08.08.2025

Anspruch des Versicherungsvertreters auf Auskunft nach § 87c Abs. 3 HGB besteht neben dem Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs

Der Anspruch des Versicherungsvertreters auf Auskunft darüber, welche ursprünglich von ihm an den Versicherer vermittelten Verträge nach der Beendigung des Versicherungsvertretervertrags in der Stornohaftungszeit durch die Kunden gekündigt oder in der Beitragszahlung eingeschränkt worden sind, bei denen der jeweilige Kunde im Anschluss an die Kündigung oder Beitragseinschränkung einen Ersatz- oder Ergänzungsvertrag über das gleiche versicherte Risiko oder Produkt bei den Gesellschaften der Versicherungsgruppe des Versicherers abgeschlossen hat, ist auf vom Versicherungsvertreter vermittelte Verträge beschränkt, bei denen der Versicherer Provisionsrückbelastungen oder Provisionskürzungen zu Lasten des Versicherungsvertreters vorgenommen hat.

BGH v. 24.7.2025 - VII ZR 176/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über wechselseitige Ansprüche aus einem beendeten Versicherungsvertretervertrag. Die Beklagte vertreibt deutschlandweit Versicherungen. Der Kläger war vom 1.10.2015 bis zum 30.6.2020 als Versicherungsvertreter für sie tätig. Der Kläger fordert im Rahmen einer Stufenklage zur Vorbereitung von Provisionsansprüchen auf der ersten Stufe neben der - im Revisionsverfahren nicht mehr streitigen - Erteilung eines Buchauszugs Auskunft darüber, welche ursprünglich von ihm an die Beklagte vermittelten Verträge nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages der Parteien durch die Kunden gekündigt oder in der Beitragszahlung eingeschränkt worden sind und bei denen der jeweilige Kunde im Anschluss an die Kündigung oder Beitragseinschränkung einen Ersatz- oder Ergänzungsvertrag über das gleiche versicherte Risiko oder Produkt bei den Gesellschaften der A. -Versicherungsgruppe abgeschlossen hat. Die Beklagte beantragte widerklagend, den Kläger zur Rückzahlung unverdienter Provisionsvorschüsse von rd. 24.500 € nebst Zinsen zu verurteilen.

Das LG gab durch Teilurteil dem Antrag auf Erteilung des Buchauszugs - unter Abweisung des weitergehenden Buchauszugsantrags - teilweise statt und wies den Antrag auf Auskunft vollständig ab. Das OLG änderte - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel - das Teilurteil des LG insofern ab, als es dem Antrag auf Erteilung des Buchauszugs in einem größeren Umfang und dem Auskunftsantrag weitgehend entsprach. Hinsichtlich des Auskunftsantrags verurteilte das OLG die Beklagte, dem Kläger Auskunft zu erteilen, welche ursprünglich von dem Kläger an die Beklagte vermittelten Verträge nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages der Parteien in der Stornohaftungszeit durch die Kunden gekündigt oder in der Beitragszahlung eingeschränkt worden seien und bei denen der jeweilige Kunde im Anschluss an die Kündigung oder Beitragseinschränkung einen Ersatz- oder Ergänzungsvertrag über das gleiche versicherte Risiko oder Produkt bei den Gesellschaften der A. - Versicherungsgruppe abgeschlossen hat, und hierbei insbesondere Folgendes anzugeben: 

a. Name und Anschrift des Kunden 
b. Art und Inhalt des Vertrages, der gekündigt oder in den Beiträgen reduziert wurde 
c. Versicherungsscheinnummer/Vertragsnummer des Vertrages, der gekündigt oder in den Beiträgen reduziert wurde 
d. Datum der Wirksamkeit der Kündigung oder Beitragsreduzierung 
e. Im Falle der Beitragsreduzierung Höhe der Beitragsreduzierung 

Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH insoweit Erfolg, als er die Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung auf die vom Kläger vermittelten Verträge beschränkte, bei denen die Beklagte Provisionsrückbelastungen oder Provisionskürzungen zu Lasten des Klägers vorgenommen hatte.

