OLG Hamm weist Berufung des peruanischen Bergführers gegen RWE zurück und betont dennoch mögliche Ansprüche gegen CO₂-Emissionäre
OLG Hamm v. 28.5.2025 - 5 U 15/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Miteigentümer eines Wohnhauses in der Stadt Huaraz in der Region Ancash in Peru. Die Stadt liegt am Fuße der Anden unterhalb der Laguna Palcacocha, eines Gletschersees. Der durch eine natürliche Moräne gestaute See wiederum liegt unterhalb des Palcaraju-Gletschers. In der Region kann es zu Erdbeben und Erdrutschen kommen, die in der Vergangenheit bereits Gletscherseeausbrüche mit einer Überflutung der Stadt Huaraz ausgelöst haben. Bei einer erneuten Flutwelle würde aller Voraussicht nach das Haus des Klägers mitüberschwemmt.
Um der Überschwemmungsgefahr entgegenzuwirken soll u.a. das Wasservolumen des Gletschersees langfristig gesenkt werden, was trotz staatlicher Maßnahmen in den letzten Jahren nicht gelungen ist. Nach Auffassung des Klägers stellt das im Jahr 2016 gemessene Wasservolumen von 17,4 Mio. m³ einen gefährlichen Wasserstand dar. Für das Volumen macht er das durch weltweite Treibhausgasemissionen ausgelöste Abschmelzen des Gletschers verantwortlich. Die Beklagte wiederum hält er für mitverantwortlich, weil sie nach seiner Schätzung zu 0,47% zu den Treibhausgasemissionen beitrage.
Erstinstanzlich verlangte der Kläger in erster Linie die Feststellung, dass die Beklagte entsprechend ihrem - vom Gericht zu bestimmenden - Anteil an den Treibhausgasemissionen verpflichtet sei, die Kosten für geeignete Maßnahmen zum Schutz seines Eigentums vor einer erneuten Gletscherflut zu tragen (Hauptantrag).
Mit drei Hilfsanträgen begehrte der Kläger in erster Instanz, die Beklagte zu verurteilen, (1) die Wassermenge in dem Gletschersee entsprechend ihrem Anteil an dem CO2-Ausstoß durch geeignete Schutzmaßnahmen zu senken, (2) einen auf ihn entfallenden Kostenanteil von 17.000 € für geeignete Schutzmaßnahmen an einen Gemeindezusammenschluss seiner Heimat zu zahlen und (3), weiter hilfsweise, ihm für Schutzmaßnahmen bereits verauslagte 6.384 € zu erstatten.
Das LG Essen wies die Klage ab (2 O 285/15). Der Hauptantrag sowie die ersten beiden Hilfsanträge seien, so das Landgericht, unzulässig, weil nicht hinreichend bestimmt. Den Anteil der Beklagten an den globalen Treibhausemissionen habe der Kläger in seinen Anträgen selbst benennen müssen und nicht einer Schätzung des Gerichts überlassen dürfen. Eine Zahlung an einen Gemeindezusammenschluss habe der Kläger ebenfalls zu unbestimmt beantragt, weil für die Beklagte nicht zu erkennen sei, an wen sie ggf. leisten solle. Der Antrag auf Erstattung verauslagter 6.384 € für von ihm veranlasste Schutzmaßnahmen sei unbegründet, weil sich die vom Kläger behauptete Flutgefahr der Beklagten nicht als Störerin individuell zuzuordnen lasse. Es gebe zahllose Emittenten von Treibhausgasen. Wenn durch eine Vielzahl von Emittenten freigesetzte Treibhausgase durch einen komplexen Naturprozess eine Klimaänderung hervorriefen, lasse sich keine lineare Verursachungskette zwischen einer Quelle der Treibhausgase und dem vom Kläger vorgetragenen Schaden feststellen.
Im Berufungsverfahren hielt der Kläger an seinem Klagebegehren fest. Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger könnte möglicherweise einen Anspruch nach § 1004 BGB gegen die Beklagte haben. Falls eine Beeinträchtigung droht, könnte der Verursacher von CO₂-Emissionen verpflichtet sein, Maßnahmen zur Verhinderung zu ergreifen. Verweigert er dies endgültig, könnte bereits vor dem Entstehen tatsächlicher Kosten festgestellt werden, dass er für diese entsprechend seinem Emissionsanteil aufkommen müsse - wie es der Kläger fordert.
