09.08.2011

Anlageberatende Banken müssen Anleger auch weiterhin ungefragt über erhaltene Rückvergütungen aufklären

Der Bankberater muss - anders als ein freier Anlageberater - ungefragt nicht nur über das "Ob", sondern auch über die Höhe der Rückvergütungen (sog. Kickbacks) aufklären. Es ist nicht treuwidrig, wenn der Anleger, der nicht nachgefragt hat, sich später auf die Aufklärungspflichtverletzung beruft.

BGH 19.7.2011, XI ZR 191/10
Der Sachverhalt:
Der Ehemann der Klägerin war Kunde bei der beklagten Bank und erwartete im März 2003 einen größeren Geldeingang, den er gewinnbringend anlegen wollte. Da er das Kapital steueroptimiert investieren wollte, stellte die Beraterin ihm in persönlichen Gesprächen mehrere geschlossene Fonds vor, u.a. zwei Film- und Medienfonds. Gegenstand der beiden als "Garantiefonds" beworbenen Fonds war die Finanzierung von Filmproduktionen und deren Vermarktung.

Im Juni 2003 zeichnete der Kläger Anteile am ersten Fonds im Gegenwert von 25.000 € zzgl. 5 % Agio und - nach erneuter Beratung durch die Mitarbeiterin - im Juni 2004 solche am zweiten Fonds zum gleichen Gegenwert zzgl. 5 % Agio, wobei die letztgenannte Beteiligung obligatorisch eine Kreditfinanzierung i.H.v. 45,5 % vorsah, woraufhin der Kläger mit der Y-Bank ein Darlehen von 11.375 € vereinbarte. Im Verkaufsprospekt hieß es, dass die Beklagte für die Vermittlung eine Vergütung von 4,9 % des platzierten Kommanditkapitals sowie das Agio i.H.v. 5 % und für die Übernahme der Platzierungsgarantie eine Vergütung i.H.v. 2 % des vermittelten Kommanditkapitals erhalte. Letztlich erhielt die Beklagte eine Vertriebsprovisionen von bis zu 8,72 %.

Gegen die Fondsinitiatoren wurde Ende 2006 Anklage wegen Steuerhinterziehung und Untreue erhoben. Das Finanzamt entzog den Fonds die steuerliche Anerkennung. Daraufhin nahm die Klägerin die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes auf Rückabwicklung der teilweise kreditfinanzierten Beteiligungen und auf Schadensersatz in Anspruch.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr - bis auf einen Teil der Zinsforderung und des Anspruchs auf Begleichung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten - statt. Danach sei eine Bank auch dann verpflichtet, den Anleger über ihr zugeflossene Rückvergütungen aufzuklären, wenn sich aus dem Prospekt über das Anlageobjekt ergebe, dass eine mit der Bank nicht identische Vertriebsgesellschaft Provisionen für die Eigenkapitalvermittlung erhalte. Dies gelte auch dann, wenn die Vertriebsgesellschaft - im Prospekt offen ausgewiesen - berechtigt sei, Dritte als Vertriebspartner einzusetzen. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Klägerin stand der Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung der Beteiligungen, mithin die Rückzahlung der geleisteten Einlagen zzgl. Agio sowie die auf Befreiung von der Darlehensrückzahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten gem. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB zu.

Im vorliegenden Fall ging es nicht um die Frage der Aufklärung über den in die Vertragsbedingungen einkalkulierten Gewinn des Verkäufers im Zweipersonenverhältnis, sondern um verheimlichte Provisionsrückflüsse von einem Dritten an den Berater des Kapitalanlegers. In einem solchen Dreipersonenverhältnis ist der durch die Zuwendung bestehende Interessenkonflikt nicht offenkundig und es muss darüber aufgeklärt werden. Das entspricht auch der gesetzlichen Wertung des § 31d WpHG.

Soweit die Beklagte einer mangelnden Nachfrage des Ehemanns der Klägerin Bedeutung beimessen wollte, verkannte sie, dass der Bankberater - anders als ein freier Anlageberater ungefragt nicht nur über das "Ob", sondern auch über die Höhe der Rückvergütungen aufklären muss.  Es ist auch nicht treuwidrig, wenn der Anleger, der nicht nachgefragt hat, sich später auf die Aufklärungspflichtverletzung beruft. Aus dem Einverständnis des Anlegers mit Provisionszahlungen bei Wertpapiergeschäften kann nicht auf sein Einverständnis mit Rückvergütungen geschlossen werden. Ein solcher Schluss wäre nur möglich, wenn der Anleger vergleichbare Produkte in Kenntnis dort geflossener Rückvergütungen erworben hätte. Das war hier aber nicht der Fall.

Das OLG hatte auch zutreffend das Verschulden der Beklagten festgestellt. Denn ein solches wird bei Vorliegen einer Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Soweit sich die Beklagte auf einen Rechtsirrtum berief, übersah sie, dass die Haftung wegen einer fahrlässig begangenen Pflichtverletzung nur bei Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums entfällt. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen musste, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt. Doch wie der Senat bereits mit Beschluss vom 29.6.2010 (Az.: XI ZR 308/09) entschieden hat, kann sich eine anlageberatende Bank jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen.

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