23.05.2012

Abschöpfung von Werbeeinnahmen aus rechtswidrig ausgestrahlten Fernsehsendungen zulässig

Die Länder dürfen in ihren Landesmediengesetzen vorsehen, dass private Fernsehsender an die Landesmedienanstalt Werbeeinnahmen abführen müssen, die sie für Sendungen vereinnahmt haben, die die Landesmedienanstalt als rechtswidrig beanstandet. Derartige Regelungen verstoßen nicht deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eine Beanstandung von Sendungen mit Abschöpfung erzielter Werbeeinnahmen nicht vorgesehen ist.

BVerwG 23.5.2012, 6 C 22.11
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt den Fernsehsender ProSieben, der in seinem Programm die Sendereihe "TV total" ausstrahlt. Innerhalb dieser Sendungen gab es Beiträge mit dem Titel "Bimmel-Bingo". Dabei klingelte ein Kamerateam unangekündigt nachts an Wohnungstüren, um deren Bewohner zu wecken und sie dadurch zur Mitwirkung an der Sendung zu bewegen, dass ihnen für drastisch ihre Verärgerung ausdrückende "Begrüßungssätze" ein Geldgewinn in Aussicht gestellt wurde. Hierbei wurden regelmäßig zunächst das Klingelschild mit dem Familiennamen und später die mit Namen angesprochenen Bewohner in Schlafbekleidung gezeigt.

In zwei Sendebeiträgen war durch sofortiges Zuschlagen der Haustür, Herunterlassen von Jalousien oder Drohung mit der Polizei deutlich erkennbar, dass kein Einverständnis hinsichtlich der nächtlichen Filmaufnahmen bestand. U.a. diese beiden Beiträge beanstandete die beklagte Medienanstalt Berlin-Brandenburg auf der Grundlage einer Vorschrift des Medienstaatsvertrages zwischen Berlin und Brandenburg, weil sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und ihr Recht am eigenen Bild verletzt hätten. Zudem seien das Wachklingeln und die Störung der Nachtruhe geeignet gewesen, die körperliche Unversehrtheit sowie das Wohlbefinden der Betroffenen bis hin zur Zufügung erheblicher Schäden zu beeinträchtigen.

Zugleich forderte die beklagte Medienanstalt die Klägerin auf mitzuteilen, welche Werbeeinnahmen sie im Zusammenhang mit den beanstandeten Sendungen erzielt habe. Nach fruchtlosem Ablauf der hierfür gesetzten Frist schätzte die Beklagte die Werbeeinnahmen auf 75.000 € und verlangte deren Abführung an sie. Die Klägerin wandte nach Teilrücknahme ihrer Klage sich nur noch gegen das Verlangen nach Auskunft und Abführung der geschätzten Werbeeinnahmen, hingegen nicht mehr gegen die Beanstandung der Sendebeiträge.

Das VG gab der Klage gegen die Abschöpfung der Werbeeinnahmen statt; das OVG Berlin-Brandenburg wies sie insgesamt ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BVerwG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die hier einschlägige Vorschrift des Medienstaatsvertrages über die Abschöpfung von Werbeeinnahmen aus einer als rechtswidrig beanstandeten Sendung ist mit Bundesrecht, insbes. dem GG vereinbar. Die Länder besitzen die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass einer derartigen Regelung. Sie gehört nicht zur Regelungsmaterie des Strafrechts. Für sie besitzt allerdings der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Von ihr hat er mit dem Strafgesetzbuch auch durch den Erlass von Vorschriften Gebrauch gemacht, die den Verfall von Vermögenswerten vorsehen, die aus einer Straftat erlangt sind. Die Beanstandung einer Fernsehsendung durch die Medienanstalt und als deren Folge die Abschöpfung der Werbeeinnahmen knüpfen jedoch an die Rechtswidrigkeit der ausgestrahlten Sendung an.

Die Rechtswidrigkeit kann sich aus einem Verstoß gegen Strafvorschriften, aber auch aus einem Verstoß gegen jede andere Rechtsnorm ergeben. Die Beanstandung einer Sendung und die Abschöpfung der Werbeeinnahmen sind Maßnahmen der Medienaufsicht, durch die nicht strafrechtliches Unrecht sanktioniert, sondern die Einhaltung der rundfunkrechtlichen Bindungen effektiv sichergestellt werden soll, denen die privaten Rundfunkveranstalter unterliegen. Soweit eine beanstandete Sendung zugleich einen Straftatbestand erfüllt und deshalb in einem Strafverfahren der Verfall der Werbeeinnahmen angeordnet werden kann, kann die Medienanstalt durch entsprechende Regelungen in ihrem Bescheid sicherstellen, dass der Fernsehveranstalter nicht doppelt in Anspruch genommen werden kann.

Die Regelung verstößt zudem nicht deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten eine Beanstandung von Sendungen mit Abschöpfung erzielter Werbeeinnahmen nicht vorgesehen ist. Die privaten Rundfunkveranstalter einerseits und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten andererseits unterliegen im Rahmen der dualen Ordnung des Rundfunks einer unterschiedlichen Rundfunkaufsicht mit jeweils eigenständigen Zuständigkeiten und Regelungen. Die Mittel der Rundfunkaufsicht müssen deshalb nicht identisch sein.

Linkhinweis:

Auf den Webseiten des BVerwG finden Sie die Pressemitteilung hier.

BVerwG PM Nr. 48 vom 23.5.2012
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