30.11.2023

Aktivlegitimation im Prozess um Kartellschadensersatz (Die Freien Brauer)

Eine Kommanditgesellschaft (hier: Verbund mittelständischer Brauereien) darf Rechtsdienstleistungen für ihre Mitglieder (hier: Abtretungsvereinbarungen zur Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzforderungen) erbringen, sofern sie zur Wahrung gemeinsamer Interessen gegründet worden ist, ohne Gewinnerzielungsabsicht lediglich eine Kostenpauschale für die bei der Verfolgung der Schadensersatzansprüche entstehenden Allgemeinkosten erhebt und die Rechtsdienstleistung im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs (hier: gemeinsamer Einkauf von Zucker) erfolgt.

BGH v. 26.9.2023 - KZR 73/21
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Verbund von 40 mittelständischen Brauereien in Form einer Kommanditgesellschaft. Gegenstand des Unternehmens ist die Förderung der gemeinsamen Interessen ihrer Gesellschafter. Die Klägerin hat keine Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Die Beklagte und ihre Streithelferinnen sind Zuckerhersteller. Gegen sie hatte das Bundeskartellamt mit rechtskräftigen Beschlüssen vom 18.2.2014 Bußgelder wegen wettbewerbsbeschränkender Gebiets-, Quoten- und Preisabsprachen verhängt. Die Verstöße bezogen sich auch auf die weiterverarbeitende Industrie (Verarbeitungszucker).

Die Klägerin koordinierte für ihre Gesellschafter den gemeinsamen Einkauf von Zucker und hatte zwischen 2000 und 2008 Verträge mit der Beklagten abgeschlossen, auf deren Grundlage diese jeweils Liefermengen abriefen. Nach Bekanntwerden der Beschlüsse des Bundeskartellamts traten 14 Gesellschafter etwaige kartellrechtliche Schadensersatzansprüche im Hinblick auf die in den Beschlüssen festgestellten wettbewerbsbeschränkenden Absprachen an die Klägerin ab. Die Klägerin machte daraufhin gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ihrer Gesellschafter und hilfsweise aus eigenem Recht zugunsten ihrer Gesellschafter Schadensersatzansprüche wegen kartellbedingt überteuerter Bezugspreise für Zucker in den Jahren 1996 bis 2009 geltend.

LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da eine Abtretung der behaupteten Schadensersatzansprüche gem. § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG nichtig sei. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Klägerin durch den Abschluss der Abtretungsvereinbarungen ihren Gesellschaftern eine Rechtsdienstleistung gem. § 2 Abs. 1 RDG erbracht hatte. Es hat aber die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG rechtsfehlerhaft verneint. Danach sind Rechtsdienstleistungen erlaubt, die berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen im Rahmen ihres satzungsgemäßen Aufgabenbereichs für ihre Mitglieder erbringen, soweit sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klägerin eine Vereinigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG. Sie ist zur Wahrung eines über die Interessen des Einzelnen hinausgehenden Gruppeninteresses gegründet worden. Dem steht weder entgegen, dass die Klägerin als Kommanditgesellschaft einen gewerblichen Zweck verfolgt, noch dass der Beitritt zur Klägerin eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung und der Eintragung in das Handelsregister bedarf. Das Berufungsgericht ging zu Unrecht davon aus, dass die Anwendung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 RDG auf eine Vereinigung, die nicht hauptsächlich einen ideellen Zweck verfolgt, sondern einem Gewerbe oder einer anderen Erwerbstätigkeit nachgeht, ausnahmslos und ohne Ansehung der Umstände des Einzelfalls ausgeschlossen ist.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht die Geltendmachung der Schadensersatzforderungen durch die Klägerin für ihre Gesellschafter auch im Zusammenhang mit ihren satzungsgemäßen Aufgaben und ist nicht von übergeordneter Bedeutung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 RDG). Anhaltspunkte dafür, dass die Geltendmachung der Schadensersatzforderungen, zu deren Durchsetzung von der Klägerin das vorliegende Verfahren geführt wird, die satzungsmäßigen Aufgaben der Klägerin überlagert, bestehen nicht. Allein der Umstand, dass die Schadensersatzforderung eine Höhe erreicht, die den jährlichen Umsatz der Klägerin übersteigt, reicht dafür nicht aus. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Satzung, die gem. § 2 Ziffer 3 die Vertretung der Gesellschaft und der Gesellschafter zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Durchführung des gemeinsamen Einkaufs erlaubt, bereits eine abschließende Kostenregelung für die zu erbringenden Rechtsdienstleistungen trifft.

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