am 31.8.2022 gefasster Beschlüsse. Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt (TOP) 5 betraf die Wahl eines Mitglieds des Aufsichtsrates. Der Beschluss zu TOP 6 betraf die Veräußerung von bis zu 22.301 Immobilieneinheiten der Beklagten. Die Kläger hatten beide Beschlüsse angefochten.
Am 9.11.2022 ist das gewählte Mitglied des Aufsichtsrats zurückgetreten. Das AG hat ihn dennoch gem. § 104 AktG bestellt. Bis zur nächsten Hauptversammlung veräußerte die Beklagte ein Immobilienportfolio zum Kaufpreis von 18 Mio. €. Daraufhin haben die Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit vor dem LG in der Hauptsache hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 5 übereinstimmend für erledigt erklärt. Gegen das Urteil, mit dem das LG den Beschluss zu TOP 6 für nichtig erklärt und die Kosten des Rechtsstreits insgesamt der Beklagten auferlegt hatte, hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie beantragte, die Klage abzuweisen und die Kosten den Klägern aufzuerlegen.
Im Berufungsverfahren haben die Kläger auch den verbliebenen Teil des Rechtsstreits - hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 6 - in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Senat in dem aktienrechtlichen Freigabeverfahren zugunsten der Beklagten und damit zugunsten eines Squeeze-Outs entschieden hatte. Die Beklagte hat den Erledigterklärungen nicht widersprochen.
Das KG hat entschieden, dass von den Gerichtskosten im ersten Rechtszug die Beklagte 3/4 trägt, die Klägerseite jeweils 1/32 Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten im ersten Rechtszug tragen die Kläger zu jeweils 1/12. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt die Beklagte jeweils 3/4. Im Übrigen tragen sämtliche Kläger, die Beklagte und die Nebenintervenienten ihre außergerichtlichen Kosten im ersten Rechtszug selbst. Die Kosten im zweiten Rechtszug werden gegeneinander aufgehoben.
Die Gründe:
Die Berufung war zulässig und statthaft, so dass die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache auch im Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklären konnten. Der Rechtsstreit hat eine Vielzahl nicht abschließend geklärter Rechtsfragen aufgeworfen, die nicht im Rahmen einer Kostenentscheidung zu klären waren. Der Senat hat deshalb hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 6 die Kosten gegeneinander aufgehoben.
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein ungeschriebenes Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung bei der Veräußerung von Beteiligungen in erheblichem Umfang - hier an Objektgesellschaften im Wege des Share-Deals - oder von wesentlichen Vermögenswerten - hier von Grundstücken im Wege des Asset-Deals - mit einem Gesamtanteil von bis zu rund 95 % des Immobilienbestandes einer AG besteht, wird verschieden beurteilt und ist in der Rechtsprechung und der Literatur nicht abschließend geklärt. Der BGH hat die Frage, von bereits entschiedenen, hier nicht einschlägigen Sachverhalten abgesehen, ausdrücklich offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2004 - II ZR 155/02). Das LG hat sie mit einem Teil der Rechtsprechung und Literatur im Rahmen seiner streitigen Entscheidung bejaht. Der Senat hat dazu bislang nicht entschieden.
Selbst bei der vorsorglichen Einholung eines Vorlagebeschlusses gem. § 119 Abs. 2 AktG, d.h. wenn unklar bliebe, ob eine zwingende Hauptversammlungskompetenz nach den oben genannten Grundsätzen anzunehmen wäre, würden sich mit Blick auf die sich anschließenden Folgefragen weitere nicht abschließend geklärte Rechtsprobleme stellen. So müsste entschieden werden, ob die der Hauptversammlung vorgelegten Informationen hinreichend und der Beschlussvorschlag ausreichend bestimmt waren. Auch hier wird eine Vielzahl von im Detail unterschiedlichen Positionen vertreten, über die nicht in einem Kostenbeschluss des Senats zu entscheiden ist. Ferner stellten sich zusätzliche Fragen mit Blick auf die anwendbaren Mehrheitserfordernisse.
