21.02.2023

Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste: Kann der benachteiligte Gesellschafter auf Unterlassung klagen?

Gegen den Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH, der unter Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreichen will, steht dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter ein Unterlassungsanspruch zu, den er mit der vorbeugenden Unterlassungsklage geltend machen kann.

BGH v. 8.11.2022 - II ZR 91/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger und die Beklagte zu 1 sind laut derzeit im Handelsregister aufgenommener Gesellschafterliste mit Geschäftsanteilen im Nennwert von 5.000 € bzw. 20.000 € Gesellschafter der Beklagten zu 2, einer GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 €. Die Beklagte zu 1 ist zudem Geschäftsführerin der Beklagten zu 2.

Ursprünglicher Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2 war der im Mai 2013 verstorbene Ehemann der Beklagten zu 1 (im Folgenden: Erblasser). Dieser hatte in seinem Testament vom 4. Dezember 2012 u.a. verfügt, dass 80 % der Anteile an der Beklagten zu 2 an die Beklagte zu 1 und 20 % an den Kläger "gehen sollten". Streitig war sodann, wie diese Verfügung umgesetzt werden sollte.

Ein Fremdgeschäftsführer reichte 2017 die derzeit in den Registerordner eingestellte Gesellschafterliste ein, in der statt des Erblassers die Beklagte zu 1 als Gesellschafterin aufgeführt ist.

Im Dezember 2017 wurde die Beklagte zu 1 zur Geschäftsführerin der Beklagten zu 2 berufen und im Januar 2018 als Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen. Der Kläger forderte sie zur Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung auf, deren Gegenstand u.a. ihre Abberufung als Geschäftsführerin wegen gravierender Pflichtverletzungen sein sollte.

Daraufhin äußerte die Beklagte zu 1 ggü. dem Kläger Zweifel an dessen Gesellschafterstellung und kündigte die Einreichung einer korrigierten, den Kläger nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste zum Handelsregister an. Der Kläger erwirkte darauf eine einstweilige Verfügung, mit der beiden Beklagten die Einreichung einer ihn nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste untersagt wurde.

Der Kläger begehrt die gleichlautende Verurteilung der Beklagten im Hauptsacheverfahren. Das LG gab der Klage statt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht zurück.

Der BGH hat die Revision der Beklagten zu 1 zurückgewiesen.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Kläger die Beklagte zu 1 aus dem Gesellschaftsverhältnis auf Unterlassung der Einreichung einer ihn nicht als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste in Anspruch nehmen kann. Dieser gesellschaftsvertragliche Unterlassungsanspruch resultiert allerdings nicht aus einer Verletzung der organschaftlichen Pflichten der Beklagten zu 1 als Geschäftsführerin der Beklagten zu 2, sondern aus der Verletzung der ihr als Gesellschafterin der Beklagten zu 2 obliegenden gesellschafterlichen Treuepflicht.

Ob dem Kläger daneben, wie vom Berufungsgericht angenommen, auch ein quasinegatorischer Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 1 zusteht, bedarf damit keiner Entscheidung.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 als Geschäftsführerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer ihn zu Unrecht nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste wegen drohender Verletzung organschaftlicher Pflichten.

Ob ein Gesellschafter gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer zu seinen Lasten unrichtigen Gesellschafterliste hat, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten. Der Senat hat die Frage entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bislang nicht entschieden.

Dem Gesellschafter einer GmbH steht kein Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Unterlassung der Einreichung einer zu seinen Lasten materiell unrichtigen Gesellschafterliste zum Handelsregister wegen drohender Verletzung organschaftlicher Pflichten zu.


Der Kläger hat aber gegen die Beklagte zu 1 als Gesellschafterin einen Anspruch auf Unterlassung der Einreichung einer ihn zu Unrecht nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste wegen drohender Verletzung ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht.

Ein Gesellschafter einer GmbH verletzt seine gesellschafterliche Treuepflicht, wenn er seine Befugnis, als Geschäftsführer der Gesellschaft eine geänderte bzw. berichtigte Liste einzureichen, missbraucht, indem er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen. In einer GmbH besteht sowohl zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern als auch unter den Mitgesellschaftern eine wechselseitige Treuepflicht.

Ein Gesellschafter einer GmbH, der seine Stellung als Geschäftsführer dadurch missbraucht, dass er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste zum Handelsregister einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen, verletzt seine gesellschafterliche Treuepflicht gegenüber dem von der Unrichtigkeit nachteilig betroffenen Gesellschafter.

Die Einreichung einer materiell unrichtigen Gesellschafterliste beeinträchtigt in gravierender Weise die berechtigten gesellschaftsbezogenen Interessen des von der Unrichtigkeit betroffenen Gesellschafters. Die unrichtige Gesellschafterliste hat zwar für sich keine Auswirkung auf seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung, führt aber aufgrund der negativen Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG dazu, dass er keine Mitgliedschaftsrechte mehr gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen kann.

Eine Treuepflichtverletzung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Gesellschaftergeschäftsführer seine Befugnis zur Einreichung einer geänderten bzw. berichtigten Liste (vgl. BGH v. 17.12.2013 - II ZR 21/12, ZIP 2014, 216 Rn. 33) missbraucht, indem er eine materiell unrichtige Gesellschafterliste einreicht, um damit eigennützige Interessen durchzusetzen.


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