23.06.2025

4 Mrd. € Geldbuße gegen Google/Alphabet wegen Missbrauch einer beherrschenden Stellung?

Generalanwältin Kokott schlägt dem EuGH in der Sache Google Android vor, das Rechtsmittel von Google zurückzuweisen und somit die vom Gericht neu festgesetzte Geldbuße in Höhe von 4,124 Mrd. € zu bestätigen. Google habe seine beherrschende Stellung missbraucht, indem es u.a. den Herstellern von Mobilgeräten wettbewerbswidrige vertragliche Beschränkungen auferlegt habe.

EuGH, C-738/22 P: Schlussanträge der Generalanwältin vom 19.6.2025
Der Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 18.7.2018 verhängte die Kommission gegen Google eine Geldbuße in Höhe von fast 4,343 Mrd. €. Google habe seine beherrschende Stellung missbraucht, indem es den Herstellern von Mobilgeräten und den Betreibern von Mobilfunknetzen wettbewerbswidrige vertragliche Beschränkungen auferlegt habe, teilweise seit dem 1.1.2011:

1. Die Hersteller konnten nur dann eine Lizenz für Googles App Store "Play Store" erhalten, wenn sie Googles allgemeine Such-App "Google Search" und Googles Browser "Chrome" vorinstallierten ("Bündelung").

2. Außerdem mussten sie, um eine Lizenz für den Play Store und für Google Search zu erhalten, sich verpflichten, keine Geräte mit von Google nicht genehmigten Versionen des Betriebssystems Android zu verkaufen ("Anti-Fragmentierung");

3. Schließlich knüpfte Google die Beteiligung der Hersteller und der Netzbetreiber an Werbeeinahmen an die Bedingung, dass sie auf Geräten eines bestimmten Sortiments keinen anderen allgemeinen Suchdienst vorinstallieren ("Teilung von Einnahmen").

Nach Ansicht der Kommission verfolgte Google mit all diesen Beschränkungen das Ziel, seine beherrschende Stellung im Bereich der allgemeinen Suchdienste und damit seine Einnahmen aus Werbeanzeigen im Zusammenhang mit diesen Suchen zu schützen und zu stärken, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bedeutung des mobilen Internets erheblich zunahm. Aufgrund ihres gemeinsamen Ziels und ihrer Wechselwirkung stufte die Kommission die Beschränkungen als einheitliche und fortdauernde Zuwiderhandlung ein.

Google focht den Kommissionsbeschluss vor dem Gericht der EU an, mit nur begrenztem Erfolg: Mit Urteil vom 14.9.2022 erklärte das Gericht den Beschluss (nur) hinsichtlich der Regelung über die Teilung von Einnahmen für nichtig und setzte die Geldbuße neu auf 4,124 Mrd. € fest.

Google hat daraufhin ein Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt.

Generalanwältin Juliane Kokott schlägt in ihren Schlussanträgen von heute dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel von Google zurückzuweisen und somit das Urteil des Gerichts zu bestätigen.

Die Gründe:
Zum einen kann die Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das Gericht grundsätzlich nicht vor dem Gerichtshof gerügt werden. Zum anderen greifen die von Google geltend gemachten rechtlichen Argumente nicht durch.

Was insbesondere die Bündelung des Play Store mit Google Search und Chrome anbelangt, hat das Gericht entgegen der Ansicht von Google für den Nachweis eines Missbrauchs von der Kommission nicht verlangen müssen, zu analysieren, wie die Wettbewerbssituation ohne das beanstandete Verhalten ausgesehen hätte (sog. kontrafaktische Analyse). Das Gericht hat sich darauf beschränken können, festzustellen, dass die Entscheidung der Nutzer, Google Search und Chrome und nicht konkurrierende Anwendungen zu verwenden, durch die mit deren Vorinstallierung einhergehende "Status-quo-Präferenz", gegen die die Wettbewerber nicht ankommen konnten, in diskriminierender Weise beeinflusst wurde.

Außerdem ist das Gericht nicht verpflichtet gewesen, über die Eignung der Bündelung, den Wettbewerb zu beschränken, hinaus zu prüfen, ob dieses Verhalten geeignet war, speziell ebenso leistungsfähige Wettbewerber wie Google zu verdrängen.

Es ist vorliegend nämlich nicht realistisch, die Situation Googles mit der eines hypothetischen ebenso leistungsfähigen Wettbewerbers zu vergleichen. Google hat auf mehreren Märkten des Android-Ökosystems eine beherrschende Stellung innegehabt und damit von Netzwerkeffekten profitiert, die es ihm erlaubten, dafür zu sorgen, dass die Nutzer Google Search verwendeten. Hierdurch hat Google Zugang zu Daten, mit denen es wiederum seine Dienste verbessern konnte. Kein hypothetischer ebenso leistungsfähiger Wettbewerber hätte sich in einer solchen Situation befinden können.

Das Gericht ist ferner zu Recht davon ausgegangen, dass trotz der Nichtigerklärung des Kommissionsbeschlusses in Bezug auf die Teilung von Einnahmen weiterhin eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliegt. Ungeachtet dieser teilweisen Nichtigerklärung liegt eine Gesamtstrategie vor, die darauf abzielte, die Entwicklung des Internets auf Mobilgeräten zu antizipieren und zugleich das Geschäftsmodell von Google zu bewahren, das im Wesentlichen auf den Einnahmen aus der Nutzung seines allgemeinen Suchdienstes beruhte.

Schließlich sind dem Gericht auch bei der Neuberechnung der Geldbuße keine Fehler unterlaufen.

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