21.05.2025

Anwendung von § 93 ZPO zu Gunsten des Antragsgegners eines Freigabeverfahrens?

Die Anwendung von § 93 ZPO zu Gunsten des Antragsgegners eines Freigabeverfahrens, der das Quorum von 1.000 € Kapitalanteil nicht erreicht, kommt für den Fall, dass der Antrag innerhalb der Wochenfrist des § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG anerkannt wird, grundsätzlich nicht in Betracht.

KG Berlin v. 7.5.2025 - 12 AktG 1/25
Der Sachverhalt:
Dei Antragstellerin ist eine AG mit Sitz in Berlin. In ihrer Hauptversammlung vom 18.12.2024 war zu dem TOP 5 ein Beschluss über eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sowie über eine entsprechende Satzungsänderung gefasst worden. Der Antragsgegner, der 16 Aktien zu je 1,00 € an der Antragstellerin hält, hat daraufhin beim LG Berlin II zu dem Geschäftszeichen 95 O 4/25 gegen die Antragstellerin Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben.

Mit Antrag vom 7.4.2025 hat die Antragstellerin ein Freigabeverfahren vor dem KG eingeleitet, um die Eintragung des Beschlusses zu TOP 5 der Hauptversammlung im Handelsregister bewirken zu können. Der Antragsgegner hat den Antrag unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Die Antragstellerin ist der Anwendung von § 93 ZPO im Hinblick auf die Kosten des Verfahrens, wie von dem Antragsgegner befürwortet, entgegengetreten.

Das KG hat dem zulässigen, insbesondere statthaften Freigabeantrag, der sich auf eine Kapitalmaßnahme bezog, stattgegeben. Dem Antragsgegner hat es die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die Gründe:
Die beantragte Freigabe war bereits aufgrund des durch den Antragsgegner erklärten Anerkenntnisses auszusprechen. Es kam nicht darauf an, dass die Voraussetzungen für eine Freigabe nach § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG auch der Sache nach vorlagen, da der Antragsgegner nicht binnen einer Woche nach Zustellung des Antrags durch Urkunden nachgewiesen hatte, dass er einen anteiligen Betrag von mind. 1.000 € vom Grundkapital der Antragstellerin hält.

Die Kostenentscheidung beruhte auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Vorschrift des § 93 ZPO war nicht zu Gunsten des Antragsgegners anzuwenden. Diese Norm stellt eine Ausnahme von dem formalen Prinzip des § 91 ZPO dar, wonach bei einem erfolgreichen Verfahren der Unterlegene die Kosten zu tragen hat. Ein Kläger, der einen unnötigen Prozess beginnt, soll in einem solchen Fall mit den unnötig verursachten Kosten des Rechtsstreits belastet werden, sofern der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Diese Sachlage erfordert mithin, dass der Kläger bzw. Gläubiger aufgrund des vorprozessualen Verhaltens des Schuldners keine Veranlassung zur Klageerhebung gehabt hätte.

Von dieser Sachlage unterscheidet sich das Verhältnis einer Anfechtungs- und/oder Nichtigkeitsklage einerseits zu dem Freigabeverfahren andererseits gem. § 246a AktG grundlegend. Denn die Aktiengesellschaft wird aufgrund des Hauptprozesses regelmäßig daran gehindert, die Eintragung des angefochtenen Beschlusses in das Handelsregister zu erreichen, und muss, um dieses Ziel zu erreichen, den Weg des Freigabeverfahrens beschreiten, da die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage aufgrund der Vorschrift des § 21 Abs. 1 Satz 1 FamFG faktisch eine Registersperre bewirkt.

Entgegen den Ausführungen des OLG Köln, das eine Anwendung von § 93 ZPO bejaht (OLG Köln, Beschl. vom 14.12.2017 - 18 AktG 2/17), kommt es nicht nur darauf an, ob der klagende Aktionär keine Veranlassung zu dem Freigabeverfahren gegeben hat, weil er lediglich sein rechtsstaatlich verbürgtes Recht zur Klageerhebung ausgeübt hat, sondern nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO müsste die Aktiengesellschaft ein Verfahren begonnen haben, das nicht erforderlich gewesen wäre, um die Eintragung des Beschlusses im Handelsregister zu erlangen.

Der für die Voraussetzungen des § 93 ZPO darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegner hat zudem nicht geltend gemacht, eine Eintragung des Beschlusses durch das Registergericht sei entgegen den Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Freigabeantrag ohne das Freigabeverfahren zu erreichen. Auch wenn das Registergericht trotz erhobener Hauptsacheklage nach pflichtgemäßem Ermessen theoretisch den Beschluss eintragen dürfte, würde sich der Antragsgegner mit einem solchen Vortrag selbst in Widerspruch zu seiner Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage setzen, da eine Eintragung nur dann nahe läge, wenn die Klage gesichert ohne Aussicht auf Erfolg wäre.

Ein Kleinstaktionär, der das notwendige Quorum des § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG nicht erreicht und keine Möglichkeit hat, dem Freigabeverfahren zu entgehen, ist trotz der Kostenlast im Freigabeverfahren hinreichend geschützt, sofern er im Hauptsacheverfahren obsiegen sollte. Denn in diesem Fall steht ihm ein Schadensersatzanspruch zu, vgl. § 246a Abs.4 Satz 1 AktG, der auch die Kosten des Freigabeverfahrens umfasst, da alle auf die Eintragung rückführbaren Vermögensschäden zu ersetzen sind; dazu gehören nutzlos aufgewandte Prozesskosten des Anfechtungsklägers. Auch mit diesem Aspekt hat sich das OLG Köln nicht auseinandergesetzt.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Gesellschaftsrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Sicher beraten und gestalten: Die nutzerfreundliche und funktionsstarke Datenbank lässt sich mit Answers kombinieren. 4 Wochen gratis nutzen!
Berliner Vorschriften- und Rechtsprechungsdatenbank