21.05.2025

Beratungsfehler gegenüber einer unerfahrenen Anlegerin

Es liegt ein Beratungsfehler vor, wenn in der für die unerfahrene Anlegerin erarbeiteten Anlagestrategie der Eindruck suggeriert wird, ein offener Immobilienfonds sei so sicher wie ein von der Einlagensicherung erfasstes Festgeld. Allein der Hinweis auf ein Sparkonto reicht für eine hinreichend konkret Darlegung einer Alternativanlage nicht aus.

LG Stuttgart v. 15.5.2025, 12 O 287/24
Der Sachverhalt:
Am 16.2.2023 hatte eine Mitarbeiterin der Beklagten die Klägerin bezüglich der Anlage von 20.000 € beraten. Die Klägerin wollte einen Anlagehorizont von länger als fünf Jahren und äußerte ausweislich der Geeignetheitserklärung der Beklagten die Risikobereitschaft: "Sicherheit und Liquidität werden höherer Renditeerwartung untergeordnet; langfristig rendite-/kursgewinnorientiert; Toleranz gegenüber mäßigen bis teilweise starken Kurs- bzw. Wertschwankungen und gegebenenfalls Kapitalverlusten", was der Stufe 3 von 5 Risikostufen entsprach. Sie gab dabei ein Vermögen in Form eines Bankguthabens von etwa 38.500 € an. Die Mitarbeiterin der Beklagten empfahl die Anlage von jeweils 5.000 € wie folgt:
  • Fonds UniGlobal (Aktienfonds - Risikoklasse 3)
  • ZinsFix Express StepDown ST 02 23/26: Basiswert RWE (Zertifikat - Risikoklasse 3)
  • Fonds Unilmmo: Wohnen ZBI (offener Immobilienfonds - Risikoklasse 1)


Termingeld einmalig auf drei Jahre.

Die Klägerin hatte zu den beiden Fonds und dem Zertifikat jeweils angegeben, keine Erfahrungen in diesen Anlageformen zu haben. In der Geeignetheitserklärung der Beklagten vom 16.2.2023 wurde folgendes festgehalten: "Zur Streuung Ihrer Risiken haben wir Ihnen unterschiedliche Produkte, Anlageformen und Assetklassen empfohlen." und abschließend "Somit hat die Kundin verschiedene Laufzeiten und verschiedene Risikoklassen."

Die Klägerin kaufte daraufhin am 23.2.2023 für 5.000 € 92,816 Anteile an dem Fonds UniImmo: Wohnen ZBI mit der ISIN DE000A2DMVS1, die sich zwischenzeitlich auf 93,291 Anteile erhöhten. Später wandte sie ein, sie habe nach einem risikoarmen Investment gesucht. Sowohl die von der Beklagten indizierte Risikoklasse als auch das beworbene Anlegerprofil "konservativ" seien völlig unzutreffend gewesen. Bei dem Fonds UniImmo: Wohnen ZBI habe es sich im Zeitpunkt des Erwerbs um kein sicheres bzw. als Sicherheitsbaustein im Depot geeignetes Finanzinstrument gehandelt. Bei einer ordnungsgemäßen Beratung über die Risiken des Fondsprodukts wäre in ein Sparkonto oder eine andere sichere Anlage investiert worden.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten Rückerstattung von 5.095 € Zug um Zug gegen Abtretung der erworbenen Anteile an dem Fondsprodukt UniImmo: Wohnen ZBI. Die Beklagte behauptete, die Klägerin habe sich als "risikobereit" eingestuft, habe aber insgesamt eine defensivere Ausrichtung als ihr Ehemann gewünscht. Das LG hat der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus dem Beratungsvertrag i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB von 5.095,00 € einschließlich der Verwaltungsgebühr Zug um Zug gegen die Anteile am Fonds UniImmo: Wohnen ZBI wegen Verletzung der Beratungspflicht. Ein Anspruch auf entgangenen Gewinn besteht jedoch nicht.

Die Beklagte hatte ihre Pflicht aus dem Beratungsvertrag verletzt, weil die Empfehlung eines offenen Immobilienfonds nicht in die für die Klägerin entwickelte Anlagestrategie passte. Dabei wusste sie, dass die Klägerin keine Erfahrungen mit den beiden Fonds und dem Zertifikat hatte. Nachdem zwei Anlageprodukte eine höhere Risikoklasse hatten, durfte die unerfahrene Klägerin davon ausgehen, dass der offene Immobilienfonds mit der Risikoklasse 1 im Risiko dem Festgeld entsprach.

Im Hinblick auf die Anlagestrategie, wie sie auch Sicht der unerfahrenen Klägerin zu verstehen war, war die Empfehlung eines offenen Immobilienfonds ungeeignet. Denn ein solcher ist im Werterhalt nicht so sicher wie ein Festgeld, das im Hinblick auf die Höhe des Vermögens der Klägerin der Einlagensicherung unterfällt. Unabhängig von der konkreten Situation im Zeitpunkt der Anlageentscheidung im Februar 2023 unterliegt ein offener Immobilienfonds einem Wertschwankungsrisiko, weil sich die Werte der im Fonds enthaltenen Immobilien im zeitlichen Verlauf auch negativ entwickeln können und immer die Möglichkeit besteht, dass das Fondsmanagement wirtschaftlich nachteilige Kauf- oder Verkaufsentscheidungen trifft oder treffen muss. Das ist der Beklagten und ihren Mitarbeitern als Kreditinstitut bekannt.

Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch auf den entgangenen Gewinn, weil nicht hinreichend konkret dargelegt wurde, welche Alternativanlage sie statt der Anlage in den offenen Immobilienfonds getätigt hätte. Allein der Hinweis auf ein Sparkonto reichte nicht aus, weil die Klägerin im Rahmen der Anlagestrategie bereits in ein Festgeld investieren sollte. Dann ist davon auszugehen, dass die Klägerin im Rahmen der "viergliedrigen Anlagestrategie" kein Sparkonto eröffnet hätte, weil dies im Wesentlichen einer Festgeldanlage entsprochen hätte.

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Aufsatz
Aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zum Bank- und Kapitalmarktrecht
Christian Grüneberg, WM 2025, 1

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