Gestaltungsklage auf Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis eines OHG-Gesellschafters
OLG Hamm v. 27.8.2025 - 8 U 131/23Der Kläger und der Beklagte zu 1) sind neben weiteren Gesellschaftern Gesellschafter der Beklagten zu 3), der H. OHG, und der N. KG, vormals N. OHG. Der Beklagte zu 1), zugleich Rechtsanwalt, ist alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer beider Gesellschaften. Die Parteien streiten darüber, ob dem Beklagten zu 1), wie vom Kläger begehrt, die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht für beide Gesellschaften zu entziehen ist.
Mit Zustimmung und Ermächtigung der Gesellschafterin der Beklagten zu 3), Frau I., erhob der Kläger - zuvor waren bereits zwei Vorprozesse vom Kläger angestrengt worden - die vorliegende und gegen die ursprünglichen Beklagten zu 1) bis 5) Klage. Der ehemalige Beklagte zu 4) verstarb im laufenden erstinstanzlichen Verfahren. Der Kläger richtete sein Begehren daraufhin auch gegen dessen Rechtsnachfolger, die Beklagten zu 6) bis 8). Der Kläger verlangt, dem Beklagten zu 1) die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht für die beiden Gesellschaften zu entziehen. Ferner begehrt er, die jeweiligen Mitgesellschafter zur Zustimmung hierzu zu verurteilen.
Das LG gab der Klage statt. Hiergegen wandten sich die Beklagten mit ihrer Berufung. Dem unstreitigen Eintritt weiterer Gesellschafter in die Beklagte zu 3) und die N. OHG trug der Kläger mit der Anschlussberufung Rechnung. Mit ihr begehrte er subjektiv und objektiv klageerweiternd, auch die Beklagten zu 9) und 10) zu verurteilen, der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht zuzustimmen. Die Beklagten traten der Anschlussberufung entgegen; die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz sei mangels Zustimmung der neuen Beklagten zu 9) und zu 10) unzulässig.
Nachdem der Senat im Verhandlungstermin Hinweise zur vorläufigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage erteilt hatte, erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt und beantragten, der jeweiligen Gegenseite die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die Gründe:
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit im Berufungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war gem. § 91a Abs. 1 ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Dies führt zu der erkannten Kostenverteilung unter entsprechender Heranziehung der §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 u. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Die Kosten erster Instanz hat der Senat ebenso verteilt wie das LG in dem Tenor zu Ziffer 3 des angefochtenen Urteils, denn bei summarischer Prüfung hat es den Rechtsstreit auf Grundlage des ihm von den Parteien im Rahmen des Beibringungsgrundsatzes präsentierten Tatsachenstoffs zutreffend entschieden.
Diese Beurteilung bestand im Berufungsverfahren bis zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit in Form des unstreitig gewordenen Beitritts der Beklagten zu 9) und zu 10) als Gesellschafter der Beklagten zu 3) bzw. der N. OHG (KG) fort. Erst dadurch ist die Gestaltungs- und Zustimmungsklage unzulässig geworden. Die Kosten des Berufungsverfahrens legt der Senat, soweit sie die Berufung der Beklagte zu 1) bis 3) und 5) bis 8) betreffen, trotz deren voraussichtlichen Obsiegens diesen selbst auf, weil der Erfolg der Berufung maßgeblich auf neuem Tatsachenvortrag beruht hätte, den zu halten die Beklagten zumindest in weiten Teilen schon in erster Instanz imstande gewesen wären. Im Umfang des anteiligen Streitwerts der von vornherein unzulässigen Anschlussberufung des Klägers und in voller Höhe der außergerichtlichen Kosten der allein durch dieses unzulässige Rechtsmittel in den Rechtsstreit hineingezogenen Beklagten zu 9) und zu 10) hat demgegenüber der Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Nimmt der klagende OHG-Gesellschafter mit Zustimmung eines Teils der anderen Gesellschafter den geschäftsführenden Gesellschafter im Wege der Gestaltungsklage gem. §§ 116 Abs. 5, 124 Abs. 5 HGB auf Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis in Anspruch, muss er alle weiteren nicht zustimmenden Gesellschafter auf Zustimmung verklagen. Insoweit besteht eine notwendige Streitgenossenschaft aus materiellen Gründen gem. § 62 Abs. 1 2. Alt. ZPO.
Hat der Kläger zwar in erster Instanz alle weiteren Gesellschafter der OHG ordnungsgemäß auf Zustimmung verklagt, treten aber - wie hier - in der zweiten Tatsacheninstanz der Berufung unstreitig neue Gesellschafter der OHG hinzu, kann der Kläger im Falle der Berufung der Beklagten gegen ein stattgebendes Gestaltungsurteil die neuen weiteren Gesellschafter nicht in zulässiger Weise im Wege der Anschlussberufung gem. § 524 ZPO auf Zustimmung in Anspruch nehmen. Vielmehr führt diese prozessuale Konstellation wegen der bestehenden notwendigen Streitgenossenschaft dazu, dass die Entziehungs- und Zustimmungsklage gegen die bisherigen Gesellschafter mangels Klage-/Prozessführungsbefugnis unzulässig wird.
Erklären die Parteien den Rechtsstreit daraufhin, wie im Streitfall, übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, kann das Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO nach billigem Ermessen berücksichtigen, dass die Gestaltungs- und Zustimmungsklage nach dem erstinstanzlichen Sach- und Streitstand bei summarischer Prüfung zulässig und begründet gewesen und erst durch nicht präkludierte zweitinstanzlich neue Tatsachen unzulässig geworden ist.
Kommentierung | HGB
§ 116 Geschäftsführungsbefugnis
Haas/Mohamed in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
6. Aufl./Lfg. 09.2023
Kommentierung | HGB
§ 124 Vertretung der Gesellschaft
Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
6. Aufl./Lfg. 09.2023
Kommentierung | HGB
§ 161 Begriff der KG; Anwendbarkeit der OHG-Vorschriften
Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
6. Aufl./Lfg. 09.2023
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Kommentierung | ZPO
§ 62 Notwendige Streitgenossenschaft
Althammer in Zöller, Zivilprozessordnung, 36. Aufl. 2026
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