10.03.2022

Zuständigkeitsrüge muss bereits im Schiedsverfahren erhoben werden

Erhebt der Schiedsbeklagte (hier: der Gesellschafter einer GmbH) im Schiedsverfahren keine Zuständigkeitsrüge, ist er damit auch im Verfahren vor den staatlichen Gerichten regelmäßig ausgeschlossen. Ein vor dem Erhalt des Schiedsspruchs erklärter genereller Verzicht auf die Befugnis, einen Aufhebungsantrag zu stellen, ist unwirksam. Der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, der aufgrund einer Schiedsvereinbarung ergangen ist, die einen solchen Verzicht enthält, steht allerdings kein Verstoß gegen den inländischen ordre public entgegen.

BGH v. 16.12.2021 - I ZB 31/21
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin und die Gesellschafter einer GmbH, darunter der Antragsgegner, schlossen am 25.1.2018 ein zweisprachiges "Memorandum of Understanding/Absichtserklärung" über den Verkauf sämtlicher Geschäftsanteile der Gesellschaft. Der Antragsgegner erhielt hierfür eine Anzahlung von 50.000 € von der Antragstellerin. Die Gesellschaft war Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem eine Wohnanlage gebaut werden sollte. In Ziffern 4.8 und 4.9. der Absichtserklärung ist geregelt:

4.8. Diese Erklärung unterliegt deutschem Recht mit Ausnahme der Bestimmungen des Kollisionsrechts. Die englische Version dieses Memorandums hat Vorrang.
4.9. Alle Streitfälle, Auseinandersetzungen oder Ansprüche, die sich aus oder im Zusammenhang mit dieser Erklärung ergeben, einschließlich der Gültigkeit, Ungültigkeit, Verletzung, Durchsetzung oder Kündigung dieser Erklärung, werden gemäß der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) ohne Rückgriff auf die ordentlichen Gerichte endgültig entschieden. Ort des Schiedsverfahrens ist Berlin. Die Sprache bei derartigen Schiedsverfahren ist Deutsch. Entscheidung und Schiedsspruch des Gerichts sind endgültig und bindend, ohne dass sie einer weiteren gerichtlichen Überprüfung unterliegen.

Der Verkauf kam nicht zustande. Die Antragstellerin forderte ihre Anzahlung vom Antragsgegner zurück. Auf ihre Schiedsklage verpflichtete das Schiedsgericht den Antragsgegner mit Schiedsspruch vom 9.4.2020 zur Zahlung von 50.000 € nebst Zinsen und von weiteren rd. 11.300 € für die Kosten des Schiedsverfahrens.

Die Antragstellerin stellte beim KG am 6.11.2020 einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs. Das KG gewährte dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme. Dieser beantragte mehrfach Fristverlängerung und gab sodann keine Stellungnahme ab. Das KG erklärte den Schiedsspruch für vollstreckbar. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das KG hat den Schiedsspruch mit Recht für vollstreckbar erklärt.

Der Antragsgegner hätte die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung bereits im Schiedsverfahren geltend machen müssen. Nach § 1040 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im Schiedsverfahren spätestens mit der Klagebeantwortung vorzubringen; eine spätere Rüge kann das Schiedsgericht nach § 1040 Abs. 2 Satz 3 ZPO zulassen, wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Diese Rügeobliegenheit erfasst auch den Fall, dass eine Schiedsvereinbarung besteht, der Schiedsbeklagte sie aber für unwirksam hält (vgl. § 1040 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Erhebt der Schiedsbeklagte im Schiedsverfahren keine Zuständigkeitsrüge, ist er damit auch im Verfahren vor den staatlichen Gerichten regelmäßig ausgeschlossen. So verhält es sich im Streitfall.

Auch ein nicht fristgebunden geltend zu machender, sondern im Vollstreckbarerklärungs- und Aufhebungsverfahren jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigender Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO liegt im Streitfall nicht vor. Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auf den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Nach dieser Vorschrift liegt ein Aufhebungsgrund vor, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Dies setzt voraus, dass das Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen.

Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Schiedsvereinbarung sei wegen des Ausschlusses einer weiteren gerichtlichen Überprüfung insgesamt unwirksam und dies müsse nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen. Aus der Rechtsprechung des BGH ergibt sich nicht, dass eine Schiedsvereinbarung, die eine Überprüfung eines auf ihrer Grundlage ergehenden Schiedsspruchs durch die staatlichen Gerichte in den dafür vorgesehenen Verfahren ausschließt, stets insgesamt unwirksam ist. Es ist zwar zutreffend, dass jedenfalls ein vor dem Erhalt des Schiedsspruchs erklärter genereller Verzicht auf die Befugnis, einen Aufhebungsantrag zu stellen, unwirksam ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Unwirksamkeit eines solchen Ausschlusses, der bereits in der Schiedsvereinbarung erklärt wird, stets die gesamte Schiedsvereinbarung erfasst. Ob die Schiedsvereinbarung im Übrigen Bestand hat oder insgesamt unwirksam ist, beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen. Vorliegend konnte dies letztlich offenbleiben. Ein Verstoß gegen den inländischen ordre public läge selbst dann nicht vor, wenn die zwischen den Parteien geschlossene Schiedsvereinbarung insgesamt unwirksam wäre. Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs führte auch in diesem Fall nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.

Auch der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verstoß des Schiedsgerichts gegen die nach ihrer Auffassung aus § 265 Abs. 2 Satz 1, § 1055 ZPO folgenden Rechtskraftbestimmungen erfüllt den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO nicht. Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Abtretung des geltend gemachten Anspruchs auf den Prozess keinen Einfluss. Gem. § 1055 ZPO hat ein Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Die Rechtsbeschwerde bringt unter Verweis auf den Schiedsspruch vor, dass die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch während des Schiedsverfahrens an die R. GmbH abgetreten habe. Sie rügt, das Schiedsgericht habe zwar die Vorschrift des § 265 Abs. 2 ZPO gesehen, aber verkannt, dass der Kläger - ungeachtet der aus § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO folgenden gesetzlichen Prozessstandschaft - seinen Antrag auf Zahlung an die Zessionarin hätte umstellen müssen, um einer Abweisung der Klage als unbegründet zu entgehen. Eine solche Antragsumstellung habe die Antragstellerin im Schiedsverfahren bis zuletzt nicht vorgenommen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt hieraus jedoch kein Verstoß gegen den inländischen ordre public.

Mehr zum Thema:
  • Kurzbeitrag: Ulrich - BGH: Übertragbarkeit der Mindestanforderungen an Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten auf Personengesellschaften (GmbHR 2022, R38)
  • Rechtsprechung: BayObLG vom 18.11.2021, 102 Sch 142/21 - Zur Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nach Insolvenzeröffnung (ZIP 2021, 2543)
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