Allein die große Entfernung zwischen den Kraftwerken der Beklagten und dem Wohnort des Klägers in Peru ist auch kein ausreichender Grund, die Klage als unbegründet einzustufen. Besonders eines der Argumente der Beklagten ist unzutreffend: Die Rechtsauffassung des Gerichts bedeutet nicht, dass künftig jeder einzelne Bürger rechtlich belangt werden kann. Dem steht entgegen, dass Verursachungsbeiträge einer einzelnen Person derart geringfügig sind, dass sie keine Haftung begründen können. Ebenso kann sich die Beklagte nicht auf ihren nach deutschen Gesetzen bestehenden Versorgungsauftrag berufen, um eine Duldung von Beeinträchtigungen des Eigentums des in Peru lebenden Klägers zu rechtfertigen.
Dennoch war die Berufung des Klägers zurückzuweisen, da die Beweisaufnahme ergab, dass keine konkrete Gefahr für sein Grundstück besteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt Wasser des Gletschersees das Haus des Klägers innerhalb der nächsten 30 Jahre erreicht, liegt bei nur etwa einem Prozent - ein Wert, der als zu gering anzusehen ist. Hinzu kommt, dass im Falle eines solchen Ereignisses die Folgen für das Haus des Klägers kaum ins Gewicht fallen würden, weil lediglich eine Flutwelle das Haus erreichen wird in einer Höhe von wenigen Zentimetern und einer Fließgeschwindigkeit, die nicht in der Lage ist, die Konstruktion des Hauses zu gefährden.
Der Einschätzung des Sachverständigen wurde gefolgt, der eine konkrete Gefahrenanalyse auf Basis der örtlichen Gegebenheiten für sachgerecht hielt. Die vom Kläger bevorzugte allgemeine statistische Bewertung, insbesondere die Einbeziehung eines "Klimafaktors" zur Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit, war hingegen abzulehnen.
Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass die vom Sachverständigen in seinen Berechnungen getroffenen Annahmen insgesamt den Kläger begünstigen. So blieb der vorgelagerte Flachwasserbereich unberücksichtigt, die Höhe der talseitigen Barriere wurde zu niedrig angesetzt und es wurde eine ungehinderte Ausbreitung der Wellen zugrunde gelegt. Auch die Möglichkeit zur Absenkung des Pegels des Sees durch die Behörden wurde nicht berücksichtigt. Das tatsächliche Risiko liegt daher noch deutlich unterhalb der Wahrscheinlichkeit von einem Prozent.
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OLG Hamm PM vom 28.5.2025
Der Kläger ist Miteigentümer eines Wohnhauses in der Stadt Huaraz in der Region Ancash in Peru. Die Stadt liegt am Fuße der Anden unterhalb der Laguna Palcacocha, eines Gletschersees. Der durch eine natürliche Moräne gestaute See wiederum liegt unterhalb des Palcaraju-Gletschers. In der Region kann es zu Erdbeben und Erdrutschen kommen, die in der Vergangenheit bereits Gletscherseeausbrüche mit einer Überflutung der Stadt Huaraz ausgelöst haben. Bei einer erneuten Flutwelle würde aller Voraussicht nach das Haus des Klägers mitüberschwemmt.
Um der Überschwemmungsgefahr entgegenzuwirken soll u.a. das Wasservolumen des Gletschersees langfristig gesenkt werden, was trotz staatlicher Maßnahmen in den letzten Jahren nicht gelungen ist. Nach Auffassung des Klägers stellt das im Jahr 2016 gemessene Wasservolumen von 17,4 Mio. m³ einen gefährlichen Wasserstand dar. Für das Volumen macht er das durch weltweite Treibhausgasemissionen ausgelöste Abschmelzen des Gletschers verantwortlich. Die Beklagte wiederum hält er für mitverantwortlich, weil sie nach seiner Schätzung zu 0,47% zu den Treibhausgasemissionen beitrage.
Erstinstanzlich verlangte der Kläger in erster Linie die Feststellung, dass die Beklagte entsprechend ihrem - vom Gericht zu bestimmenden - Anteil an den Treibhausgasemissionen verpflichtet sei, die Kosten für geeignete Maßnahmen zum Schutz seines Eigentums vor einer erneuten Gletscherflut zu tragen (Hauptantrag).
Mit drei Hilfsanträgen begehrte der Kläger in erster Instanz, die Beklagte zu verurteilen, (1) die Wassermenge in dem Gletschersee entsprechend ihrem Anteil an dem CO2-Ausstoß durch geeignete Schutzmaßnahmen zu senken, (2) einen auf ihn entfallenden Kostenanteil von 17.000 € für geeignete Schutzmaßnahmen an einen Gemeindezusammenschluss seiner Heimat zu zahlen und (3), weiter hilfsweise, ihm für Schutzmaßnahmen bereits verauslagte 6.384 € zu erstatten.
