Darlehensvertrag: Kein Schuldbeitritt des Alleingesellschafters als Verbraucher
OLG Stuttgart v. 29.4.2025, 6 U 139/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin produziert und vertreibt Schmierstoffe. Der Beklagte war Alleingeschäftsführer und Vorstandsvorsitzender sowie alleiniger Gesellschafter der Firma W. A. S. Diese hatte am 7.10.2019 mit der Klägerin einen Darlehensvertrag über 65.000 € abgeschlossen. Hintergrund war die Absicht, auf dem türkischen Markt Fuß zu fassen und über die W. A. S., die über eine Einfuhrlizenz verfügte, Niederlassungen der Firma B. in der Türkei zu beliefern. Zur Abwicklung der Geschäfte war laut Mitteilung des Beklagten die Hinterlegung einer Kaution bei den türkischen Finanzbehörden erforderlich. Zur Deckung der dafür erforderlichen Mittel hatte die Klägerin im Jahr 2019 zwei Darlehensverträge mit der W. A. S. abgeschlossen, u.a. den Vertrag vom 7.10.2019. Gem. § 5 des Vertrages hatte der Beklagte für diesen Kredit die Mithaftung als Gesamtschuldner übernommen.
Gestützt auf den Schuldbeitritt nahm die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung der Valuta nebst Zinsen in Anspruch. Dieser hielt dagegen, auf den Schuldbeitritt seien die Bestimmungen des Verbraucherkreditrechts anwendbar, was angesichts des Fehlens einer Widerrufsbelehrung gem. § 494 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit der Vereinbarung zur Folge habe. Ferner ergebe sich die Nichtigkeit des Vertrages aus § 138 Abs. 1 BGB, weil ihn die Haftungsübernahme finanziell krass überfordere.
Das LG hat der Klage stattgegeben und die Verbrauchereigenschaft des Beklagten verneint. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb im Bezug auf die Hauptforderung erfolglos. Nur hinsichtlich der hinsichtlich der Höhe der Verzugszinsen hat das OLG die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert.
Die Gründe:
Das LG hat richtig entschieden, dass der Beklagte aufgrund des erklärten Schuldbeitritts für die Erfüllung des Darlehensvertrages vom 7.10.2019 zwischen der Klägerin und der W. A. S. einzustehen hat.
Zwischen der Klägerin und der W. A. S. war am 7.10.2019 ein Darlehensvertrag über einen Darlehensbetrag i.H.v. 65.000 € zustande gekommen, das am 30.3.2019 zur Rückzahlung fällig wurde. Die Tatsache, dass das Vertragsexemplar nicht unterzeichnet worden war, blieb erheblich, denn ein Darlehensvertrag zwischen Unternehmern unterliegt nach dem Gesetz nicht der Schriftform. Selbst die Verbrauchereigenschaft des Beklagten unterstellt, würde das Schriftformerfordernis nach § 492 Abs. 1 BGB nur für den Schuldbeitritt gelten, nicht aber für den Darlehensvertrag selbst, bei dem es sich um keinen Verbraucherdarlehensvertrag handelte. Eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Vertragsparteien des Darlehensvertrages, wonach die Wirksamkeit des Vertrages von der Wahrung der Schriftform abhängen sollte, war nicht behauptet worden.
Für die Verbindlichkeiten der Darlehensnehmerin hatte der Beklagte gem. § 5 Abs. 1 des Vertrages die Mithaftung als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) übernommen. Er hatte den Beitritt auch nicht als Verbraucher (§ 13 BGB) erklärt. Zwar kann nach BGH-Rechtsprechung auch der Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, der die Mithaftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft übernimmt, als Verbraucher zu behandeln sein. Notwendig ist aber, dass die Haftungsübernahme auf einem eigenständigen Willensentschluss des Geschäftsführers als Privatperson beruht (BGH, Beschl. v. 26.7.2022 - XI ZR 483/21). Die letztgenannte Voraussetzung hat der BGH etwa für ein Garantieversprechen des Geschäftsführers und wirtschaftlichen Eigentümers einer gewerblich tätigen GmbH verneint, das zur Sicherung einer Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft abgegeben wurde, weil sich die Risikoposition der Darlehensgeberin aufgrund einer Änderung der Darlehensstruktur geändert hatte.
