11.10.2021

Marktmanipulation: Voraussetzungen für den Arrestgrund nach §§ 916, 917, 923 ZPO

Es besteht regelmäßig ein Arrestgrund, wenn das dem Arrestanspruch zugrundeliegende Verhalten eine vorsätzliche strafbare Handlung darstellt, die sich gegen das Vermögen des Arrestgläubigers richtet. Allein die Untersuchungshaft hindert den Arrestbeklagten weder rechtlich noch tatsächlich daran, Vermögensverfügungen ggf. über beauftragte Personen vorzunehmen und lässt daher den Arrestgrund nicht entfallen.

OLG München v. 27.9.2021, 3 U 3242/21
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller hatte am 26.3.2021 den Erlass eines dinglichen Arrestes gegen den Antragsgegner beantragt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin gegen den Antragsgegner eine Schadensersatzforderung i.H.v. 6.540 € zustehe, die darauf begründet sei, dass der Antragsgegner als Vorstandsvorsitzender der W-AG und zugleich als größter Einzelaktionär in den Jahren 2002 bis Juni 2020 zusammen mit zwei ehemaligen W-Managern bandenmäßigen Betrug und Fälschung der Geschäftsbilanzen seit mindestens 2015 sowie Marktmanipulation begangen habe. Die W-AG habe dadurch finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver dargestellt werden sollen, umso regelmäßig Kredite von Banken und sonstigen Investoren zu erlangen und daraus fortwährend eigene Einkünfte zu generieren. Tatsächlich sei dem Antragsgegner jedoch klar gewesen, dass der W-Konzern Verluste erziele. Der Antragsgegner sitzt seit Juli 2020 aufgrund dieser Vorwürfe in Untersuchungshaft.

Dem Antragsteller sei aufgrund vorangegangen Aktienkaufs unter Zugrundelegung des Kurswertes von 1,15 € je Aktie am Tag vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der oben genannte Verlust entstanden. Bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände hätte der Antragsteller die Aktien nicht erworben. Ein Arrestgrund liege deshalb vor, da die Vollstreckung eines Schadensersatzanspruches gegen den Antragsgegner aufgrund seiner österreichischen Staatsbürgerschaft und der zahlreichen Immobilien, welche der Beklagte im Ausland besitze, wesentlich erschwert würde.

Das LG wies den Antrag auf Erlass eines Arrestes zurück. Auf die Berufung des Antragstellers hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und dem Antrag stattgegeben.

Die Gründe:
Dem Antrag auf Anordnung des Arrestes war nach §§ 916, 917, 923 ZPO stattzugeben. Der Arrestanspruch ergibt sich zumindest aus § 826 BGB. Es kann dahinstehen, ob daneben auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 331 Nr. 1, 4 HGB, § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG oder i.V.m. § 264 a StGB oder § 263 StGB besteht.

Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsgegner als Vorstandsvorsitzender der W-AG zusammen mit weiteren Vorständen und Mitarbeitern seit dem Jahr 2015 wissentlich das Unternehmen finanzkräftiger dargestellt hat, als es in Wirklichkeit war. Die Bezugnahme auf die staatsanwaltschaftliche Presseerklärung reicht in diesem Fall zur Glaubhaftmachtung auch des subjektiven Tatbestandes des § 826 BGB aus. Dem Antragsteller ist durch die systematische Falschinformation seitens des Antragsgegners zudem der geltend gemachte Schaden entstanden.

Zwar wird durch den Antragsteller weder in der Antrags- noch in der Berufungsschrift zu einem Schaden vorgetragen, jedoch nimmt der Antragsteller Bezug auf die vorgelegten Unterlagen. Zu diesen gehört ein Schriftsatz des Antragstellers, mit welchem eine Klage beim LG eingereicht wurde. In dieser wurde ausgeführt, dass der Antragsteller 50 Aktien der W-AG zu gesamt 6.540 € erworben hatte, eine entsprechende Wertpapierkaufabrechnung findet sich in den Anlagen ebenfalls.

Unter Berücksichtigung des allgemein bekannten Verlustes der Aktie sieht der Senat daher einen möglichen Schaden als ausreichend glaubhaft gemacht an. Dafür, dass die streitgegenständlichen Investitionen im Vertrauen auf den dargelegten Sachverhalt getätigt wurden bzw. dass der Antragsteller bei Kenntnis der wahren Umstände hiervon Abstand genommen hätte, spricht zudem bereits die Vermutung Aufklärung richtigen Verhaltens.

Ein Arrestgrund liegt ebenfalls vor. Dieser wird durch das bisherige Verhalten des Antragsgegners indiziert. Es besteht regelmäßig ein Arrestgrund, wenn das dem Arrestanspruch zugrundeliegende Verhalten eine vorsätzliche strafbare Handlung darstellt, die sich gegen das Vermögen des Arrestgläubigers richtet. Soweit die Vorinstanz darauf verwiesen hat, dass ein Arrestgrund nicht bestehe, da der Antragsgegner aufgrund der seit Juli 2020 andauernden Untersuchungshaft über sein Vermögen nicht verfügen könne, so überzeugt dies nicht. Allein die Untersuchungshaft hindert den Arrestbeklagten nämlich weder rechtlich noch tatsächlich daran, Vermögensverfügungen ggf. über beauftragte Personen vorzunehmen und lässt daher den Arrestgrund nicht entfallen.
Bayern.Recht
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