30.04.2013

Auch Verkäufer können aus Beratungsverträgen haften

Ein Vermittler kann bei der Beratung über die finanziellen Vorteile eines Immobilienkaufs sowohl im eigenen als auch im fremden Namen handeln. Er kann somit vom Verkäufer auch dann zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend bevollmächtigt sein, wenn er seinerseits einen Vermittlungs- oder Beratungsvertrag mit einem Kaufinteressenten geschlossen hat.

BGH 1.3.2013, V ZR 279/11
Der Sachverhalt:
Die Beklagte zu 1) war Eigentümerin eines in den 1930er Jahren errichteten und im Jahr 1995 unter Denkmalschutz gestellten Wohngebäudekomplexes. Sie bestellte zu ihren Gunsten ein Erbbaurecht, teilte dieses zwecks Veräußerung in Wohnungserbbaurechte auf und sanierte bis Ende des Jahres 2001 die Gebäude. Der Aufwand für die Sanierungsarbeiten sollte von den Erwerbern steuerlich als Sonderabschreibung in Ansatz gebracht werden können. Die Sonderabschreibung hing davon ab, dass die Sanierungsmaßnahmen nach dem rechtswirksamen Abschluss des Erwerbsvertrages durchgeführt wurden.

Mit der Vermarktung der Erbbaurechte beauftragte die Beklagte zu 1) die Beklagten zu 2), die auf dem Gebiet der Anlageberatung und Finanzdienstleistung tätig war. Der Kläger gehörte zu ihren Kunden. Zwei ihrer Mitarbeiterinnen besprachen mit ihm den Erwerb einer Wohnung in dem Objekt. Die steuerlich relevanten Sanierungskosten waren mit 170.959 DM errechnet. Über den Stand der bereits begonnenen Sanierungsarbeiten wurde der Kläger nicht informiert. Als er die Wohnung im November 2001 erwarb, waren die Sanierungsarbeiten bereits nahezu vollständig abgeschlossen. Der später noch angefallene und deshalb steuerlich absetzbare Sanierungsaufwand betrug lediglich 826 €.

Daraufhin beantragte der Kläger die Verurteilung beider Beklagten als Gesamtschuldner zur Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungserbbaurechts und zur Zahlung von rund 4.152 € sowie die Feststellung weiterer Schadensersatzpflicht. Das LG gab der Klage statt; das OLG wies die Klage gegen die Beklagte zu 1) ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her.

Gründe:
Das Berufungsgericht hatte zu Unrecht eine Haftung der Beklagten zu 1) wegen der Verletzung ihrer Pflichten aus einem Beratungsvertrag verneint.

Die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) konnten einen Beratungsvertrag für die Beklagte zu 1) zustande bringen. Ein Vermittler kann bei der Beratung über die finanziellen Vorteile eines Immobilienkaufs zugleich im eigenen und im fremden Namen handeln. Er kann daher von dem Verkäufer auch dann zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend bevollmächtigt sein, wenn er seinerseits einen Vermittlungs- oder Beratungsvertrag mit dem Kaufinteressenten geschlossen hat. Folglich kann eine Haftung aus beiden Rechtsverhältnissen entstehen.

Infolgedessen war ungeachtet des zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) bestehenden, vom Berufungsgericht als Anlageberatungsvertrag qualifizierten, Vertragsverhältnisses auch ein Beratungsvertrag mit der Beklagten zu 1) zustande gekommen. Ausweislich des von der Beklagten zu 1) erstellten Prospekts gehörte es zum Vertriebskonzept, die steuerlichen Vorteile eines Erwerbs (Denkmalabschreibung) herauszustellen. Dass die Beklagte zu 2) hierbei auch für die Verkäuferin, also für die Beklagte zu 1), tätig war, ließen die Umstände erkennen. Die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2) hatten den Kläger falsch beraten, was wiederum die Beklagte zu 1) - über die Beklagte zu 2) - gem. § 278 BGB gegen sich gelten lassen musste. Mögen sie den Kläger auch über sämtliche Umstände der erhöhten Denkmalabschreibung informiert haben, so hatten sie es doch unterlassen, ihn auf den Stand der bereits begonnenen Sanierungsarbeiten hinzuweisen.

Die erhobene Verjährungseinrede hinderte die Durchsetzung der Ansprüche nicht. Die Verjährungsfrist betrug drei Jahre. Sie beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen - hier jedoch frühestens am 1.1.2002. Davon, dass die erhöhte Denkmalabschreibung dem Kläger nur zu einem geringen Teil zugute kam, erhielt er erst durch den Feststellungsbescheid des Finanzamts Ende November 2006 Kenntnis. Ein grob fahrlässiges Verhalten seitens des Klägers war zu Recht verneint worden.

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