Auslegung des Begriffs "Leckage" im Versicherungsrecht
OLG Nürnberg v. 3.11.2025, 8 U 9/25
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und Eigentümer eines historischen Anwesens. Bestandteil des Anwesens ist u.a. ein unter Denkmalschutz stehender Turm, der überwiegend als Hotel genutzt wird und für den der Kläger seit 2006 eine Gebäude- und Inventarversicherung mit der Produktbezeichnung "Kommunale Sachversicherung" bei verschiedenen Versicherern des Konzerns "V. B." unterhält. Nachdem in den Turm zu Brandschutzzwecken eine Hochdruckvernebelungsanlage eingebaut worden war, wurde nach fachlicher Beratung der zusätzliche Einschluss der Risiken "Leckage von stationären Brandschutzanlagen" und "böswillige Beschädigung" nachversichert.
Im Dachbereich des Schottenturms gibt es eine Mobilfunkanlage. Im Rahmen von Sanierungsarbeiten am 7.12.2020 waren mit einer Flex Gipskartonplatten zugeschnitten worden, was zu einer großen Staubentwicklung führte. Infolgedessen lösten die Rauchmelder die Hochdruckvernebelungsanlage aus und die Anlage begann für ca. 15 Minuten zu laufen, so dass letztlich der gesamte Bereich unter Wasser stand und dieses sich auch in andere Stockwerke ausbreitete.
Der Kläger behauptete, die Rauchmelder seien durch die Staubentwicklung bei den Handwerksarbeiten ausgelöst worden. Im Rahmen der Beseitigung der eingetretenen Schäden seien Kosten von insgesamt 427.089 € angefallen. Die Beklagte hat vorgerichtlich eine Regulierung abgelehnt. Das LG hat die Klage vollständig abgewiesen. Es liege kein Versicherungsfall vor, weil der Wasseraustritt nicht als bestimmungswidrig angesehen werden könne.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Zutreffend hat die Vorinstanz entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch aus Ziffer B 2.1 AVB, § 1 Satz 1 VVG auf Versicherungsleistungen aus Anlass des Vorfalls vom 7.12.2020 gegen die Beklagte hat. Denn es war kein Versicherungsfall i.S.d. Ziffer A 3.1 AVB eingetreten.
Im Streitfall kam allein die Gefahr "Leckage von stationären Brandschutzanlagen" in Betracht. Für den Wasseraustritt aus solchen Brandschutzanlagen verdrängt diese Gefahrengruppe die sonstigen durch die Gefahr "Leitungswasser" abgedeckten Risiken (Ziffer B 1.5.4.5 AVB). Der Versicherungsfall "Brand", also ein sich ausbreitendes Feuer (Ziffer B 1.1.2 AVB), war unstreitig nicht eingetreten. Die hier im Raum stehende Gefahrengruppe ist bei der hiesigen Beklagten versichert, so dass an deren Passivlegitimation nicht zu zweifeln war.
Die versicherte Gefahr ist im Bedingungswerk allgemein bezeichnet als "Leckage von stationären Brandschutzanlagen". Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird eine "Leckage" als undichte Stelle in einer Leitung, einem Behälter o.ä. verstanden, durch die der darin befindliche Stoff entweichen kann. Der Begriff wird als Synonym zu dem Wort "Leck" benutzt. Auch dieser Begriff hat im Alltagsgebrauch die Bedeutung einer undichten / schadhaften Stelle, die Wasser eindringen bzw. eine Flüssigkeit auslaufen lässt. Jedenfalls aus der Verbindung mit dem zentralen Begriff "Leckage" kann jeder durchschnittliche Versicherungsnehmer ableiten, dass der Löschwasseraustritt aus einer schadhaften bzw. undichten Stelle - und somit der technischen Bestimmung der Anlage zuwider - erfolgen muss.
Im Streitfall hat die im Anwesen des Klägers installierte Hochdruckvernebelungsanlage fehlerfrei funktioniert. Die Rauchmelder hatten durch die Detektion eines typischen Brandelements - sei es der aufgewirbelte Staub zersägter Gipskartonplatten, sei es Funkenflug - ihrer technischen Funktion entsprechend ausgelöst und die Hochdruckvernebelungsanlage in den vorgesehenen Gebäudebereichen aktiviert. Das Löschwasser ist sodann einzig an den konstruktionsbedingten Stellen - nämlich an den Vernebelungsdüsen in Form kleinster Wassertropfen - ausgetreten, d.h. entsprechend der technischen Bestimmung der Anlage.
Infolgedessen ist keine "Leckage" in dem vorbenannten Sinne aufgetreten. Allein der Umstand, dass die Anlage gemäß ihrer Bau- und Programmierweise sowie technisch fehlerfrei ausgelöst hat, obwohl objektiv kein Feuer ausgebrochen war und keinerlei Brandgefahr herrschte, begründete für sich genommen keinen Versicherungsfall. Denn das planmäßige Ingangsetzen einer Brandschutzanlage durch Rauchmelder führte zu einem bestimmungsgemäßen Wasseraustritt. Mit anderen Worten ist die lediglich unerwünschte Folge eines technisch ordnungsgemäßen Löschwassergebrauchs in der Gefahrengruppe "Leckage" nicht versichert.
Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen haben allerdings über den Einzelfall hinaus eine besondere Bedeutung für die betroffenen Verkehrskreise, nachdem das streitgegenständliche Versicherungsprodukt speziell auf kommunale Körperschaften zugeschnitten ist. Eine höchstrichterliche Beantwortung steht noch aus, so dass die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache erfolgte.
