03.02.2025

Anspruch auf Erstattung der Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens entsteht mit Einleitung des Verfahrens

Der Anspruch auf Erstattung der Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens entsteht zur Gänze bereits mit der Einleitung des Verfahrens; auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt der angefallenen Gebühren kommt es nicht an. Der Ausschluss von Kostenerstattungsansprüchen im Zusammenhang mit einem Schuldenbereinigungsplan erfasst auch prozessuale Kostenerstattungsansprüche.

BGH v. 12.12.2024 - IX ZB 4/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um eine Kostenfestsetzung nach § 788 Abs. 2 ZPO. Das zugrundeliegende Zwangsversteigerungsverfahren hat seine Erledigung wegen eines Schuldenbereinigungsplans (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO) gefunden.

Im Jahr 2001 erwirkte der Gläubiger einen Zahlungstitel gegen den Schuldner. Noch im gleichen Jahr wurde auf Antrag des Gläubigers für die titulierte Forderung eine Sicherungshypothek zulasten eines im Eigentum des Schuldners stehenden Grundstücks eingetragen. Am 30.7.2019 beantragte der anwaltlich vertretene Gläubiger die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Anordnung der Zwangsversteigerung erfolgte am 26.9.2019. Im September 2020 erklärte der Rechtsanwalt des Gläubigers erstmals die Zustimmung zu einer einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens. Im März 2021 versuchte der Schuldner ohne Erfolg eine außergerichtliche Schuldenbereinigung und wandte sich zu diesem Zweck auch an den Gläubiger, der mit dem Vorschlag einverstanden war. Am 8.11.2021 stellte der Schuldner Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens über sein Vermögen und legte den von § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO vorgesehenen Schuldenbereinigungsplan vor. In dem Schuldenbereinigungsplan war die Forderung des Gläubigers aus dem ursprünglichen Zahlungstitel angegeben, nicht angegeben waren Ansprüche auf Erstattung von Kosten des laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens.

Das Insolvenzgericht stellte den Schuldenbereinigungsplan dem Gläubiger im Dezember 2021 zu. Der Gläubiger ergänzte die Angaben in dem beim Insolvenzgericht niedergelegten Forderungsverzeichnis binnen der ihm gesetzten Frist nicht, insbesondere machte er nicht geltend, der Schuldner sei ihm zur Erstattung der Kosten des laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens verpflichtet. Nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme zu dem Schuldenbereinigungsplan ließ der Gläubiger durch seinen Rechtsanwalt im Februar 2022 die Zustimmung zu einer weiteren einstweiligen Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens erklären. Mit Beschluss vom 28.4.2022 ersetzte das Insolvenzgericht die Zustimmung zweier Gläubiger zu dem Schuldenbereinigungsplan. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 6.10.2022 stellte es fest, dass der Schuldenbereinigungsplan als angenommen gelte. Der Schuldner erfüllte seine Verpflichtungen aus dem Schuldenbereinigungsplan gegenüber dem Gläubiger. Im Dezember 2022 erhielt der Schuldner die entwertete vollstreckbare Ausfertigung des ursprünglichen Zahlungstitels. Mit Beschluss vom 22.12.2022 hob das Vollstreckungsgericht das Zwangsversteigerungsverfahren auf, weil der Gläubiger den Versteigerungsantrag zurückgenommen habe.

Der Gläubiger beantragt, die ihm zu erstattenden Kosten der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner auf rd. 4.600 € festzusetzen. Er begehrt die Festsetzung von insgesamt vier Verfahrensgebühren nach der Nr. 3311 VV RVG, u.a. für die Zustimmungen zur einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung und für Verhandlungen mit dem Ziel der Aufhebung des Verfahrens. Außerdem beantragte er die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG, weil aufgrund des Schuldenbereinigungsplans eine Einigung zwischen ihm und dem Schuldner zustande gekommen sei.

Der Rechtspfleger des AG - Vollstreckungsgericht - setzte eine Verfahrensgebühr ab und entsprach dem Kostenfestsetzungsantrag im Übrigen. Beide Parteien legten sofortige Beschwerde ein. Das LG gab zunächst der Beschwerde des Gläubigers statt und wies die des Schuldners zurück. Auf die Anhörungsrüge des Schuldners führte es das Verfahren fort, auf dessen Beschwerde setzte es insgesamt drei Verfahrensgebühren ab; die Beschwerde des Gläubigers wies das LG zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zu. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags auch im Übrigen erreichen. Der Gläubiger legt Anschlussrechtsbeschwerde mit dem Ziel ein, dass seinem Kostenfestsetzungsantrag vollständig stattgegeben wird.

