11.03.2024

Grenzüberschreitende Verschmelzung: Atypischer stiller Gesellschafter erhält vollständige Einlage ausgezahlt

Der Gesamtnachfolger erwirbt sämtliche Rechtspositionen so, wie sie in der Hand des übertragenden Rechtsträgers bestanden. Der übernehmende Rechtsträger erlangt aus der Universalsukzession keine andere, insbesondere keine bessere Rechtsposition, als sie der übertragende Rechtsträger innehatte. Ist ein Rechtsverhältnis etwa anfechtbar, gekündigt oder unwirksam, ist es dies gleichermaßen nach Übergang auf den übernehmenden Rechtsträger.

OLG Schleswig-Holstein v. 6.3.2024 - 9 U 11/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte sich am 20.12.2004 als atypischer stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 9.600 € zzgl. 5 % Verwaltungsgebühr an der Fonds-GmbH beteiligt. Die Einlage sollte in 192 Monatsraten zu je 50 € aufgebracht werden. Der Kläger zahlte die Einlage vollständig ein und kündigte im Jahr 2011 die stille Einlage. Mit Schreiben vom 15.9.2011 teilte die Fonds-GmbH mit, dass der Vertrag erst zum 31.12.2020 ordentlich kündbar sei und ein Sonderkündigungsrecht erst nach 15 Jahren zum 31.12.2019 bestehe. Die Kündigung wurde zum 31.12.2019 vorgemerkt.

Die Fonds-GmbH gehörte zur TLG. Das Kapital wurde im Wesentlichen in Aktien der TLG, investiert. Ausweislich der Jahresabschlüsse der GmbH für die Jahre 2017 und 2018 hatte die GmbH 16.995.131 Stück Aktien vom Typ C dieser Ltd. erworben. Diese wurden in der Bilanz mit 15 % der ursprünglichen Anschaffungskosten bewertet. Dementsprechend bestand das Anlagevermögen der Fonds GmbH fast ausschließlich aus Finanzanlagen, die aus diesen Aktien bestanden und deren Bewertung 2017 und 2018 konstant blieb. Die Summe der Einlagekonten stiller Gesellschafter von etwa 38 Mio. € war durch zugewiesene Verluste weitestgehend aufgebraucht und entsprechende Buchverluste waren den atypisch stillen Gesellschaftern zugewiesen worden. Die Verluste aus der atypisch stillen Gesellschaft waren steuerlich negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die zugewiesenen steuerlichen Verluste sollten nach dem Prospekt mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden können.

Die Fonds GmbH wurde 2018 als übertragender Rechtsträger gemäß Verschmelzungsplan vom 10.10.2018 und Zustimmungsbeschlüssen der beteiligten Rechtsträger vom selben Tag und vom 8.11.2019 auf die britische CT, die Beklagte, verschmolzen. Die Verschmelzung wurde wirksam mit Ablauf des 31.12.2018.

Der Kläger verlangte von der Beklagten gerichtlich die Zahlung von 9.600 €. Das LG gab der Klage i.H.v. 6.876 € statt und wies sie im Übrigen ab. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 9.600 € verurteilt. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die Normen der EuGVVO auch nach dem 31.12.2020 für Klagen von in der EU ansässigen Verbrauchern gegen Vertragspartner, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben, anwendbar. Der Kläger hatte bei Abgabe der Erklärung des Beitritts zur atypisch stillen Gesellschaft als Verbraucher gehandelt. Er war ausweislich der Beitrittserklärung beruflich als Informatiker und gerade nicht als beruflicher oder gewerblicher Investor tätig. Auch dass die Vertragsverhältnisse auf Seiten des jeweiligen Vertragspartners nach Vertragsschluss auf einen Dritten, hier auf die Beklagte, übergegangen waren, war unerheblich. Für die Annahme der internationalen Zuständigkeit am Wohnsitz des Verbrauchers ist es unmaßgeblich, ob dieser den Vertragspartner oder einen Rechtsnachfolger des Vertragspartners verklagt.

