19.05.2025

Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 21)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Frankfurt 29.11.2024, 7 U 82/22
Umfang und Erschöpfung der D&O-Versicherung

1. Bei einer Rufschädigung in Bezug auf einen Versicherungsfall umfasst der Versicherungsschutz auch die erforderlichen PR Kosten einschließlich der Kosten einer Privatklage.

2. Die Vereinbarung einer Gesamtversicherungssumme für zusammenhängende Verfahrensrechtsschutzfalle ist ebenso zulässig wie die Vereinbarung der Anrechnung der Verfahrenskosten auf die Versicherungssumme in der D&O-Versicherung, so dass die Versicherungssumme vorzeitig infolge der Anrechnung der Kosten einschließlich der Abwehrkosten erschöpft sein kann.
(alle nicht amtl.)

 

KG 28.11.2024, 2 U 157/21
Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz bei sog. Private Placements

1. Soll mit einer Klage die Rückabwicklung der Kapitalanlage sowohl wegen des Fehlens eines erforderlichen Prospektes (§ 21 VermAnlG) als auch wegen Prospektfehlern (u.a. § 20 VermAnlG) geltend gemacht werden, muss der Kläger klarstellen, welchen dieser Streitgegenstände er in erster Linie und welchen er nachgeordnet verfolgt.

2. Öffentliches Angebot i.S.d. § 6 VermAnlG ist die Mitteilung an die Öffentlichkeit in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, welche ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietende Vermögensanlage enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung zu entscheiden. Der Begriff "öffentlich" beinhaltet dabei die Ansprache eines allgemeinen und unbestimmten Personenkreises. Auf Kenntnisstand und Schutzbedürftigkeit der Anleger kommt es nicht an.

3. An einen begrenzten Personenkreis i.S.d. § 2 Nr. 6 Var. 1 VermAnlG richtet sich ein Angebot auch dann, wenn dieser lediglich zahlenmäßig begrenzt ist. Dabei hat Art. 1 Abs. 4 lit. b) ProspVO Indizwirkung (weniger als 150 natürliche oder juristische Personen pro Mitgliedstaat, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt).

4. Zum Beginn der Verjährung des Anspruchs wegen Fehlens des erforderlichen Prospektes (§ 21 VermAnlG) reicht allein die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) der tatsächlichen Gegebenheiten, aus denen sich die Prospektpflicht des Angebotes ergibt, sowie des Umstands, dass es keinen Prospekt gab.

5. Klagen mehrere Kapitalanleger gemeinsam auf Rückabwicklung und fordert das Gericht den gesamten Vorschuss (§ 12 Abs. 1 GKG) bei einem von ihnen, erfolgt die Zustellung für alle Anleger nicht mehr "demnächst" (§ 167 ZPO), wenn sie sich mangels ausreichenden Vorschusseingangs erheblich verzögert. Insbesondere bleibt unerheblich, wessen Anteil nicht eingezahlt worden ist.
(alle amtl.)

 

BVerfG 21.2.2025, 1 BvR 2267/23
Verletzung der Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) durch Überspannung der Darlegungsanforderungen bzgl. der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

1. Die Anforderungen des BFH an die Substantiierung der Nichtzulassungsbeschwerde überspannen die Darlegungsanforderungen, da sie von der Beschwerdeführerin Darlegungen zu in der Zukunft liegenden Umständen verlangen, deren Eintritt ungewiss ist und zu denen ihr eine belastbare Prognose nicht möglich ist. Das gilt sowohl hinsichtlich des Ausgangs einer Entscheidung des BVerfG über eine als verfassungswidrig beurteilten Norm als auch hinsichtlich eines die Entscheidung umsetzenden politischen Willensbildungsprozesses des Gesetzgebers, dem im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen oft mehrere Gestaltungsmöglichkeiten einer (gegebenenfalls rückwirkenden) Neuregelung zur Verfügung stehen.

2. Das BVerfG kann aus unterschiedlichen Erwägungen ein verfassungswidriges Gesetz für nichtig oder für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklären. Die Erwägungen hierfür vorherzusehen, wird noch nicht einmal von Gerichten in einem konkreten Normenkontrollverfahren gefordert. Daher erscheint es sachlich nicht gerechtfertigt, wenn der BFH eine solche Vorausschau zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Verfassungswidrigkeit einer Norm für die Revisionszulassung von Rechtsschutzsuchenden verlangt.
(alle nicht amtlich)

 

BFH 16.9.2024, III R 28/22
Keine Schätzungsbefugnis bei pauschaler Verbuchung der Entnahme von Non-Food-Artikeln durch Einzelhändler in den Jahren 2015 bis 2017

1. Eine Hinzuschätzung wegen Verstoßes gegen Aufzeichnungspflichten kommt nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige darauf vertrauen durfte, dass er von einer ihm durch das BMF eingeräumten Aufzeichnungserleichterung Gebrauch gemacht hat.

2. Für die Auslegung von an bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen adressierte Regelungen des BMF über Aufzeichnungserleichterungen ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der objektivierte Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte, maßgebend; im Zweifel ist das die Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen.
(alle amtl.)

Verlag Dr. Otto Schmidt