02.09.2025

Voraussetzungen einer Notgeschäftsführerbestellung

Wird einer GmbH nach Einziehung eines Geschäftsanteils durch eine einstweilige Verfügung untersagt, eine neue Gesellschafterliste beim Registergericht zur Aufnahme in das Handelsregister einzureichen, ist die Gesellschaft nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu berufen, wenn entgegen der gerichtlichen Anordnung doch eine veränderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und in den Registerordner aufgenommen worden ist. Dasselbe gilt, wenn in einem solchen Fall das einstweilige Verfügungsverfahren nicht durch eine Entscheidung des Gerichts, sondern durch einen Prozessvergleich mit dem vorgenannten Inhalt abgeschlossen wird

OLG Braunschweig v. 7.8.2025 - 3 W 6/24
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdegegnerin (eine GmbH) ist nicht mehr operativ tätig; sie hat früher mit Antiquitäten und Gegenständen aus Haushaltsauflösungen gehandelt; ihre beiden Gesellschafter streben die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens an, das maßgeblich aus zwei Immobilien sowie verbliebenen Antiquitäten und anderen Gegenständen besteht. Hier begehrt die Beschwerdeführerin die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers.

Das AG wies den Antrag zurück. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin hatte weder vor dem AG noch vorliegend vor dem OLG Erfolg.

Die Gründe:
Zwar ist die Beschwerdeführerin hier antragsberechtigt bzgl. einer Notgeschäftsführerbestellung, die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführerbestellung liegen aber nicht vor.

Die Beschwerdeführerin ist antragsberechtig bzgl. einer Notgeschäftsführerbestellung. Antragsberechtigt in diesem Sinne ist nach § 29 BGB jeder, der ein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Gesellschaft wieder handlungsfähig wird, also u.a. die Gesellschafter. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gelten im Verhältnis zur Gesellschaft nur diejenigen als Gesellschafter, die in der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste als Gesellschafter ausgewiesen sind. Die Regelung wird zum Teil als unwiderlegliche Vermutung angesehen.

Hier ist die Beschwerdeführerin zwar nicht in der letzten Gesellschafterliste vom 8.6.2023 eingetragen; die Beschwerdegegnerin kann sich aber gem. § 242 BGB nicht auf diese Gesellschafterliste berufen, weil sie die Liste entgegen dem Vergleich vom 25.11.2020 beim Handelsregister eingereicht hat: Wird einer GmbH nach Einziehung eines Geschäftsanteils durch eine einstweilige Verfügung untersagt, eine neue Gesellschafterliste, die den von der Einziehung Betroffenen nicht mehr als Gesellschafter ausweist, beim Registergericht zur Aufnahme in das Handelsregister einzureichen, ist die Gesellschaft nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zu berufen, wenn entgegen der gerichtlichen Anordnung doch eine veränderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und in den Registerordner aufgenommen worden ist. Dies hat das Registergericht auch im Registerverfahren zu berücksichtigen.

Dasselbe gilt, wenn in einem solchen Fall das einstweilige Verfügungsverfahren nicht durch eine Entscheidung des Gerichts, sondern durch einen Prozessvergleich mit dem vorgenannten Inhalt abgeschlossen wird, denn ein solcher Prozessvergleich steht einer Entscheidung des Gerichts weitestgehend gleich (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und ein solcher Prozessvergleich wird ja gerade geschlossen, um eine Entscheidung des Gerichts zu ersetzen.

Gleichwohl ist die Entscheidung des AG, den Antrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen, im Ergebnis nicht zu beanstanden, denn die Voraussetzungen einer Notgeschäftsführung liegen hier nicht vor. Grundsätzlich kann das Registergericht in entsprechender Anwendung des § 29 BGB - eine dem § 85 AktG entsprechende Vorschrift enthält das GmbH-Gesetz nicht - für eine GmbH einen Notgeschäftsführer bestellen, wenn ein für die organschaftliche Vertretung der GmbH unentbehrlicher Geschäftsführer fehlt und ein dringender Fall gegeben ist. Diese Erfordernisse sind eng auszulegen, so dass eine treuwidrige und unzweckmäßige Ausübung der Geschäftsführertätigkeit grundsätzlich nicht ausreicht. Hier kann dahinstehen, ob ein Geschäftsführer fehlt, denn es ist jedenfalls kein dringender Fall im obigen Sinne gegeben.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung
Zur Erforderlichkeit der Bestellung eines Notgeschäftsführers - Hannover 96
OLG Celle vom 10.03.2025 - 9 W 22/25
Thomas Heidel, GmbHR 2025, 526
GMBHR0078302

Kommentierung | GmbHG
§ 16 Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten (13. Auflage 2022)
Seibt in Scholz, GmbH-Gesetz, Kommentar. Band I 13. Aufl. 2022, Band II 13. Aufl. 2024, Band III 13. Aufl. 2025
13. Aufl./Lfg. 09.2022

Kommentierung | GmbHG
§ 16 Rechtsstellung bei Wechsel der Gesellschafter oder Veränderung des Umfangs ihrer Beteiligung; Erwerb vom Nichtberechtigten
Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 21. Aufl.
21. Aufl./Lfg. 03.2023

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