23.01.2024

Teilnahmeregelung: Gesellschafterversammlung ohne Ladung der Erben eines verstorbenen Mitgesellschafters

Der Umstand, dass in der Gesellschafterversammlung nicht wirksam über die Bestellung der Antragstellerin als Geschäftsführerin beschlossen werden konnte, weil die Erben des verstorbenen Mitgesellschafters nicht zu der Versammlung geladen worden waren, war nicht behebbar. Die vom Registergericht aufgezeigten Mängel der Beschlussfassung waren danach nicht zu heilen, sondern bedurften einer neuen Beschlussfassung und der erstmaligen Schaffung der einzutragenden Tatsachen.

OLG Brandenburg v. 2.1.2024 - 7 W 66/23
Der Sachverhalt:
Gesellschafter der Antragstellerin zu 1) waren die Antragstellerin zu 2) mit einem Geschäftsanteil von 12.250 € und der R. mit einem Geschäftsanteil von 12.750 €. Der R. war auch allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1). Er ist im März 2023 verstorben. Die Erben sind nicht bekannt. Die Antragstellerin zu 2) hat als Gesellschafterin in einer Gesellschafterversammlung am 4.5.2023 unter Verzicht auf alle gesetzlichen und /oder satzungsrechtlich vorgeschriebenen Formen und Fristen der Einberufung, Ankündigung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung beschlossen, dass sie zur allein vertretungsberechtigten Geschäftsführerin unter Befreiung von § 181 BGB bestellt wird. Noch am selben Tag beantragte sie die Löschung von R. als Geschäftsführer und ihre Eintragung als Geschäftsführerin. Sie berief sich auf § 13 des Gesellschaftsvertrages, der die Folgen des Todes eines Gesellschafters regelt.

Das Registergericht hat mit Zwischenverfügung vom 15.5.2023 angeordnet, dass die Antragstellerin zu 1) eine Nachlasspflegschaft anregen und den Nachlasspfleger zur Versammlung zu laden habe. Dies gelte unabhängig davon, dass § 13 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages das Ruhen der Gesellschafterrechte im Fall des Todes eines Gesellschafters vorsehe. Das Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung sei - anders als das Stimmrecht - nicht entziehbar.

Die Antragstellerinnen waren der Ansicht, dass auch das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen wirksam entzogen werden könne, wenn dafür ein sachlicher Grund gegeben sei. In diesem Fall dürfe auch die Ladung des Gesellschafters unterbleiben. Der sachliche Grund für das Ruhen des Teilnahmerechts an Gesellschafterversammlungen sei hier die zügige Fortführung des Geschäfts der Gesellschaft ohne Beeinträchtigung durch die Erben oder deren Vertreter. Die Erben selbst seien nicht zur Übernahme berechtigt.

Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen hat das OLG die Zwischenverfügung aufgehoben.

Die Gründe:
Die Beschwerde hat allein deshalb Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Entscheidung durch eine Zwischenverfügung gem. § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG nicht vorlagen.

Der Umstand, dass in der Gesellschafterversammlung vom 4.5.2023 nicht wirksam über die Bestellung der Antragstellerin zu 2) als Geschäftsführerin beschlossen werden konnte, weil die Erben des verstorbenen Mitgesellschafters nicht zu der Versammlung geladen worden waren, war nicht behebbar. Nach der Auffassung des Registergerichts war vielmehr nach Bestellung eines Nachlasspflegers eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen und über die Bestellung eines Geschäftsführers in der dann wirksam einberufenen Gesellschafterversammlung zu beschließen. Die vom Registergericht aufgezeigten Mängel der Beschlussfassung waren danach nicht zu heilen, sondern bedurften einer neuen Beschlussfassung und der erstmaligen Schaffung der einzutragenden Tatsachen.

Das Registergericht hätte mithin auf die Mängel der Beschlussfassung hinweisen und den Antrag nach Anhörung der Antragstellerinnen zurückweisen müssen. Seine Rechtsauffassung, wonach die Bestellung einer Geschäftsführerin nicht ohne Ladung eines Vertreters der unbekannten Erben zur Gesellschafterversammlung wirksam beschlossen werden konnte, dürfte demgegenüber zutreffend sein. Gem. § 241 Nr. 1 AktG analog ist die Nichtladung eines Gesellschafters ein Einberufungsmangel, der zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führt. Das Recht zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen ist auch bei Ruhen der Gesellschafterrechte nicht entziehbar.

Zulässig sind Beschränkungen des Teilnahmerechts durch die Anordnung der gemeinsamen Vertretung mehrerer an einem Geschäftsanteil Berechtigter. Das sich aus der Mitgliedschaft ergebende Teilnahmerecht ist aber unverzichtbar, soweit dem Gesellschafter die willensgetragene Wahrnehmung der Gesellschafterrechte insgesamt nicht mehr zugestanden wird. Diese Wirkung hat hier die von den Antragstellerinnen vertretene Auslegung des Gesellschaftsvertrages, da die Einberufung und Beschlussfassung über sämtliche die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten zulässig wäre, ohne dass die Erben oder vor deren Ermittlung ein zu ihrer Vertretung berufener Nachlasspfleger Kenntnis von den Beschlussfassungen erlangen. Der Antragstellerin zu 1) wäre es sogar möglich, längerfristig Beschlüsse zu fassen, die den Interessen der durch den Erbfall berufenen Gesellschafter zuwiderliefen, da sämtliche Fristen für die Übernahme des Geschäftsanteils erst zu laufen beginnen, wenn der Gesellschaft ein Erbschein vorgelegt worden ist.

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