18.06.2013

Auch ablösbare Werbung auf der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels ist unzulässig

Die in § 10 AMG enthaltenen Bestimmungen stellen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, die Interessen der Verbraucher spürbar i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG zu beeinträchtigen. Auf der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels angebrachte Angaben, die Werbecharakter haben können, sind unabhängig davon unzulässig, ob sie dort unauslöschlich aufgeführt oder nur ablösbar angebracht sind und ob sie den Eindruck erwecken, dass sie mit der übrigen Etikettierung eine Einheit bilden.

BGH 13.12.2012, I ZR 161/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein pharmazeutisches Unternehmen und Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das apothekenpflichtige Arzneimittel Voltaren Schmerzgel. Dies ist für die äußerliche Behandlung von Schmerzen, Entzündungen und Schwellungen bei rheumatischen Erkrankungen der Weichteile zugelassen. Sie vertreibt dieses Mittel u.a. in der Weise, dass sie auf der Längsseite der Verpackung in einem dieser Längsseite entsprechenden Format einen mit zwei Klebepunkten befestigten aufklappbaren Papp-Flyer anbringt, auf dem sie für das ebenfalls für sie zugelassene Arzneimittel Voltaflex wirbt, das zur langfristigen Linderung der Schmerzen bei Kniearthrose bestimmt ist.

Der Kläger ist ein als Selbstkontrollorgan der pharmazeutischen Industrie gegründeter Verein, der insbesondere die Werbung für Heilmittel und verwandte Gebiete auf ihre Lauterkeit und ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Bestimmungen und den Wettbewerbsregeln überprüft und gegen etwaige Verstöße vorgeht. Nach Ansicht des Klägers verstößt das Inverkehrbringen des Mittels Voltaren Schmerzgel in einer Verpackung, auf der ein Werbeflyer für das Mittel Voltaflex angebracht ist, gegen § 10 Abs. 1 S. 4 AMG a.F. (§ 10 Abs. 1 S. 5 AMG n.F.) und ferner gegen §§ 3, 3a und 4a HWG sowie gegen § 8 Abs. 1 S. AMG.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und wies die Berufung zurück.

Gründe:
Das LG hatte die Klage zu Recht als aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 10 Abs. 1 S. 5 AMG begründet angesehen.

Die in § 10 AMG enthaltenen Bestimmungen stellen Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung geeignet ist, die Interessen der Verbraucher spürbar i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG zu beeinträchtigen. Der Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG stand nicht entgegen, dass die mit dem UWG 2008 in deutsches Recht umgesetzte Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die nach Art. 4 in ihrem Anwendungsbereich eine vollständige Harmonisierung des Lauterkeitsrechts bezweckt und die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern daher abschließend regelt, keinen mit dieser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt.

Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte auf der Längsseite der Verpackung einen mit zwei Klebepunkten befestigten aufklappbaren Papp-Flyer angebracht, auf dem sie für das ebenfalls für sie zugelassene Arzneimittel Voltaflex warb. Diese Werbemaßnahme war rechtswidrig, denn auf der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels angebrachte Angaben, die Werbecharakter haben können, sind unzulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob sie dort unauslöschlich aufgeführt oder nur - etwa mit Klebepunkten - ablösbar angebracht sind und ob sie den Eindruck erwecken, dass sie mit der übrigen Etikettierung eine Einheit bilden. Das Verbot soll verhindern, dass die Verwender durch solche Angaben von den ihnen gem. § 10 Abs. 1 S. 1 u. 5 AMG gegebenen Informationen abgelenkt werden. Für die Bejahung eines Rechtsverstoßes reicht es aus, dass das Erreichen dieses Ziels in Frage gestellt wird.

Die hier vorgenommene Beurteilung hat ungeachtet dessen auch im deutschen Recht eine genügende Grundlage, dass die Bestimmung des Art. 62 Hs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG dort keine direkte Entsprechung hat. Das in Art. 103 Abs. 2 GG statuierte Bestimmtheitsgebot schlägt zwar dann auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung durch, wenn die Marktverhaltensregelung, auf die wettbewerbsrechtliche Ansprüche gem. § 4 Nr. 11 UWG gestützt werden, selbst eine Vorschrift des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts ist, nicht aber dann, wenn die Einhaltung der Marktverhaltensregelung auch straf- oder bußgeldbewehrt ist.

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