Aufgrund der umfassenden Berufung der Beklagten war auch der auf die übereinstimmende Teilerledigung entfallende Teil der landgerichtlichen Kostengrundentscheidung zu prüfen. Denn damit hatte die Beklagte auch die nach § 91a ZPO durch das (Teil-)Kostenentscheidung als Bestandteil der landgerichtlichen Kostengrundentscheidung angegriffen. Aus Gründen der Prozessökonomie ist als einheitliches Rechtsmittel gegen eine Kostenentscheidung gem. § 91a ZPO neben der sofortigen Beschwerde auch die Berufung eröffnet, wenn sich der Rechtsmittelführer nicht nur gegen die Kostenentscheidung, sondern auch gegen den streitig entschiedenen Teil der Hauptsache wendet. Dies setzt voraus, dass eine Auslegung des Rechtsmittels einen diesbezüglichen Angriff ergibt. Und dies war bei der Berufung der Beklagten der Fall.
Doch bei summarischer Prüfung hätte der Antrag der Kläger ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich Erfolg gehabt. Wie das LG zutreffend entschieden hat, war die Beschlussfassung zu TOP 5 - Wahl zum Aufsichtsrat - wegen Verstoßes gegen § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG anfechtbar. Danach hat der Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern deren Namen, ausgeübten Beruf und Wohnort anzugeben. Im vorliegenden Fall ist jedoch unklar geblieben, ob und ggf. wie der Vorgeschlagene beruflich oder unternehmerisch tätig ist. Die bloße Angabe "Betriebswirt" ermöglichte keinerlei Rückschlüsse darauf. Die Beurteilung von potentiellen Interessenskonflikten oder relevanten sonstigen beruflichen Belastungslagen war auf dieser Grundlage nicht möglich. Dieses Defizit konnte auch nicht durch die Angabe der Mitgliedschaften in anderen Aufsichtsräten oder Kontrollgremien kompensiert werden.
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Gegenstand des Rechtsstreits war ursprünglich die Anfechtung zweier von der Hauptversammlung der beklagten AG am 31.8.2022 gefasster Beschlüsse. Der Beschluss zu Tagesordnungspunkt (TOP) 5 betraf die Wahl eines Mitglieds des Aufsichtsrates. Der Beschluss zu TOP 6 betraf die Veräußerung von bis zu 22.301 Immobilieneinheiten der Beklagten. Die Kläger hatten beide Beschlüsse angefochten.
Am 9.11.2022 ist das gewählte Mitglied des Aufsichtsrats zurückgetreten. Das AG hat ihn dennoch gem. § 104 AktG bestellt. Bis zur nächsten Hauptversammlung veräußerte die Beklagte ein Immobilienportfolio zum Kaufpreis von 18 Mio. €. Daraufhin haben die Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit vor dem LG in der Hauptsache hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 5 übereinstimmend für erledigt erklärt. Gegen das Urteil, mit dem das LG den Beschluss zu TOP 6 für nichtig erklärt und die Kosten des Rechtsstreits insgesamt der Beklagten auferlegt hatte, hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie beantragte, die Klage abzuweisen und die Kosten den Klägern aufzuerlegen.
Im Berufungsverfahren haben die Kläger auch den verbliebenen Teil des Rechtsstreits - hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 6 - in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Senat in dem aktienrechtlichen Freigabeverfahren zugunsten der Beklagten und damit zugunsten eines Squeeze-Outs entschieden hatte. Die Beklagte hat den Erledigterklärungen nicht widersprochen.
Das KG hat entschieden, dass von den Gerichtskosten im ersten Rechtszug die Beklagte 3/4 trägt, die Klägerseite jeweils 1/32 Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten im ersten Rechtszug tragen die Kläger zu jeweils 1/12. Von den außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt die Beklagte jeweils 3/4. Im Übrigen tragen sämtliche Kläger, die Beklagte und die Nebenintervenienten ihre außergerichtlichen Kosten im ersten Rechtszug selbst. Die Kosten im zweiten Rechtszug werden gegeneinander aufgehoben.
