Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 40)
Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen bei Börsengang einer ausländischen Tochtergesellschaft (Deutsche Balaton/Biofrontera)
1. Bei strukturändernden Maßnahmen, die so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen, kann - ausnahmsweise und in engen Grenzen - eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bestehen (BGH v. 25.2.1982 - II ZR 174/80, AG 1982, 158 - Holzmüller; BGH v. 26.4.2004 - II ZR 155/02, AG 2004, 384 - Gelatine I; BGH v. 26.4.2004 - II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001 - Gelatine II).
2. Im Falle der Kapitalerhöhung bei einer 100%igen Tochtergesellschaft ist diese maßgebliche strukturändernde Maßnahme die Kapitalerhöhungsmaßnahme als solche, mit der durch Änderung der Satzung der Tochtergesellschaft diese ermächtigt wird, neue Aktien auszugeben; nicht erst die Umsetzung dieser Kapitalerhöhungsmaßnahme durch Ausgabe neuer Aktien durch die Tochtergesellschaft.
3. Versäumen es die Aktionäre der Obergesellschaft die grundlegende strukturändernde Kapitalerhöhungsmaßnahme rechtzeitig, d.h. ohne unangemessene Verzögerung, anzugreifen, wird diese bestandskräftig; dies mit der Folge, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Obergesellschaft nicht verpflichtet sind, die Tochtergesellschaft von der Ausgabe neuer Aktien abzuhalten, selbst wenn die grundlegende Kapitalerhöhungsmaßnahme - mangels Beteiligung der Hauptversammlung der Obergesellschaft - rechtswidrig sein sollte.
(alle amtl.)
VGH Baden-Württemberg 9.4.2025, 6 S 460/24
Kein Übergang der Erlaubnis gem. § 34f Abs. 1 Satz 1 GewO im Wege der Gesamtrechtsnachfolge im Fall der formwechselnden Umwandlung
1. Bei Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist nach allgemeiner Ansicht die Gesellschaft als solche nicht gewerbefähig und kann damit auch nicht Träger einer Erlaubnis gem. § 34f GewO sein. Vielmehr benötigt jeder geschäftsführende Gesellschafter jeweils eine eigene gewerberechtliche Erlaubnis.
2. Aus der fehlenden Übertragbarkeit folgt, dass personenbezogene Erlaubnisse nach § 34f GewO im Fall der formwechselnden Umwandlung nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen.
3. Dies gilt auch, wenn die Erteilung der Erlaubnis auf der Bestandsschutzregelung des § 157 Abs. 3 Satz 4 GewO beruht.
(alle nicht amtl.)
EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona v. 10.7.2025, C-363/24
Aufnahme in die Insiderliste als Insiderinformation (Carnegie)
1. Art. 7 Abs. 2 MAR ist dahin auszulegen, dass die bloße Mitteilung, dass eine Führungskraft eines Unternehmens in die Insiderliste aufgenommen wurde, grundsätzlich nicht hinreichend präzise ist, um als Insiderinformation eingestuft zu werden. Informationen, die in einer Mitteilung über die Aufnahme einer Führungskraft in die Insiderliste mit einem Verbot des Verkaufs von Finanzinstrumenten enthalten sind, können jedoch nur dann hinreichend präzise für die Einstufung als Insiderinformationen sein, wenn sie nachweislich geeignet sind, den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente objektiv so zu beeinflussen, dass der Empfänger der Informationen einen Vorteil daraus zieht, indem er sich in eine günstigere Position für den Handel mit Finanzinstrumenten versetzt als andere Anleger.
2. Damit eine Information, die in einer Mitteilung wie der beschriebenen enthalten ist, als Insiderinformation eingestuft werden kann, reicht es, wenn die übrigen Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 2 MAR erfüllt sind, aus, dass ihr Inhalt wahrscheinlich ist, selbst wenn sie sich nachträglich als unrichtig erweist, sofern der Empfänger daraus einen Vorteil ziehen kann, indem er sich für den Handel mit Finanzinstrumenten in eine günstigere Position versetzt als andere Anleger.
(alle amtl.)
BFH 24.10.2024, I R 40/21
Zur Zulässigkeit einer Revision, die im Kern die tatsächliche Würdigung des Finanzgerichts angreift; sog. gemischte Aufwendungen als verdeckte Gewinnausschüttungen
Zur Frage der Zulässigkeit einer Revision, die im Kern die tatsächliche Würdigung des Finanzgerichts angreift, dass bei einer Kapitalgesellschaft, die nach ihrem Geschäftszweck am Profifußballbetrieb teilnimmt, keine verdeckten Gewinnausschüttungen insoweit anzusetzen sind, als auf Jugend-Fußballmannschaften (U12 bis U16) eines an der Gesellschaft beteiligten gemeinnützigen (Sport-)Vereins entfallende Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Nachwuchsleistungszentrum und der Ausgabe von Freikarten zum Stadionbesuch getragen wurden.
(amtl.)