Das LG Essen wies die Klage ab (2 O 285/15). Der Hauptantrag sowie die ersten beiden Hilfsanträge seien, so das Landgericht, unzulässig, weil nicht hinreichend bestimmt. Den Anteil der Beklagten an den globalen Treibhausemissionen habe der Kläger in seinen Anträgen selbst benennen müssen und nicht einer Schätzung des Gerichts überlassen dürfen. Eine Zahlung an einen Gemeindezusammenschluss habe der Kläger ebenfalls zu unbestimmt beantragt, weil für die Beklagte nicht zu erkennen sei, an wen sie ggf. leisten solle. Der Antrag auf Erstattung verauslagter 6.384 € für von ihm veranlasste Schutzmaßnahmen sei unbegründet, weil sich die vom Kläger behauptete Flutgefahr der Beklagten nicht als Störerin individuell zuzuordnen lasse. Es gebe zahllose Emittenten von Treibhausgasen. Wenn durch eine Vielzahl von Emittenten freigesetzte Treibhausgase durch einen komplexen Naturprozess eine Klimaänderung hervorriefen, lasse sich keine lineare Verursachungskette zwischen einer Quelle der Treibhausgase und dem vom Kläger vorgetragenen Schaden feststellen.
Im Berufungsverfahren hielt der Kläger an seinem Klagebegehren fest. Das OLG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger könnte möglicherweise einen Anspruch nach § 1004 BGB gegen die Beklagte haben. Falls eine Beeinträchtigung droht, könnte der Verursacher von CO₂-Emissionen verpflichtet sein, Maßnahmen zur Verhinderung zu ergreifen. Verweigert er dies endgültig, könnte bereits vor dem Entstehen tatsächlicher Kosten festgestellt werden, dass er für diese entsprechend seinem Emissionsanteil aufkommen müsse - wie es der Kläger fordert.
Allein die große Entfernung zwischen den Kraftwerken der Beklagten und dem Wohnort des Klägers in Peru ist auch kein ausreichender Grund, die Klage als unbegründet einzustufen. Besonders eines der Argumente der Beklagten ist unzutreffend: Die Rechtsauffassung des Gerichts bedeutet nicht, dass künftig jeder einzelne Bürger rechtlich belangt werden kann. Dem steht entgegen, dass Verursachungsbeiträge einer einzelnen Person derart geringfügig sind, dass sie keine Haftung begründen können. Ebenso kann sich die Beklagte nicht auf ihren nach deutschen Gesetzen bestehenden Versorgungsauftrag berufen, um eine Duldung von Beeinträchtigungen des Eigentums des in Peru lebenden Klägers zu rechtfertigen.
Dennoch war die Berufung des Klägers zurückzuweisen, da die Beweisaufnahme ergab, dass keine konkrete Gefahr für sein Grundstück besteht. Die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt Wasser des Gletschersees das Haus des Klägers innerhalb der nächsten 30 Jahre erreicht, liegt bei nur etwa einem Prozent - ein Wert, der als zu gering anzusehen ist. Hinzu kommt, dass im Falle eines solchen Ereignisses die Folgen für das Haus des Klägers kaum ins Gewicht fallen würden, weil lediglich eine Flutwelle das Haus erreichen wird in einer Höhe von wenigen Zentimetern und einer Fließgeschwindigkeit, die nicht in der Lage ist, die Konstruktion des Hauses zu gefährden.
Der Einschätzung des Sachverständigen wurde gefolgt, der eine konkrete Gefahrenanalyse auf Basis der örtlichen Gegebenheiten für sachgerecht hielt. Die vom Kläger bevorzugte allgemeine statistische Bewertung, insbesondere die Einbeziehung eines "Klimafaktors" zur Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit, war hingegen abzulehnen.
Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass die vom Sachverständigen in seinen Berechnungen getroffenen Annahmen insgesamt den Kläger begünstigen. So blieb der vorgelagerte Flachwasserbereich unberücksichtigt, die Höhe der talseitigen Barriere wurde zu niedrig angesetzt und es wurde eine ungehinderte Ausbreitung der Wellen zugrunde gelegt. Auch die Möglichkeit zur Absenkung des Pegels des Sees durch die Behörden wurde nicht berücksichtigt. Das tatsächliche Risiko liegt daher noch deutlich unterhalb der Wahrscheinlichkeit von einem Prozent.
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