Die Gründe:
Die Berufung war zulässig und statthaft, so dass die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache auch im Berufungsverfahren übereinstimmend für erledigt erklären konnten. Der Rechtsstreit hat eine Vielzahl nicht abschließend geklärter Rechtsfragen aufgeworfen, die nicht im Rahmen einer Kostenentscheidung zu klären waren. Der Senat hat deshalb hinsichtlich der Anfechtung des Beschlusses zu TOP 6 die Kosten gegeneinander aufgehoben.
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein ungeschriebenes Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung bei der Veräußerung von Beteiligungen in erheblichem Umfang - hier an Objektgesellschaften im Wege des Share-Deals - oder von wesentlichen Vermögenswerten - hier von Grundstücken im Wege des Asset-Deals - mit einem Gesamtanteil von bis zu rund 95 % des Immobilienbestandes einer AG besteht, wird verschieden beurteilt und ist in der Rechtsprechung und der Literatur nicht abschließend geklärt. Der BGH hat die Frage, von bereits entschiedenen, hier nicht einschlägigen Sachverhalten abgesehen, ausdrücklich offengelassen (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2004 - II ZR 155/02). Das LG hat sie mit einem Teil der Rechtsprechung und Literatur im Rahmen seiner streitigen Entscheidung bejaht. Der Senat hat dazu bislang nicht entschieden.
Selbst bei der vorsorglichen Einholung eines Vorlagebeschlusses gem. § 119 Abs. 2 AktG, d.h. wenn unklar bliebe, ob eine zwingende Hauptversammlungskompetenz nach den oben genannten Grundsätzen anzunehmen wäre, würden sich mit Blick auf die sich anschließenden Folgefragen weitere nicht abschließend geklärte Rechtsprobleme stellen. So müsste entschieden werden, ob die der Hauptversammlung vorgelegten Informationen hinreichend und der Beschlussvorschlag ausreichend bestimmt waren. Auch hier wird eine Vielzahl von im Detail unterschiedlichen Positionen vertreten, über die nicht in einem Kostenbeschluss des Senats zu entscheiden ist. Ferner stellten sich zusätzliche Fragen mit Blick auf die anwendbaren Mehrheitserfordernisse.
Aufgrund der umfassenden Berufung der Beklagten war auch der auf die übereinstimmende Teilerledigung entfallende Teil der landgerichtlichen Kostengrundentscheidung zu prüfen. Denn damit hatte die Beklagte auch die nach § 91a ZPO durch das (Teil-)Kostenentscheidung als Bestandteil der landgerichtlichen Kostengrundentscheidung angegriffen. Aus Gründen der Prozessökonomie ist als einheitliches Rechtsmittel gegen eine Kostenentscheidung gem. § 91a ZPO neben der sofortigen Beschwerde auch die Berufung eröffnet, wenn sich der Rechtsmittelführer nicht nur gegen die Kostenentscheidung, sondern auch gegen den streitig entschiedenen Teil der Hauptsache wendet. Dies setzt voraus, dass eine Auslegung des Rechtsmittels einen diesbezüglichen Angriff ergibt. Und dies war bei der Berufung der Beklagten der Fall.
Doch bei summarischer Prüfung hätte der Antrag der Kläger ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich Erfolg gehabt. Wie das LG zutreffend entschieden hat, war die Beschlussfassung zu TOP 5 - Wahl zum Aufsichtsrat - wegen Verstoßes gegen § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG anfechtbar. Danach hat der Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern deren Namen, ausgeübten Beruf und Wohnort anzugeben. Im vorliegenden Fall ist jedoch unklar geblieben, ob und ggf. wie der Vorgeschlagene beruflich oder unternehmerisch tätig ist. Die bloße Angabe "Betriebswirt" ermöglichte keinerlei Rückschlüsse darauf. Die Beurteilung von potentiellen Interessenskonflikten oder relevanten sonstigen beruflichen Belastungslagen war auf dieser Grundlage nicht möglich. Dieses Defizit konnte auch nicht durch die Angabe der Mitgliedschaften in anderen Aufsichtsräten oder Kontrollgremien kompensiert werden.
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