16.10.2023

Kündbarkeit eines Vertrags über eine stille Beteiligung, der der Aufbringung haftenden Eigenkapitals einer Bank nach § 10 Abs. 4 KWG zu dienen bestimmt war

Ein stiller Gesellschaftsvertrag, der zum Zweck der Aufbringung permanent haftenden Eigenkapitals eines Kreditinstituts abgeschlossen ist, kann von der Geschäftsherrin (bei Vorliegen der vertraglichen Voraussetzungen im Übrigen) gekündigt werden, wenn aufgrund der Umsetzung unionsrechtlicher Verschärfungen die rechtliche Qualifikation der Einlage als hartes Kernkapital (sukzessive) wegfällt. Eine derartige Kündigung ist auch zum Ende der gesetzlichen Übergangsphase (sog. Phase-Out) noch zulässig.

OLG Celle v. 11.7.2023 - 9 U 7/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt Feststellung, dass eine von der Beklagten am 25.11.2020 ausgesprochene Kündigung des zwischen den Parteien im Dezember 2010 abgeschlossenen Vertrags über die Errichtung einer stillen Gesellschaft unwirksam ist. Hilfsweise beansprucht die Klägerin Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Nominalbetrag ihrer stillen Beteiligung und deren ihr mittlerweile ausgezahltem Buchwert zum 31.12.2021.

Das LG wies die Klage ab. Es hat im Kern gemeint, die streitgegenständliche Kündigungserklärung der Beklagten sei nicht unwirksam, sondern nach § 7 (4) des Gesellschaftsvertrags rechtmäßig. Dass die von der Klägerin erbrachte Einlage infolge der seit 2014 wirksamen Änderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften bereits über Jahre hinweg sukzessive ihre mit dem Vertrag gerade beabsichtigte Qualität als Kernkapital der Beklagten verloren habe und auch noch weiter verliere, stelle eine die außerordentliche Kündigung rechtfertigende nachteilige Veränderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften im Sinne der genannten Vertragsbestimmung dar. Dass diese Veränderung bereits seit 2014 Wirkungen entfaltet habe und sogar noch früher bekannt gewesen sei, sei unerheblich, weil die Vertragsbestimmung der Beklagten insoweit das Recht einräume, "jederzeit" zu kündigen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Prozessziel weiterverfolgt. Sie macht geltend, die Auffassung der Kammer, wonach das in § 7 (4) des Gesellschaftsvertrags vorgesehene Recht zur außerordentlichen Kündigung zeitlich unbegrenzt ausgeübt werden könne, verkenne dessen weitere Voraussetzungen und gehe über das Verständnis selbst der Beklagten hinaus. Der Kündigung stehe vielmehr entgegen, dass zum Zeitpunkt ihres Ausspruchs keine wesentlichen Veränderungen im Sinne der aufsichtsrechtlichen Behandlung der Einlage mehr zu verzeichnen gewesen seien. Die Beklagte hätte bereits zum Ende des Jahres 2016 (zu diesem Zeitpunkt durfte eine auf die fragliche Bestimmung gestützte außerordentliche Kündigung vertragsgemäß frühestens erklärt werden) kündigen können und - mit Blick auf die Interessen der Klägerin als ihrer Vertragspartnerin - müssen.

Das OLG teilte per Hinweisbeschluss mit, dass es die Berufung der Klägerin zurückzuweisen beabsichtige.

Die Gründe:
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Unstreitig ist im Streitfall eine "nachteilige Veränderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften" i. S. v. § 7 (4) des Gesellschaftsvertrags als Voraussetzung des in dieser Vorschrift normierten außerordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten eingetreten, und zwar durch die ab dem 1.1.2014 geltende Änderung von § 10 Abs. 4 KWG unter Bezugnahme auf die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR-Verordnung). Der nach der Präambel des Gesellschaftsvertrags mit der stillen Beteiligung verfolgte Zweck, das von der Klägerin im Wege einer Einlage eingebrachte Kapital "auf Dauer als haftendes Eigenkapital (Kernkapital)" dienen zu lassen, ist durch diese Gesetzesänderung jährlich ab 2014 zu immer größeren Teilen unmöglich geworden, weil die Einlage der Klägerin diesem Ziel ab 2014 teilweise und ab 2022 gar nicht mehr gerecht werden konnte (sog. Phase-Out-Regelung).

