Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens trotz Herbeiführung der Insolvenz durch falsche Angaben oder kriminelle Handlungen
OLG München v. 20.1.2025 - 14 U 2456/24 e
Der Sachverhalt:
Die Klägerin machte vor dem LG Augsburg eine Forderung aus einem Vergleich geltend. Das LG unterbrach das Verfahren gem. § 240 ZPO i.V.m. Art. 18 EuInsVO, da die Beklagtenvertreterin vorbrachte, dass über das Vermögen der Beklagten in Irland das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Gegen die im Zwischenurteil ergangene Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die Klägerseite macht geltend, dass die Beklagte die Verfahrenseröffnung durch den High Court in Irland durch kriminelle Handlungen herbeigeführt habe. Dazu seien von der Beklagten unter Eid falsche Angaben zu den Vermögensverhältnissen und dem Lebensmittelpunkt gemacht worden. Ihre Mittellosigkeit habe die Beklagte selbst herbeigeführt, indem sie ihr Vermögen auf eine GmbH übertragen habe, deren Gesellschafterin eine liechtensteinische Stiftung sei. Der Lebensmittelpunkt der Beklagten befinde sich daneben nicht in Irland. Zum Nachweis bringt die Klägerin vor, dass die Beklagte keinen Mietvertrag vorgelegt habe und im Jahr der Insolvenzeröffnung noch in einer deutschen psychiatrischen Klinik stationär behandelt worden sei. Die Eröffnung des Verfahrens sei aus den genannten Gründen wegen eines Verstoßes gegen den deutschen Ordre public nicht anzuerkennen.
Diesen Verstoß begründet die Klägerin außerdem damit, dass ihr trotz mehrfacher Bemühungen die Akteneinsicht in die irische Insolvenzakte faktisch verweigert worden sei. Der Insolvenzverwalter hatte der Klägerin nach einem persönlichen Gespräch nur einen Teil der Akte überlassen.
Das OLG München hat in seiner Entscheidung die Berufung gegen das Zwischenurteil des LG Augsburg gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den High Court in Irland ist in Deutschland gem. Art. 19 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 EuInsVO grundsätzlich automatisch anzuerkennen. Die Eröffnung führt gem. Art. 18 EuInsVO i.V.m. § 240 ZPO zur Unterbrechung des deutschen Verfahrens.
Das deutsche Gericht hat nicht zu prüfen, ob der High Court zu Recht seine internationale Zuständigkeit gem. Art. 3 EuInsVO angenommen hat, insbesondere nicht, ob er zutreffend zur Erkenntnis gelangt ist, dass die Beklagte ihren Lebensmittelpunkt in Irland hat. Zwar kann sich aus der Wohnsitzfrage ergeben, dass die Beklagte das irische Verfahren in einer dem deutschen Ordre public widersprechenden Weise benutzt, um Ansprüche zu vereiteln. Aus den von der Klägerin vorgebrachten Beweisen ergibt sich aber nicht einwandfrei, dass die Beklagte ihren Wohnsitz nicht in Irland hat.
Aus den Umständen, dass die Beklagte falsche eidliche Angaben vor dem irischen Insolvenzgericht gemacht hat und Vermögen ins Ausland verschoben hat, folgt nicht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem deutschen Ordre public widerspricht. Dies stellt keinerlei Anzeichen dafür dar, dass das irische Insolvenzverfahren nicht dazu geeignet wäre, die relevanten Verhältnisse aufzuklären.
Eine Ordre-public-Widrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin bisher keine Einsicht in die (vollständige) Akte erhalten hat. Dagegen spricht, dass die Klägerin mit dem Insolvenzverwalter in Kontakt war und dieser Auskunft gab und Unterlagen überließ. Das weckt nicht den Eindruck, dass die Klägerin aus dem irischen Verfahren ausgesperrt werde.
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Besprechung der Entscheidung von
RA Julian Weidner
in ZIP 2025, 2874
Volltext und Besprechung enthalten im
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Die Klägerin machte vor dem LG Augsburg eine Forderung aus einem Vergleich geltend. Das LG unterbrach das Verfahren gem. § 240 ZPO i.V.m. Art. 18 EuInsVO, da die Beklagtenvertreterin vorbrachte, dass über das Vermögen der Beklagten in Irland das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Gegen die im Zwischenurteil ergangene Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die Klägerseite macht geltend, dass die Beklagte die Verfahrenseröffnung durch den High Court in Irland durch kriminelle Handlungen herbeigeführt habe. Dazu seien von der Beklagten unter Eid falsche Angaben zu den Vermögensverhältnissen und dem Lebensmittelpunkt gemacht worden. Ihre Mittellosigkeit habe die Beklagte selbst herbeigeführt, indem sie ihr Vermögen auf eine GmbH übertragen habe, deren Gesellschafterin eine liechtensteinische Stiftung sei. Der Lebensmittelpunkt der Beklagten befinde sich daneben nicht in Irland. Zum Nachweis bringt die Klägerin vor, dass die Beklagte keinen Mietvertrag vorgelegt habe und im Jahr der Insolvenzeröffnung noch in einer deutschen psychiatrischen Klinik stationär behandelt worden sei. Die Eröffnung des Verfahrens sei aus den genannten Gründen wegen eines Verstoßes gegen den deutschen Ordre public nicht anzuerkennen.
Diesen Verstoß begründet die Klägerin außerdem damit, dass ihr trotz mehrfacher Bemühungen die Akteneinsicht in die irische Insolvenzakte faktisch verweigert worden sei. Der Insolvenzverwalter hatte der Klägerin nach einem persönlichen Gespräch nur einen Teil der Akte überlassen.
Das OLG München hat in seiner Entscheidung die Berufung gegen das Zwischenurteil des LG Augsburg gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den High Court in Irland ist in Deutschland gem. Art. 19 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 EuInsVO grundsätzlich automatisch anzuerkennen. Die Eröffnung führt gem. Art. 18 EuInsVO i.V.m. § 240 ZPO zur Unterbrechung des deutschen Verfahrens.
Das deutsche Gericht hat nicht zu prüfen, ob der High Court zu Recht seine internationale Zuständigkeit gem. Art. 3 EuInsVO angenommen hat, insbesondere nicht, ob er zutreffend zur Erkenntnis gelangt ist, dass die Beklagte ihren Lebensmittelpunkt in Irland hat. Zwar kann sich aus der Wohnsitzfrage ergeben, dass die Beklagte das irische Verfahren in einer dem deutschen Ordre public widersprechenden Weise benutzt, um Ansprüche zu vereiteln. Aus den von der Klägerin vorgebrachten Beweisen ergibt sich aber nicht einwandfrei, dass die Beklagte ihren Wohnsitz nicht in Irland hat.
Aus den Umständen, dass die Beklagte falsche eidliche Angaben vor dem irischen Insolvenzgericht gemacht hat und Vermögen ins Ausland verschoben hat, folgt nicht, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem deutschen Ordre public widerspricht. Dies stellt keinerlei Anzeichen dafür dar, dass das irische Insolvenzverfahren nicht dazu geeignet wäre, die relevanten Verhältnisse aufzuklären.
Eine Ordre-public-Widrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin bisher keine Einsicht in die (vollständige) Akte erhalten hat. Dagegen spricht, dass die Klägerin mit dem Insolvenzverwalter in Kontakt war und dieser Auskunft gab und Unterlagen überließ. Das weckt nicht den Eindruck, dass die Klägerin aus dem irischen Verfahren ausgesperrt werde.
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