Auf die Rechtsmittel des Schuldners hob der BGH die Beschlüsse von LG und AG und wies den Kostenfestsetzungsantrag des Gläubigers zurück. Die Anschlussrechtsbeschwerde des Gläubigers wies der BGH zurück.

Die Gründe:
Unrichtig ist die Bestimmung der Wirkungen von § 308 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 InsO durch das LG. Nach § 308 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 InsO erlischt eine Forderung, die nicht bei dem Zustandekommen des Schuldenbereinigungsplans berücksichtigt worden ist, soweit ein Gläubiger die Angaben über seine Forderung in dem beim Insolvenzgericht zur Einsicht niedergelegten Forderungsverzeichnis nicht innerhalb der gesetzten Frist ergänzt hat, obwohl ihm der Schuldenbereinigungsplan übersandt wurde und die Forderung vor dem Ablauf der Frist entstanden war (§ 308 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 InsO). Diese Voraussetzungen liegen für den gesamten Anspruch des Gläubigers auf Erstattung der Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens vor und nicht nur für die Gebührentatbestände, die vor Fristablauf erfüllt waren. Insbesondere war der Anspruch zur Gänze bereits vor Ablauf der Frist entstanden.

§ 308 Abs. 3 Satz 2 InsO setzt voraus, dass die Forderung des Gläubigers bereits vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme nach § 307 Abs. 1 Satz 1 InsO entstanden war. Insoweit wird in der Literatur vertreten, dass eine Forderung vor Ablauf der in § 307 Abs. 1 Satz 1 InsO genannten Frist nur entstanden sei, wenn sich ihr gesamter Entstehungstatbestand bis zu diesem Zeitpunkt verwirklicht hat. Ob dies im Hinblick auf den Zweck des Schuldenbereinigungsplans, die Insolvenzforderungen zu erfassen, zutrifft, kann im Streitfall dahinstehen. Jedenfalls für Kostenerstattungsansprüche eines Gläubigers hinsichtlich einer im Schuldenbereinigungsplan berücksichtigten Hauptforderung genügt es, wenn diese Kostenerstattungsansprüche bereits i.S.d. § 38 InsO begründet waren.

In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch bereits mit der Einleitung des entsprechenden Verfahrens entsteht. Deshalb ist der Kostenerstattungsanspruch nur eine Insolvenzforderung i.S.d. § 38 InsO, wenn das Verfahren eingeleitet worden ist, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Entsprechendes gilt für die Einordnung eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs als Alt- oder Neumasseverbindlichkeit. Entschieden ist auch, dass der Anspruch des gemeinsamen Vertreters nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SpruchG eine Insolvenzforderung gem. § 38 InsO ist, wenn das Spruchverfahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen hat. Auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt der angefallenen Gebühren kommt es nicht an. Für die nach § 308 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 InsO zu bestimmende Entstehung eines Kostenerstattungsanspruchs, der sich aus der Verfolgung und Durchsetzung einer im Schuldenbereinigungsplan berücksichtigten Hauptforderung ergibt, gilt nichts anderes.

Von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte das LG § 310 InsO in den Blick nehmen müssen. § 310 InsO regelt einen umfassenden Ausschluss von Kostenerstattungsansprüchen im Zusammenhang mit einem Schuldenbereinigungsplan. Die Vorschrift soll verhindern, dass leichtfertig außergerichtliche Kosten in großer Höhe verursacht werden, die dem Schuldner jede Möglichkeit für eine gütliche Einigung nehmen. Der Normzweck erfasst nicht nur materiell-rechtliche Ansprüche, die etwa auf einem Zahlungsverzug des Schuldners beruhen. Ausgeschlossen ist auch der prozessuale Kostenerstattungsanspruch, wenn und soweit er im Zusammenhang mit einem Schuldenbereinigungsplan steht. Es macht wertungsmäßig keinen Unterschied, ob die Erstattung von Kosten, die im Zusammenhang mit einem Schuldenbereinigungsplan entstehen, auf materiell-rechtlicher Grundlage oder aufgrund eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs geschuldet werden. Nach den vom LG getroffenen Feststellungen stand jedenfalls die vom Gläubiger erstattet verlangte Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG im Zusammenhang mit dem Schuldenbereinigungsplan. Das LG hat die Erstattungsfähigkeit darauf gestützt, dass der Schuldenbereinigungsplan die Wirkung eines Prozessvergleichs habe.

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Kommentierung | InsO
§ 308 Annahme des Schuldenbereinigungsplans
Waltenberger in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 11. Aufl. 2023

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