Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 38)
Schadensersatzforderung einer iranischen Bank gegen die deutsche Wertpapiersammelbank wegen des Einfrierens von Wertpapieren
1. Im Effektengiroverkehr entfalten die Vertragsverhältnisse zwischen den beteiligten Depotbanken keine Schutzwirkung zugunsten Dritter. Bei Wertpapieren, die im Wege der Drittverwahrung sammelverwahrt sind, wird der Hinterleger durch eine Haftung seiner Depotbank als Zwischenverwahrerin nach § 3 Abs. 2 Satz 1 DepotG für ein Verschulden des Drittverwahrers geschützt. Bei im Ausland nicht sammelverwahrten Wertpapieren, über die dem Hinterleger Treuhand-WR-Gutschriften erteilt werden, gelten demgegenüber die Grundsätze der Drittschadensliquidation (Anschluss an BGH v. 6.5.2008 - XI ZR 56/07, BGHZ 176, 281 = ZIP 2008, 1222 Rz. 26 ff.; v. 14.5.2024 - XI ZR 327/22, BGHZ 240, 312 = ZIP 2024, 1453 Rz. 32 f.).
2. Eine nicht mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestattete deutsche Zweigniederlassung einer Bank mit Sitz im Iran ist keine Person i.S.v. Art. 11 der VO (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22.11.1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen und damit nicht berechtigt, nach Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung Schadensersatz zu beanspruchen.
3. Die mit einer Treuhand-WR-Gutschrift verbundene Rechtsposition des Hinterlegers ist als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB anzusehen und genießt deliktsrechtlichen Schutz.
4. Das Einfrieren von im Inland und Ausland verwahrten Wertpapieren durch die Zentralverwahrerin von Wertpapieren (Wertpapiersammelbank) auf einem Sperrkonto stellt eine Eigentumsverletzung bzw. Verletzung eines sonstigen Rechts i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB dar. Die Rechtfertigung einer solchen Rechtsgutsverletzung mit drohenden US-Sekundärsanktionen setzt voraus, dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Wertpapiersammelbank außerhalb der EU Sanktionen der Vereinigten Staaten ausgesetzt ist, die für die Wertpapiersammelbank unverhältnismäßige Auswirkungen haben können. Dabei ist im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Interessenabwägung vorzunehmen.
5. Die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der Verletzung des Eigentums oder des sonstigen Rechts i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB des Hinterlegers von Wertpapieren und dem durch die Nichtausführung eines Verkaufsauftrags des Hinterlegers entstandenen Schaden ist schon dann gegeben, wenn der vom Hinterleger gegenüber seiner Depotbank gerichtete Verkaufsauftrag deswegen nicht an die Wertpapiersammelbank zur Ausführung weitergeleitet wird, weil diese ihn wegen des von ihr vorgenommenen Einfrierens der Wertpapiere nicht ausgeführt hätte, wenn er im Rahmen der Vertragskette an sie herangetragen worden wäre. Auf eine Kenntnis der Wertpapiersammelbank von dem konkreten Verkaufsauftrag kommt es nicht an.
(alle amtl.)
KG 25.11.2024, 23 U 97/21
Keine entsprechende Anwendung von § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG auf die GmbH
1. Durch den Tod des Klägers wird der Rechtsstreit nicht unterbrochen, § 246 Abs. 1 ZPO. Vielmehr wird er klägerseits durch den Prozessbevollmächtigten auf der Grundlage seiner gem. § 86 Abs. 1 ZPO über den Tod hinaus bestehenden Vollmacht für den oder die Erben fortgesetzt. Diese treten kraft Gesetzes als Partei in den Rechtsstreit ein. Einer Aufklärung, wer Erbe geworden ist, bedarf es ebenso wenig wie ihrer Angabe im Rubrum.
2. Trotz der Bildung des Aufsichtsrats stehen die Gesellschafter der GmbH den Vorgängen um die Bestellung bzw. die Abberufung des Geschäftsführers näher als die Aktionäre den Vorgängen um die Bestellung und Abberufung eines Vorstands. Eine entsprechende Anwendung von § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG auf die GmbH kommt nicht in Betracht.
3. Für die Frage der Anwesenheit der Gesellschafter i.S.v. § 51 Abs. 3 GmbHG aufgrund eines Verzichts auf die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Ladung kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund der Ordnungsmäßigkeit der Ladung widersprochen wird. Erfolgt ein Widerspruch eines erschienenen Gesellschafters - gleich aus welchem Grund - so ist dieser nicht "anwesend". Es genügt, dass ein Gesellschafter nicht mit der Abhaltung der Versammlung zum Zweck der Beschlussfassung einverstanden ist.
(alle nicht amtl.)
BFH 7.11.2024, III R 28/23
Zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Finanzamts für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags
Ein Gewerbesteuermessbescheid ist nicht wegen der sachlichen Unzuständigkeit eines Finanzamts (FA) aufzuheben, wenn bei Bezügen zu einem Stadtstaat und einem Flächenstaat für die Messbetragsfestsetzung in beiden Bundesländern (z.B. in Berlin und Brandenburg) das FA zuständig ist; eine örtliche Unzuständigkeit kann in einem solchen Fall gem. § 127 AO unbeachtlich sein (Bestätigung der Entscheidungen des BFH v. 19.11.2003 - I R 88/02, BFHE 204, 283 = BStBl. II 2004, 751; BFH v. 9.1.2013 - IV B 64/11, BFH/NV 2013, 512 = GmbHR 2004, 434).
(amtl.)
FG Düsseldorf 19.5.2025, 6 K 343/21 K,G,F
Verzicht eines Gesellschafters auf seine Pensionszusage anlässlich der Veräußerung der Kapitalgesellschaft
1. Der mit der Übertragung der Ansprüche aus einer nicht wertkongruenten Rückdeckungsversicherung (1/3 des Zusagewerts) einhergehende Verzicht des nicht beherrschenden Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft auf die ihm erteilte Pensionszusage führt, auch wenn dadurch der Verkauf der Geschäftsanteile ermöglicht werden soll, aufgrund der einheitlichen gesellschaftlichen Veranlassung von Verzicht und - der als vGA hinzuzurechnenden - Abfindung zu einer verdeckten Einlage in Höhe der Pensionsrückstellung und zu einer Erhöhung des den Bestands des steuerlichen Einlagekontos um deren Teilwert.
2. Gegen eine betriebliche Veranlassung der beiden Geschäftsvorfälle spricht entscheidend, dass ein gesellschaftsfremder Vertragspartner den Verlust bei der Annahme der Abfindung nicht hingenommen hätte (sog. doppelter Fremdvergleich unter Einbeziehung des Gesellschafterinteresses; Abgrenzung zu den BFH-Urteilen v. 28.4.2010 - I R 78/08, BStBl. II 2013, 41 = ZIP 2010, 1873, und v. 8.6.2011 - I R 62/10, BFH/NV 2011, 2117; Anschluss an BFH, Urt. v. 14.3.2006 - I R 38/05, BFH/NV 2006, 1515).
(alle nicht amtl.)