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Bayern.Recht
Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und Eigentümer eines historischen Anwesens. Bestandteil des Anwesens ist u.a. ein unter Denkmalschutz stehender Turm, der überwiegend als Hotel genutzt wird und für den der Kläger seit 2006 eine Gebäude- und Inventarversicherung mit der Produktbezeichnung "Kommunale Sachversicherung" bei verschiedenen Versicherern des Konzerns "V. B." unterhält. Nachdem in den Turm zu Brandschutzzwecken eine Hochdruckvernebelungsanlage eingebaut worden war, wurde nach fachlicher Beratung der zusätzliche Einschluss der Risiken "Leckage von stationären Brandschutzanlagen" und "böswillige Beschädigung" nachversichert.
Im Dachbereich des Schottenturms gibt es eine Mobilfunkanlage. Im Rahmen von Sanierungsarbeiten am 7.12.2020 waren mit einer Flex Gipskartonplatten zugeschnitten worden, was zu einer großen Staubentwicklung führte. Infolgedessen lösten die Rauchmelder die Hochdruckvernebelungsanlage aus und die Anlage begann für ca. 15 Minuten zu laufen, so dass letztlich der gesamte Bereich unter Wasser stand und dieses sich auch in andere Stockwerke ausbreitete.
Der Kläger behauptete, die Rauchmelder seien durch die Staubentwicklung bei den Handwerksarbeiten ausgelöst worden. Im Rahmen der Beseitigung der eingetretenen Schäden seien Kosten von insgesamt 427.089 € angefallen. Die Beklagte hat vorgerichtlich eine Regulierung abgelehnt. Das LG hat die Klage vollständig abgewiesen. Es liege kein Versicherungsfall vor, weil der Wasseraustritt nicht als bestimmungswidrig angesehen werden könne.
Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Die Gründe:
Zutreffend hat die Vorinstanz entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch aus Ziffer B 2.1 AVB, § 1 Satz 1 VVG auf Versicherungsleistungen aus Anlass des Vorfalls vom 7.12.2020 gegen die Beklagte hat. Denn es war kein Versicherungsfall i.S.d. Ziffer A 3.1 AVB eingetreten.
Im Streitfall kam allein die Gefahr "Leckage von stationären Brandschutzanlagen" in Betracht. Für den Wasseraustritt aus solchen Brandschutzanlagen verdrängt diese Gefahrengruppe die sonstigen durch die Gefahr "Leitungswasser" abgedeckten Risiken (Ziffer B 1.5.4.5 AVB). Der Versicherungsfall "Brand", also ein sich ausbreitendes Feuer (Ziffer B 1.1.2 AVB), war unstreitig nicht eingetreten. Die hier im Raum stehende Gefahrengruppe ist bei der hiesigen Beklagten versichert, so dass an deren Passivlegitimation nicht zu zweifeln war.
Die versicherte Gefahr ist im Bedingungswerk allgemein bezeichnet als "Leckage von stationären Brandschutzanlagen". Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird eine "Leckage" als undichte Stelle in einer Leitung, einem Behälter o.ä. verstanden, durch die der darin befindliche Stoff entweichen kann. Der Begriff wird als Synonym zu dem Wort "Leck" benutzt. Auch dieser Begriff hat im Alltagsgebrauch die Bedeutung einer undichten / schadhaften Stelle, die Wasser eindringen bzw. eine Flüssigkeit auslaufen lässt. Jedenfalls aus der Verbindung mit dem zentralen Begriff "Leckage" kann jeder durchschnittliche Versicherungsnehmer ableiten, dass der Löschwasseraustritt aus einer schadhaften bzw. undichten Stelle - und somit der technischen Bestimmung der Anlage zuwider - erfolgen muss.
Im Streitfall hat die im Anwesen des Klägers installierte Hochdruckvernebelungsanlage fehlerfrei funktioniert. Die Rauchmelder hatten durch die Detektion eines typischen Brandelements - sei es der aufgewirbelte Staub zersägter Gipskartonplatten, sei es Funkenflug - ihrer technischen Funktion entsprechend ausgelöst und die Hochdruckvernebelungsanlage in den vorgesehenen Gebäudebereichen aktiviert. Das Löschwasser ist sodann einzig an den konstruktionsbedingten Stellen - nämlich an den Vernebelungsdüsen in Form kleinster Wassertropfen - ausgetreten, d.h. entsprechend der technischen Bestimmung der Anlage.
Infolgedessen ist keine "Leckage" in dem vorbenannten Sinne aufgetreten. Allein der Umstand, dass die Anlage gemäß ihrer Bau- und Programmierweise sowie technisch fehlerfrei ausgelöst hat, obwohl objektiv kein Feuer ausgebrochen war und keinerlei Brandgefahr herrschte, begründete für sich genommen keinen Versicherungsfall. Denn das planmäßige Ingangsetzen einer Brandschutzanlage durch Rauchmelder führte zu einem bestimmungsgemäßen Wasseraustritt. Mit anderen Worten ist die lediglich unerwünschte Folge eines technisch ordnungsgemäßen Löschwassergebrauchs in der Gefahrengruppe "Leckage" nicht versichert.
Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen haben allerdings über den Einzelfall hinaus eine besondere Bedeutung für die betroffenen Verkehrskreise, nachdem das streitgegenständliche Versicherungsprodukt speziell auf kommunale Körperschaften zugeschnitten ist. Eine höchstrichterliche Beantwortung steht noch aus, so dass die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache erfolgte.
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