Richtig ist die Auffassung des LG, wonach die Beklagte angesichts dieser, die dauerhafte Verwirklichung des mit dem Gesellschaftsvertrag Gewollten mittelfristig unmöglich machenden Änderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften berechtigt war, die stille Beteiligung der Klägerin durch die Erklärung vom 25.11.2020 außerordentlich zu kündigen.

Dem steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung die in der Gesetzesänderung angelegte Aberkennung der Qualität des von der Klägerin per Einlage eingebrachten Kapitals als haftendes Eigenkapital der Beklagten überwiegend bereits eingetreten war und dass die Beklagte von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht bereits zum 31.12.2016 hätte Gebrauch machen dürfen (§ 7 (4) Abs. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags). Vielmehr zeigt gerade der Umstand, dass die letztgenannte Vertragsvorschrift einen (vom Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen losgelösten) Zeitpunkt bestimmt, zu welchem eine außerordentliche Kündigung frühestens erfolgen durfte, dass die Beklagte nicht gehalten war, die außerordentliche Kündigung bereits zeitnah zum Inkrafttreten oder Bekanntwerden geänderter gesetzlicher Regelungen auszusprechen.

Darüber hinaus durfte die Beklagte das stille Gesellschaftsverhältnis mit der Klägerin auch deswegen wie geschehen kündigen, weil die Auswirkungen der oben geschilderten Änderung aufsichtsrechtlicher Vorschriften auch zum Zeitpunkt der (gegen Ende des Phase-Out, also der stufenweisen Außerkraftsetzung der früheren Regelungen erfolgten) Kündigungserklärung noch eintraten. Die Beteiligung der Klägerin verlor seit dem Jahr 2014 und zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung fortschreitend ihre Qualität als haftendes Eigenkapital der Beklagten (vgl. § 31 Solvabilitätsverordnung - SolvV). Davon waren in 2014 20 % und danach jeweils 10 % der Einlage pro Jahr betroffen. Dieser jährliche "Schwund" stellt jeweils eine wesentliche Änderung in der aufsichtsrechtlichen Behandlung der Einlage dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die Frage der Wesentlichkeit der Änderung auf den Gegenstand des konkreten, die Parteien verbindenden Beteiligungsvertrags abzustellen und nicht auf die Höhe des gesamten Eigenkapitals der Beklagten.

Zutreffend ist auch die Auffassung des LG, wonach der in § 12 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene "Eintritt in einvernehmliche Verhandlungen im Falle wesentlicher Änderungen in der aufsichtsrechtlichen Behandlung der Einlagen" keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigungserklärung nach § 7 (4) des Vertrags darstellt.

Angesichts dessen, dass die Kündigungserklärung vom 25.11.2020 - auch im Hinblick auf den Zeitpunkt ihres Ausspruchs - vertragsgemäß gewesen ist, hat die Beklagte ihr Kündigungsrecht (schon mangels Vorliegens des dafür erforderlichen Zeitmoments) auch nicht verwirkt. In dieser Hinsicht ist vielmehr anzumerken, dass der Klägerin, die ebenfalls ein Kreditinstitut ist, die ihre stille Beteiligung an der Beklagten fundamental betreffende Änderung des KWG im Hinblick auf die genannte europarechtliche Verordnung bekannt sein musste. Angesichts dessen, dass die stille Beteiligung dadurch ihren zentralen, in der Präambel des Vertrags genannten Zweck verlieren musste, hätte die Klägerin, bevor sie sich auf einen Fortbestand ihrer Beteiligung einrichtete, ihrerseits - siehe schon oben - das von ihr vermisste Gespräch mit der Beklagten suchen müssen.

Weil die streitgegenständliche Kündigung vertragsgemäß und die Beklagte nicht zu einer früheren Kündigung (namentlich einer solchen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Beteiligung der Klägerin noch nicht durch Verluste der Beklagten angegriffen war) verpflichtet gewesen ist, steht der Klägerin, wie das LG ebenfalls zutreffend angenommen hat, kein Anspruch auf Schadensersatz zu.

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