22.09.2025

Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 39)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

BGH 8.7.2025, II ZR 24/24
Beschränkung des Teilnahmerechts der Aktionäre wegen eines Handy- und Laptopverbots in der Hauptversammlung

Das Verbot, an der Hauptversammlung nur ohne Mitführung von Geräten teilzunehmen, die auch zur Fertigung von Bild- oder Tonaufnahmen geeignet sind, kann einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Teilnahmerecht aus § 118 AktG darstellen.
(nicht amtl.)

 

OLG Frankfurt 8.5.2025, 3 U 113/22
Darlegungs- und Beweislast im Deckungsprozess des Insolvenzverwalters gegen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung

1. Wenn im Haftpflichtprozess zwischen Insolvenzverwalter und ehemaligen Vorständen der Insolvenzschuldnerin ein Vergleich geschlossen wird, fehlt es im darauffolgenden Deckungsprozess des Insolvenzverwalters gegen die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung an bindenden Feststellungen, wie sie bei einem Urteil vorliegen.

2. Treten im Rahmen dieses Vergleichs die ehemaligen Vorstände ihre etwaigen Deckungs- bzw. Freistellungsansprüche gegen die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung an den Insolvenzverwalter ab, wandeln sich mit Abtretung die Freistellungsansprüche der ehemaligen Vorstände in Zahlungsansprüche des Insolvenzverwalters um.

3. Mangels Bindungswirkung des Vergleichs muss der Insolvenzverwalter im Deckungsprozess als Direktprozess aus abgetretenem Recht gegen die Vermögensschadenhaftpflichtversicherung unter Rückgriff auf das Vorbringen der Parteien im Haftpflichtprozess die für den Deckungsprozess entscheidenden Voraussetzungen im Einzelnen vortragen.

4. Die Beweislastumkehr gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG ist im Direktprozess zwischen Insolvenzverwalter und Vermögensschadenhaftpflichtversicherung anwendbar, auch wenn dabei über die Haftung der Vorstände nur inzident im Rahmen der Prüfung des Vorliegens einer versicherten Pflichtverletzung zu entscheiden ist.

5. Beruft sich die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Vermögensschadenshaftpflichtversicherung auf den Ausschlussgrund des Vorliegens einer wissentlichen Pflichtverletzung, muss sie, auch wenn ein Sachverhalt vorliegt, der auf eine wissentliche Pflichtverletzung der ehemaligen Vorstände hindeutet, grundsätzlich in ausreichendem Umfang zu weiteren schlüssigen Indizien für eine wissentliche Pflichtverletzung vortragen.

6. Gelingt der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der Vortrag ausreichender schlüssiger Indizien, obliegt es dem sodann sekundär darlegungsbelasteten Insolvenzverwalter, Umstände aufzuzeigen, warum die vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen.

7. Jedenfalls bei Vorliegen eines evident auf eine wissentliche Pflichtverletzung hindeutenden unstreitigen Sachverhalts ist der Vortrag weiterer schlüssiger Indizien durch die beklagte Vermögensschadenhaftpflichtversicherung entbehrlich. Denn sowohl die Pflicht der ehemaligen Vorstände, bei Insolvenzreife rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO) als auch deren Pflicht, nach Insolvenzreife einzelnen Gläubigern aus dem Unternehmensvermögen keine geldwerten Vorteile mehr zu gewähren (§ 92 Abs. 2 AktG in der bis 31.12.2020 geltenden Fassung), zählen jedenfalls in solchen evidenten Fällen zu den Kardinalpflichten, bei denen vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden kann.
(alle amtl.)

 

BFH 3.6.2025, VIII R 21/22
Vorabentscheidungsersuchen zur Erstattung von Kapitalertragsteuer an japanische Mutterkapitalgesellschaften

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verdrängt die Niederlassungsfreiheit in Art. 49 AEUV (ABl. EU 2008, Nr. C 115, 47) für die Überprüfung von § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 die Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 63 AEUV als Prüfungsmaßstab, da

- - einerseits - diese Regelungen zwar einen abgeltenden (definitiven) Einbehalt deutscher Kapitalertragsteuer i.H.v. 15 % auf die Dividenden der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) unabhängig von der Beteiligungshöhe einer japanischen Mutterkapitalgesellschaft anordnen,