Die vorliegende Fall war nicht anders zu bewerten als derjenige, über die der BGH zu befinden hatte. Auch der Beklagte war als Alleingesellschafter wirtschaftlicher Eigentümer der Darlehensnehmerin. In seiner Eigenschaft als alleiniger Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender trat er der Klägerin als einzig handelnde natürliche Person gegenüber, die das Liefergeschäft in die Türkei vermitteln sollte. Wegen der besonderen Risiken der Darlehensgewährung, die mit Rechtsform der Darlehensnehmerin und ihrem Sitz in der Türkei sowie dem Fehlen weiterer Kreditsicherheiten verbunden waren, befand sich die Klägerin in einer Lage, in der sie in besonderer Weise auf das Vertrauen in den Beklagten und die Gewähr angewiesen war, die er persönlich für die Erfüllung des Darlehensvertrages und die Abwicklung des angestrebten Liefergeschäfts geboten hatte.
Folgerichtig war für die Klägerin notwendige Voraussetzung der Kreditvergabe und des Zustandekommens des gesamten Geschäfts, dass der Beklagte aufgrund seiner Stellung als wirtschaftlich Berechtigter eine persönliche Einstandspflicht übernimmt. Auch in der vorliegenden Konstellation war die Haftungsübernahme deshalb überwiegend dem Gewerbe zuzuordnen, das von dem Beklagten als wirtschaftlichem Eigentümer betrieben wurde, und sie beruht nicht auf einem eigenständigen Willensentschluss des Beklagten als Privatperson. Letztlich konnte auch die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Haftungsübernahmen finanziell überforderter naher Angehöriger nicht auf Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die für Verbindlichkeiten der Gesellschaft eine Mithaftung übernommen haben, übertragen werden. Denn der Kreditgeber hat ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung der maßgeblich beteiligten Gesellschafter.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Klägerin produziert und vertreibt Schmierstoffe. Der Beklagte war Alleingeschäftsführer und Vorstandsvorsitzender sowie alleiniger Gesellschafter der Firma W. A. S. Diese hatte am 7.10.2019 mit der Klägerin einen Darlehensvertrag über 65.000 € abgeschlossen. Hintergrund war die Absicht, auf dem türkischen Markt Fuß zu fassen und über die W. A. S., die über eine Einfuhrlizenz verfügte, Niederlassungen der Firma B. in der Türkei zu beliefern. Zur Abwicklung der Geschäfte war laut Mitteilung des Beklagten die Hinterlegung einer Kaution bei den türkischen Finanzbehörden erforderlich. Zur Deckung der dafür erforderlichen Mittel hatte die Klägerin im Jahr 2019 zwei Darlehensverträge mit der W. A. S. abgeschlossen, u.a. den Vertrag vom 7.10.2019. Gem. § 5 des Vertrages hatte der Beklagte für diesen Kredit die Mithaftung als Gesamtschuldner übernommen.
Gestützt auf den Schuldbeitritt nahm die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung der Valuta nebst Zinsen in Anspruch. Dieser hielt dagegen, auf den Schuldbeitritt seien die Bestimmungen des Verbraucherkreditrechts anwendbar, was angesichts des Fehlens einer Widerrufsbelehrung gem. § 494 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit der Vereinbarung zur Folge habe. Ferner ergebe sich die Nichtigkeit des Vertrages aus § 138 Abs. 1 BGB, weil ihn die Haftungsübernahme finanziell krass überfordere.
Das LG hat der Klage stattgegeben und die Verbrauchereigenschaft des Beklagten verneint. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten blieb im Bezug auf die Hauptforderung erfolglos. Nur hinsichtlich der hinsichtlich der Höhe der Verzugszinsen hat das OLG die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert.
