16.09.2015

Anforderungen an den Eröffnungsantrag eines Sozialversicherungsträgers

Nach der bisherigen BGH-Rechtsprechung war beim Eröffnungsantrag eines Sozialversicherungsträgers für die schlüssige Darlegung der Forderungen der Einzugsstelle eine Aufschlüsselung nicht nur nach Monat, sondern auch nach Arbeitnehmern erforderlich. Eine Aufschlüsselung der Forderung nach Arbeitnehmern ist fortan zur Darlegung und Glaubhaftmachung der Forderung entbehrlich, wenn von dem Schuldner gefertigte Datensätze (sog. softcopys) vorgelegt werden (Rechtsprechungsänderung).

BGH 11.6.2015, IX ZB 76/13
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Sie hatte im August 2013 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Umzugsunternehmens gestellt. Der Grund dafür waren rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus dem Zeitraum Januar bis März 2013 i.H.v. insgesamt 4.181 € einschließlich Säumniszuschlägen und Vollstreckungsgebühren. Hierbei schlüsselte die Gläubigerin die Beitragsforderungen nicht nach Arbeitnehmern, sondern lediglich nach Monaten auf.

Zur Glaubhaftmachung der Forderung legte die Gläubigerin Computerausdrucke aus ihrem Datenbestand (sog. softcopys) bei. Diese geben nach dem Vorbringen der Gläubigerin die mittels Datenfernübertragung gem. § 28f Abs. 3 S. 3 SGB IV durch den Schuldner im maßgeblichen Zeitraum übermittelten Beitragsnachweise wieder.

Das Insolvenzgericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Anhörung des Schuldners, der sich nicht geäußert hatte, als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos. Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hob der BGH den Beschluss des LG auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Insolvenzgericht zurück.

Gründe:
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 InsO ist der Antrag eines Gläubigers zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Das Beschwerdegericht hatte sich bislang lediglich mit der Frage befasst, ob der Antrag, was die Darlegung und Glaubhaftmachung der geltend gemachten Forderung angeht, den Zulässigkeitsvoraussetzungen dieser Bestimmung genügt. Dies konnte anhand der bisherigen Feststellungen des Beschwerdegerichts entgegen dessen Ansicht nicht verneint werden.

Nach der bisherigen BGH-Rechtsprechung war regelmäßig beim Eröffnungsantrag eines Sozialversicherungsträgers für die schlüssige Darlegung der Forderungen der Einzugsstelle eine Aufschlüsselung nicht nur nach Monat, sondern auch nach Arbeitnehmern erforderlich. An dem letztgenannten Erfordernis hält der Senat im Hinblick auf die Neufassung von § 28f Abs. 3 S. 3 SGB IV durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über den Ausgleich von Arbeitgeberforderungen vom 22.12.2005 nicht mehr fest. Danach gilt der durch den Arbeitgeber der Einzugsstelle durch Datenübertragung zu übermittelnde Beitragsnachweis nicht nur für die Vollstreckung als Leistungsbescheid, sondern auch im Insolvenzverfahren als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderung der Einzugsstelle, obwohl dieser die fällige Beitragsschuld in einer Summe und ohne Bezug zum einzelnen Arbeitnehmer ausweist.

Nach der Gesetzesbegründung soll hierdurch eine nach einzelnen Arbeitnehmern aufgeschlüsselte Aufstellung der Forderungen entbehrlich sein, weil diese in dem gesetzlich vorgesehenen Melde- und Beitragsnachweisverfahren nicht darstellbar und nicht notwendig sei. Die Umgestaltung des Melde- und Beitragsnachweisverfahrens führt dazu, dass eine Aufschlüsselung nach Arbeitnehmern im Rahmen der Antragstellung nach § 13 InsO nicht mehr geboten ist.

Das Beschwerdegericht konnte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mit der Begründung ablehnen, die von der Gläubigerin vorgelegten Ausdrucke seien zur Glaubhaftmachung der auf Grundlage der Beitragsnachweise des Schuldners errechneten Gesamtforderung nicht geeignet. Ob die von der Gläubigerin eingereichten Datenauszüge (sog. softcopys) nahe legen, dass die abgebildeten Daten vom Arbeitgeber stammen und deshalb den Beitragsnachweis-Datensatz zutreffend abbilden, bedurfte der tatrichterlichen Würdigung. Hierbei war bedeutsam, ob die vorgelegten Abbildungen über einen bloßen Kontoauszug als verwaltungsinterne Arbeitshilfe hinausgingen. Da auch die Einzugsstelle bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), wird im Regelfall kein Anhalt dafür bestehen, dass die angezeigten Daten in Abweichung von einer Arbeitgebermeldung von Mitarbeitern der Einzugsstelle eingegeben wurden.

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