- aber - andererseits - die von der Klägerin geltend gemachte Beschränkung durch den Kapitalertragsteuereinbehalt nur deshalb eintreten kann, weil die Klägerin zu mindestens 25 % an der ausschüttenden GmbH beteiligt ist und sie die vollständige Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer neben der Inanspruchnahme einer japanischen Steuerbefreiung i.H.v. 95 % der Dividenden beantragt,

- so dass die Klägerin für den Zusammenschluss mit der GmbH im Ergebnis eine binnenmarktähnliche Vollentlastung der Dividende wie im Anwendungsbereich des Art. 5 der Richtlinie 90/435/EWG (ABl. EG 1990 Nr. L 225, 6, Nr. L 266, 20, 1997, Nr. L 16, 98), geändert durch die Richtlinie 2006/98/EG (ABl. EU 2006 Nr. L 363, 129; Mutter-Tochter-Richtlinie) begehrt?

2. Falls die Kapitalverkehrsfreiheit als Prüfungsmaßstab nicht verdrängt wird:

Stellt die abgeltende Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer auf die Dividenden gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 unter den Umständen des Streitfalls eine von der Bundesrepublik Deutschland verursachte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit der Klägerin dar, wenn

- - einerseits - die deutsche Kapitalertragsteuer, welche auf die Dividende erhoben wurde, bei gebietsansässigen Mutterkapitalgesellschaften auch ab dem 1.4.2009 bei der Veranlagung angerechnet und erstattet werden kann, und

- - andererseits - die Klägerin die deutsche Kapitalertragsteuer auf die Dividenden gem. Art. 23 Abs. 2 DBA-Japan 1966 zwar vor dem 1.4.2009 in vollem Umfang auf die japanische Körperschaftsteuer anrechnen konnte,

- dies ab dem 1.4.2009 aber allein deshalb misslingt, weil die Dividenden von der GmbH bei der Klägerin durch eine neu eingeführte japanische Steuerbefreiung zu 95 % steuerbefreit werden?

3. Falls eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit anzunehmen sein sollte:

a) Kann die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Gestalt einer Aufteilung der Besteuerungsrechte für die Dividende nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 DBA-Japan 1966 gerechtfertigt werden?

b) Kann die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer dadurch gerechtfertigt werden, dass die Klägerin die Befreiung vom Kapitalertragsteuereinbehalt nicht neben der Steuerbefreiung der Dividende in Japan im Wege einer Doppelbegünstigung beanspruchen kann?

4. Falls durch die definitive Erhebung der deutschen Kapitalertragsteuer eine unzulässige und nicht gerechtfertigte Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit gegeben sein sollte:

Ist es mit Art. 63 AEUV vereinbar, wenn die Erstattung der Kapitalertragsteuer an die Klägerin von den Voraussetzungen abhängig gemacht wird, dass

- die Klägerin neben der Vorlage einer deutschen Steuerbescheinigung über den Einbehalt der Kapitalertragsteuer zusätzlich den Betrag der deutschen Kapitalertragsteuer in Euro beziffern muss, der in Japan im Bezugsjahr der streitigen Dividenden nicht auf die japanische Körperschaftsteuer angerechnet werden kann, so dass die Erstattung erst zu gewähren ist, wenn die Angaben der Klägerin dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) nachgewiesen worden sind oder wenn diese Angaben dem BZSt im Wege des Informationsaustauschs mit der japanischen Steuerverwaltung bestätigt worden sind,

- während eine gebietsansässige Mutterkapitalgesellschaft für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer in der deutschen Körperschaftsteuerveranlagung nur eine Bescheinigung der deutschen Steuerbehörden über den Einbehalt und die Abführung der Kapitalertragsteuer vorlegen muss?
(alle amtl.)

 

BFH 8.4.2025, VII R 4/24
Einreichung von elektronischen Dokumenten mit einfacher Signatur

Ein elektronisches Dokument, das aus einem besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach (beSt) versandt wird und nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, ist nur dann wirksam auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht, wenn die das Dokument signierende (und damit verantwortende) Person mit dem tatsächlichen Versender übereinstimmt.
(amtl.)

 

Verlag Dr. Otto Schmidt