Die Gründe:
Das LG hat richtig entschieden, dass der Beklagte aufgrund des erklärten Schuldbeitritts für die Erfüllung des Darlehensvertrages vom 7.10.2019 zwischen der Klägerin und der W. A. S. einzustehen hat.
Zwischen der Klägerin und der W. A. S. war am 7.10.2019 ein Darlehensvertrag über einen Darlehensbetrag i.H.v. 65.000 € zustande gekommen, das am 30.3.2019 zur Rückzahlung fällig wurde. Die Tatsache, dass das Vertragsexemplar nicht unterzeichnet worden war, blieb erheblich, denn ein Darlehensvertrag zwischen Unternehmern unterliegt nach dem Gesetz nicht der Schriftform. Selbst die Verbrauchereigenschaft des Beklagten unterstellt, würde das Schriftformerfordernis nach § 492 Abs. 1 BGB nur für den Schuldbeitritt gelten, nicht aber für den Darlehensvertrag selbst, bei dem es sich um keinen Verbraucherdarlehensvertrag handelte. Eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Vertragsparteien des Darlehensvertrages, wonach die Wirksamkeit des Vertrages von der Wahrung der Schriftform abhängen sollte, war nicht behauptet worden.
Für die Verbindlichkeiten der Darlehensnehmerin hatte der Beklagte gem. § 5 Abs. 1 des Vertrages die Mithaftung als Gesamtschuldner (§ 421 BGB) übernommen. Er hatte den Beitritt auch nicht als Verbraucher (§ 13 BGB) erklärt. Zwar kann nach BGH-Rechtsprechung auch der Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, der die Mithaftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft übernimmt, als Verbraucher zu behandeln sein. Notwendig ist aber, dass die Haftungsübernahme auf einem eigenständigen Willensentschluss des Geschäftsführers als Privatperson beruht (BGH, Beschl. v. 26.7.2022 - XI ZR 483/21). Die letztgenannte Voraussetzung hat der BGH etwa für ein Garantieversprechen des Geschäftsführers und wirtschaftlichen Eigentümers einer gewerblich tätigen GmbH verneint, das zur Sicherung einer Darlehensverbindlichkeit der Gesellschaft abgegeben wurde, weil sich die Risikoposition der Darlehensgeberin aufgrund einer Änderung der Darlehensstruktur geändert hatte.
Die vorliegende Fall war nicht anders zu bewerten als derjenige, über die der BGH zu befinden hatte. Auch der Beklagte war als Alleingesellschafter wirtschaftlicher Eigentümer der Darlehensnehmerin. In seiner Eigenschaft als alleiniger Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender trat er der Klägerin als einzig handelnde natürliche Person gegenüber, die das Liefergeschäft in die Türkei vermitteln sollte. Wegen der besonderen Risiken der Darlehensgewährung, die mit Rechtsform der Darlehensnehmerin und ihrem Sitz in der Türkei sowie dem Fehlen weiterer Kreditsicherheiten verbunden waren, befand sich die Klägerin in einer Lage, in der sie in besonderer Weise auf das Vertrauen in den Beklagten und die Gewähr angewiesen war, die er persönlich für die Erfüllung des Darlehensvertrages und die Abwicklung des angestrebten Liefergeschäfts geboten hatte.
Folgerichtig war für die Klägerin notwendige Voraussetzung der Kreditvergabe und des Zustandekommens des gesamten Geschäfts, dass der Beklagte aufgrund seiner Stellung als wirtschaftlich Berechtigter eine persönliche Einstandspflicht übernimmt. Auch in der vorliegenden Konstellation war die Haftungsübernahme deshalb überwiegend dem Gewerbe zuzuordnen, das von dem Beklagten als wirtschaftlichem Eigentümer betrieben wurde, und sie beruht nicht auf einem eigenständigen Willensentschluss des Beklagten als Privatperson. Letztlich konnte auch die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Haftungsübernahmen finanziell überforderter naher Angehöriger nicht auf Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die für Verbindlichkeiten der Gesellschaft eine Mithaftung übernommen haben, übertragen werden. Denn der Kreditgeber hat ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung der maßgeblich beteiligten Gesellschafter.
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