22.12.2022

Bad Bank der WestLB haftet nicht für Steuerschulden aus Cum/Ex-Geschäften

Die WestLB-Nachfolgegesellschaft hat gegenüber der Ersten Abwicklungsgesellschaft (sog. Bad-Bank) keinen Anspruch auf Freistellung von Steuerverbindlichkeiten aus sog. Cum/Ex-Geschäften. Die Auslegung des Abspaltungsvertrags hat ergeben, dass aus Cum/Ex-Geschäften herrührende Steuerverbindlichkeiten der Nachfolgegesellschaft nicht Gegenstand des (wirtschaftlich) auf die Bad-Bank übertragenen Abspaltungsportfolios waren.

OLG Frankfurt a.M. v. 21.12.2022 - 4 U 282/21
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft eine Klage der WestLB-Nachfolgegesellschaft gegen die Erste Abwicklungsgesellschaft auf Freistellung von Steuerverbindlichkeiten, die auf ihre vor der Umstrukturierung getätigten Cum/Ex-Geschäfte zurückgehen. Alleinige Aktionärin der Klägerin ist das Land Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte ist eine Abwicklungsanstalt innerhalb der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (sog. "Bad Bank") und dem BMF unterstellt. Die früheren Aktionäre der WestLB, u.a. das Land Nordrhein-Westfalen sowie Sparkassenverbände, sind entsprechend ihrer damaligen Beteiligungsquoten an der WestLB nun an der Beklagten beteiligt.

Die WestLB war im Zuge der Finanzkrise in den Jahren 2008/2009 in Schieflage geraten. Die Beklagte, der bereits im Jahr 2009 ausgewählte toxische Portfolioanteile übertragen worden waren, übernahm im Rahmen der 2012 abgeschlossenen Umstrukturierung weitere Risikopositionen sowie strategisch nicht notwendige Unternehmensbereiche. Die Parteien streiten darüber, ob im Zusammenhang mit der Übertragung des Unternehmensbereichs "Kapitalmarktgeschäft" auch die Steuerverbindlichkeiten für die von der Klägerin vor der Umstrukturierung durchgeführten Cum/Ex-Geschäfte übernommen wurden. Die im Zuge der Umstrukturierung geschlossenen Verträge enthalten keine ausdrücklichen Regelungen zur Übertragung eigener Steuerverbindlichkeiten der Klägerin auf die Beklagte. Die Klägerin klärte die Beklagte auch nicht über aus den Cum/Ex-Geschäften resultierende steuerliche Risiken auf.

Die West LB hatte in den Jahren ab 2005 bis jedenfalls einschließlich 2008 sog. Cum/Ex-Geschäfte durchgeführt. 2016 wurden von Seiten des Finanzamtes und der Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen dieser Aktiengeschäfte um den jeweiligen Dividendenstichtag eingeleitet. Es sollte geklärt werden, ob in den Veranlagungszeiträumen 2005-2011 zu Unrecht Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen samt Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuerschuld der WestLB angerechnet worden war. Mit Bescheiden aus den Jahren 2019 und 2020 forderte das Finanzamt von der Klägerin die Rückerstattung erstatteter Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen für die Jahre 2005-2008 i.H.v. rd. 1 Mrd. €.

Das LG gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte zur Übernahme dieser Steuerschulden. Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG das Urteil auf und wies die Klage ab. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Die Gründe:
Die Auslegung des Abspaltungsvertrags hat ergeben, dass aus Cum/Ex-Geschäften herrührende Steuerverbindlichkeiten der Klägerin nicht Gegenstand des (wirtschaftlich) auf die Beklagte übertragenen Abspaltungsportfolios waren.

Das Abspaltungsportfolio umfasst zwar auch Risikopositionen und damit zusammenhängende Verbindlichkeiten. Diese sollten gemäß den vertraglichen Regelungen jedoch nur insoweit übertragen werden, als sie sich einzelnen Unternehmensbereichen zuordnen lassen.

Entgegen der Auffassung des LG sind die Steuerverbindlichkeiten der Klägerin aber nicht dem Unternehmensbereich "Kapitalmarktgeschäft" zuzuordnen. Die streitigen Steuerverbindlichkeiten für von der Klägerin erwirtschaftete Erträge knüpfen nicht an die spezifische im Unternehmensbereich "Kapitalmarktgeschäft" entfaltete Geschäftstätigkeit der Klägerin an. Sie betreffen unternehmensbereichsübergreifend alle von der Klägerin auf "Gesamtbankebene" erzielten Erträge. Die Ertragsteuerpflichten können nicht anteilig einzelnen Unternehmensbereichen zugeordnet werden.

Auch soweit die Erträge aus Geschäftsvorfällen in einzelnen Unternehmensbereichen herrühren, resultieren aus solchen Geschäftsvorfällen keine übertragbaren ertragsteuerlichen Rechte und Pflichten der Klägerin. Es ergeben sich allein ertragssteuerliche Effekte, die sich unternehmensbereichsübergreifend auf "Gesamtbankebene" auswirken. Sie begründen auch erst auf der Gesamtbankebene steuerliche Rechte und Pflichten der Klägerin.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag:
LG Frankfurt/M.: Haftung der WestLB-"Bad Bank" für Steuerschuld aus Cum-Ex-Geschäft
ZIP 2021, R77

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OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 92 vom 21.12.2022
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