02.05.2023

Zur Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG

Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Die Haftung des Geschäftsführers der geschäftsführenden GmbH einer GmbH & Co. KG erstreckt sich auch dann auf die Kommanditgesellschaft, wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH ist.

BGH v. 14.3.2023 - II ZR 162/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH & Co. KG (Schuldnerin), einer Publikums-Kommanditgesellschaft. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin war zur Geschäftsführung ausschließlich eine Kommanditistin, die U. GmbH berechtigt. Der Beklagte wurde am 25.10.2011 zum weiteren Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditistin bestellt. Die U. GmbH war noch in weiteren Fondsgesellschaften geschäftsführende Kommanditistin.

Die Schuldnerin warb Anlegergelder ein und stellte diese der mittlerweile insolventen D. AG als Darlehen zum Erwerb von Immobilien zur Verfügung. Im Darlehensvertrag war vereinbart, dass die Darlehen umfangreich besichert werden sollten. Aus den laufenden Zinsen sollten Ausschüttungen an die Anleger erfolgen.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen einer Überweisung der Schuldnerin an die D. AG vom 31.5.2012 über 510.000 € auf einen Teilbetrag i.H.v. 200.000 € in Anspruch. An der Überweisung wirkte der Beklagte nicht mit. Zum Zeitpunkt der Überweisung waren von den i.H.v. etwa 38 Mio. € als Darlehen an die D. AG vergebenen Anlegergeldern im Widerspruch zu den Vereinbarungen in dem Darlehensvertrag nur etwa 2,7 Mio. € werthaltig besichert worden. Eine weitere Sicherheit wurde der Schuldnerin im Zusammenhang mit der Auszahlung der Darlehenstranche vom 31.5.2012 nicht bestellt.

LG und OLG gaben der Klage statt. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten als Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG wegen sorgfaltswidriger Geschäftsführung rechtsfehlerfrei bejaht.

Der Schutzbereich des zwischen der Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses erstreckt sich im Hinblick auf seine Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG im Falle einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung auf die Kommanditgesellschaft. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft die alleinige oder wesentliche Aufgabe der GmbH darstellt. Der BGH erstreckt in ständiger Rechtsprechung den Schutzbereich des zwischen der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf die Kommanditgesellschaft. Die Grundsätze dieser Rechtsprechung sind auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Auch der Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH haftet gegenüber der Kommanditgesellschaft gem. § 43 Abs. 2 GmbHG nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wie gegenüber der GmbH. Denn die Kommanditgesellschaft ist in den Schutzbereich des zwischen der geschäftsführenden Kommanditisten-GmbH und ihrem Geschäftsführer bestehenden Organ- und Anstellungsverhältnisses einbezogen. Auch ohne die Voraussetzungen des § 328 BGB kann nämlich ein am Vertrag nicht beteiligter, aber von dessen Risiken mit betroffener Dritter berechtigt sein, gegen eine Vertragspartei Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer Schutzpflicht geltend zu machen. Die Annahme einer Schutzwirkung zu Gunsten Dritter setzt voraus, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt und der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hat. Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss nach Treu und Glauben ein Bedürfnis bestehen. Die Einbeziehung Dritter muss schließlich dem Schutzpflichtigen bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. So liegt der Fall hier.

Die Kommanditgesellschaft kommt bestimmungsgemäß mit der Leistung des Geschäftsführers in Berührung, wenn eine Kommanditisten-GmbH die Geschäfte der Kommanditgesellschaft führt, weil sich Fehlleistungen der Geschäftsführung zwangsläufig stets und in erster Linie zum Nachteil der Kommanditgesellschaft auswirken. Das wohlverstandene Interesse der die Geschäfte einer Kommanditgesellschaft führenden und an dieser beteiligten GmbH geht dahin, dass ihr Geschäftsführer die Leitung der GmbH & Co. KG im Rahmen seiner Organpflichten ordnungsgemäß ausübt. Sie muss auf eine günstige wirtschaftliche Entwicklung ihrer Beteiligung bedacht sein.

Vor allem aber haftet sie der Kommanditgesellschaft für Schäden aus der Verletzung der von ihr im Gesellschaftsvertrag übernommenen Geschäftsführungsaufgaben und muss sich dabei gem. § 31 BGB analog Pflichtverletzungen ihres Geschäftsführers, dessen sie sich zur Erfüllung ihrer Geschäftsführungsaufgaben bedient, zurechnen lassen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die geschäftsführende GmbH die Komplementärin oder eine Kommanditistin der Kommanditgesellschaft ist; anderes zeigt auch die Revision nicht auf. Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes besteht nach Treu und Glauben ein Bedürfnis. Die Kommanditgesellschaft ist gegenüber der geschäftsführenden GmbH und deren Geschäftsführer schutzbedürftig, ohne dass es darauf ankommt, ob die geschäftsführende GmbH ihre Komplementärin oder ihre Kommanditistin ist.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | GmbHG:
§ 43 Haftung der Geschäftsführer (12. Auflage 2021)
Verse in Scholz, GmbH-Gesetz, Kommentar. Band I 13. Aufl. 2022, Band II 12. Aufl. 2021, Band III 12. Aufl. 2021

Aufsatz:
Eigennutzung der Geschäftschance durch den GmbH-Geschäftsführer
York Strothmann, GmbHR 2022, 1277

Rechtsprechung:
Der Geschäftsführer einer GmbH, deren wesentliche Aufgabe in der Führung der Geschäfte einer KG besteht, haftet (auch) dieser KG gegenüber gem. § 43 Abs. 2 GmbHG
OLG Nürnberg vom 30.03.2022 - 12 U 1520/19
GmbHR 2022, 752

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