Die Klage war auch nicht nur teilweise, sondern in voller Höhe begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Abfindungsguthabens nach § 235 Abs. 1 HGB i.V.m. § 15 des Vertrags über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft i.H.v. 9.600 € zu. Für die stille Beteiligung des Klägers war Internationales Vertragsrecht und nicht Internationales Gesellschaftsrecht maßgeblich, weil die stille Gesellschaft als bloß interne Beteiligung an einem Unternehmen aus kollisionsrechtlicher Perspektive nicht gesellschaftsrechtlicher, sondern schuldrechtlicher Natur ist. Danach wurde die stille Beteiligung gem. Art. 28 f. EGBGB a.F. in der bis zum 16.12.2009 geltenden Fassung im Jahr 2005 zwischen dem in Deutschland wohnhaften Kläger und der in Deutschland ansässigen Fonds-GmbH nach deutschem Recht begründet.

Die stille Beteiligung ist nicht bereits aufgrund der grenzüberschreitenden Verschmelzung beendet worden. Mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung gehen nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG grundsätzlich alle Vermögenspositionen des übertragenden Rechtsträgers und folglich auch die stille Beteiligung auf den übernehmenden Rechtsträger über. Das gilt für eine stille Beteiligung jedenfalls, soweit im Gesellschaftsvertrag mit dem Stillen nichts anderes bestimmt ist. An dem Übergang der stillen Beteiligung auf den ausländischen Rechtsträger vermochte auch die Tatsache nichts zu ändern, dass das englische Recht eine stille Beteiligung nicht kennt. Denn diese unterliegt deutschem Recht. Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist also eine deutsche atypisch stille Beteiligung auf eine Auslandsgesellschaft übergegangen.

Das atypisch stille Beteiligungsverhältnis ist allerdings durch die vom Kläger bereits am 29.08.2011 erklärte ordentliche Kündigung zum 31.12.2019 beendet worden. Infolge des identitätswahrenden Charakters der nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Universalsukzession bleiben Inhalt und Umfang, Natur und Charakteristika der übergeleiteten Vermögenspositionen unverändert. Der Gesamtnachfolger erwirbt sämtliche Rechtspositionen so, wie sie in der Hand des übertragenden Rechtsträgers bestanden. Der übernehmende Rechtsträger erlangt aus der Universalsukzession keine andere, insbesondere keine bessere Rechtsposition, als sie der übertragende Rechtsträger innehatte. Ist ein Rechtsverhältnis etwa anfechtbar, gekündigt oder unwirksam, ist es dies gleichermaßen nach Übergang auf den übernehmenden Rechtsträger. Namentlich bleiben vor dem Rechtsübergang begründete Einwendungen analog §§ 404, 417 BGB erhalten.

Das bedeutete im vorliegenden Fall, dass auch die atypisch stille Beteiligung in ihrer konkreten Ausgestaltung durch die grenzüberschreitende Verschmelzung unberührt blieb. In der Folge erwarb die Beklagte die Rechtsstellung als Hauptgesellschafterin der atypisch stillen Beteiligung gerade so, wie sie zuvor in der Person der übertragenden Gesellschaft bestand. Es ging also ein bereits am 29.08.2011 gekündigtes atypisch stilles Beteiligungsverhältnis auf die Beklagte über. Sie musste die gegenüber der übertragenden Gesellschaft erklärte Kündigung auch nach der erfolgten grenzüberschreitenden Verschmelzung gegen sich gelten lassen. Das führte zu einer Auflösung der atypisch stillen Beteiligung zum 31.12.2019.

Die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes führten zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die Beklagte eingewendet hatte, nach § 23 UmwG seien dem Kläger im Zuge der Verschmelzung durch die Zuteilung von B-Anteilen gleichwertige Rechte eingeräumt worden, konnte dem nicht gefolgt werden. Der vom LG zugesprochene Betrag i.H.v. 6.876 € wurde durch die Beklagte selbst in ihrem Schreiben aus Februar 2019 als rechnerischer Wert der stillen Beteiligung zum 31.12.2018 ausgewiesen. Die in dem Schreiben enthaltene Erklärung, dass die Darstellungen zum rechnerischen Wert der stillen Beteiligung zum 31.12.2018 und die anderen mitgeteilten Werte kein Anerkenntnis darstellten und keine Zahlungspflichten oder Forderungsrechte begründen sollten, hatte nicht zur Folge, dass die Wertangabe als unverbindlich zu betrachten wäre.

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