Die Gründe:
Das OLG hat zunächst zu Recht angenommen, dass dem Kläger der Anspruch auf Auskunft nach § 87c Abs. 3 HGB über eine Information, die wie hier nicht im Buchauszug der Beklagten enthalten ist, neben dem Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB zusteht.

Nach § 87c Abs. 2 HGB i.V.m. § 92 Abs. 2 HGB kann der Versicherungsvertreter bei der Abrechnung durch den Unternehmer (§ 87c Abs. 1 HGB) einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 HGB i.V.m. § 92 Abs. 2 bis 4 HGB Provision gebührt. Nach § 87c Abs. 3 HGB i.V.m. § 92 Abs. 2 HGB kann der Versicherungsvertreter außerdem Mitteilung über alle Umstände verlangen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind. Der Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs (§ 87c Abs. 2 HGB) und derjenige auf Auskunft (§ 87c Abs. 3 HGB) können, soweit sie auf unterschiedliche Informationen gerichtet sind, gem. § 260 ZPO im Wege der objektiven Klagehäufung nebeneinander geltend gemacht werden. 

Ein dies einschränkendes Stufenverhältnis oder eine zwingende Rangfolge dergestalt, dass die Auskunft (§ 87c Abs. 3 HGB) erst nachrangig zum Buchauszug (§ 87c Abs. 2 HGB) beansprucht werden dürfte, ist weder vom Wortlaut des Gesetzes vorgegeben noch nach der Gesetzesbegründung vorgesehen. Auch Sinn und Zweck dieser Ansprüche sprechen gegen ein Rangverhältnis. Beide dienen dazu, dem Handelsvertreter für die Geltendmachung seiner Ansprüche aus dem Handelsvertreterverhältnis, insbesondere für die Ansprüche auf Provision, Kenntnisse zu verschaffen, die aus eigenem Wissen nur der Unternehmer haben kann. Der Handelsvertreter kann daher für Informationen, die sich nicht aus den Büchern des Unternehmers ergeben, den Auskunftsanspruch neben dem Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs geltend machen.

Zu Unrecht hat das OLG dem Kläger indes den Auskunftsanspruch nach § 87c Abs. 3 HGB zugesprochen, ohne die Auskunft auf von ihm vermittelte Verträge zu beschränken, bei denen die Beklagte Provisionsrückbelastungen oder Provisionskürzungen zu seinen Lasten vorgenommen hat.

Die von der Beklagten nach der Entscheidung des OLG dem Kläger geschuldete Auskunft darüber, welche ursprünglich von ihm an die Beklagte vermittelten Verträge nach der Beendigung des Handelsvertretervertrags in der Stornohaftungszeit durch die Kunden gekündigt oder in der Beitragszahlung eingeschränkt worden sind, bei denen der jeweilige Kunde im Anschluss an die Kündigung oder Beitragseinschränkung einen Ersatz- oder Ergänzungsvertrag über das gleiche versicherte Risiko oder Produkt bei den Gesellschaften der Versicherungsgruppe der Beklagten abgeschlossen hat, ist für den Provisionsanspruch des Klägers wesentlich i.S.v. § 87c Abs. 3 HGB nur dann, wenn die Beklagte bei diesen vom Kläger vermittelten Verträgen Provisionsrückbelastungen oder Provisionskürzungen zu seinen Lasten vorgenommen hat.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | HGB
§ 87a Entstehung, Fälligkeit und Wegfall des Provisionsanspruchs
Thume/Rohrßen in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
6. Aufl./Lfg. 09.2023

Kommentierung | HGB
§ 87c Abrechnung, Buchauszug, Bucheinsicht
Thume/Rohrßen in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
6. Aufl./Lfg. 09.2023

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§ 92 Versicherungs- und Bausparkassenvertreter
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6. Aufl./Lfg. 09.2023

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