Berechnung grenzüberschreitender Handelskapazitäten im Elektrizitätsbinnenmarkt
EuG v. 1.10.2025 - T-600/23 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Verordnung (EU) 2022/2065 (Gesetz über digitale Dienste - Digital Services Act (DSA)) überträgt der EU-Kommission Aufsichtsaufgaben in Bezug auf Anbieter bestimmter Dienste, Im Jahr 2015 erließ die Kommission eine Verordnung u.a. über die Verwaltung der Day-Ahead- und Intraday-Märkte im Elektrizitätssektor. Darin legte sie gemeinsame Methoden für die Berechnung der zonenübergreifenden Day-Ahead- und Intraday-Kapazitäten in allen Kapazitätsberechnungsregionen fest.
Die CORE-Kapazitätsberechnungsregion umfasst Belgien, die Tschechische Republik, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Ungarn, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien und die Slowakei. Die Stromübertragungsnetzbetreiber der CORE-Region mussten Vorschläge für Kapazitätsberechnungsmethoden in ihrer Region entwickeln und den betreffenden nationalen Regulierungsbehörden zur Genehmigung vorlegen. Diese nationalen Behörden mussten sich dann über die Vorschläge einigen; andernfalls musste die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) eine Entscheidung treffen.
Hier traf die ACER am 21.2.2019 eine entsprechende Entscheidung. Die zuständige deutsche nationale Behörde, die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA), erhob jedoch beim EuG Klage gegen diese Entscheidung. Die Entscheidung wurde 2022 vom EuG aufgehoben. Gleichwohl bestätigte der Beschwerdeausschuss der ACER im Jahr 2023 diese ursprüngliche Entscheidung. Die BNetzA (T-600/23) und Deutschland (T-612/23) fochten diese letzte Entscheidung nunmehr vor dem EuG an. Sie machen im Wesentlichen geltend, die ACER dürfe die Einbeziehung eines durch den zonenübergreifenden Handel signifikant beeinflussten internen Netzelements in die Kapazitätsberechnung nicht von der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse und einer Folgenabschätzung zur Anhebung der Einbeziehungsschwelle (im Folgenden: streitige Anforderungen) abhängig machen.
Das EuG gab der Klage in den verbundenen Rechtssachen T‑600/23 und T‑612/23 statt.
Die Gründe:
Das EuG hebt die streitige Entscheidung der ACER auf.
Der Standpunkt der ACER, wonach andere Anforderungen als die der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel eingeführt werden könnten, um die internen Netzelemente zu bestimmen, die als "kritisch" anzusehen seien und als solche in die Kapazitätsberechnung einbezogen werden müssten, ist unbegründet. Dieses Ergebnis folgt aus einer vorgenommenen grammatischen, systematischen und teleologischen Auslegung der Bestimmungen über die Einstufung interner Netzelemente als "kritisch".
Wird außerdem die verfügbare Mindestkapazität für den zonenübergreifenden Handel von 70 %, die vom Unionsgesetzgeber festgelegt wurde, von den Übertragungsnetzbetreibern erreicht, kommt der Anwendung des Kriteriums der wirtschaftlichen Effizienz, soweit sie bedingt, dass die Übertragungsnetzbetreiber prüfen, ob nicht eine Rekonfiguration ihrer Zone oder die Anwendung von Entlastungsmaßnahmen wirtschaftlichere Lösungen zur Behebung von Engpässen auf ihren internen Netzelementen als die Kapazitätsvergabe wären, in der Praxis keinerlei Relevanz zu, da sie für den betreffenden Mitgliedstaat oder die fraglichen Betreiber rechtlich nicht verbindlich ist.
Folglich durfte die ACER in diesem Zusammenhang die streitigen Anforderungen nicht in die in Rede stehenden Methoden aufnehmen. Sie konnte sich auch nicht schlicht darauf stützen, dass es vorliegend wirtschaftlichere Lösungen als die vom Unionsgesetzgeber beschlossenen gegeben hätte.
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EuGH PM Nr. 130 vom 1.10.2025
Die Verordnung (EU) 2022/2065 (Gesetz über digitale Dienste - Digital Services Act (DSA)) überträgt der EU-Kommission Aufsichtsaufgaben in Bezug auf Anbieter bestimmter Dienste, Im Jahr 2015 erließ die Kommission eine Verordnung u.a. über die Verwaltung der Day-Ahead- und Intraday-Märkte im Elektrizitätssektor. Darin legte sie gemeinsame Methoden für die Berechnung der zonenübergreifenden Day-Ahead- und Intraday-Kapazitäten in allen Kapazitätsberechnungsregionen fest.
Die CORE-Kapazitätsberechnungsregion umfasst Belgien, die Tschechische Republik, Deutschland, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Ungarn, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowenien und die Slowakei. Die Stromübertragungsnetzbetreiber der CORE-Region mussten Vorschläge für Kapazitätsberechnungsmethoden in ihrer Region entwickeln und den betreffenden nationalen Regulierungsbehörden zur Genehmigung vorlegen. Diese nationalen Behörden mussten sich dann über die Vorschläge einigen; andernfalls musste die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) eine Entscheidung treffen.
Hier traf die ACER am 21.2.2019 eine entsprechende Entscheidung. Die zuständige deutsche nationale Behörde, die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA), erhob jedoch beim EuG Klage gegen diese Entscheidung. Die Entscheidung wurde 2022 vom EuG aufgehoben. Gleichwohl bestätigte der Beschwerdeausschuss der ACER im Jahr 2023 diese ursprüngliche Entscheidung. Die BNetzA (T-600/23) und Deutschland (T-612/23) fochten diese letzte Entscheidung nunmehr vor dem EuG an. Sie machen im Wesentlichen geltend, die ACER dürfe die Einbeziehung eines durch den zonenübergreifenden Handel signifikant beeinflussten internen Netzelements in die Kapazitätsberechnung nicht von der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse und einer Folgenabschätzung zur Anhebung der Einbeziehungsschwelle (im Folgenden: streitige Anforderungen) abhängig machen.
Das EuG gab der Klage in den verbundenen Rechtssachen T‑600/23 und T‑612/23 statt.
Die Gründe:
Das EuG hebt die streitige Entscheidung der ACER auf.
Der Standpunkt der ACER, wonach andere Anforderungen als die der signifikanten Beeinflussung durch den zonenübergreifenden Handel eingeführt werden könnten, um die internen Netzelemente zu bestimmen, die als "kritisch" anzusehen seien und als solche in die Kapazitätsberechnung einbezogen werden müssten, ist unbegründet. Dieses Ergebnis folgt aus einer vorgenommenen grammatischen, systematischen und teleologischen Auslegung der Bestimmungen über die Einstufung interner Netzelemente als "kritisch".
Wird außerdem die verfügbare Mindestkapazität für den zonenübergreifenden Handel von 70 %, die vom Unionsgesetzgeber festgelegt wurde, von den Übertragungsnetzbetreibern erreicht, kommt der Anwendung des Kriteriums der wirtschaftlichen Effizienz, soweit sie bedingt, dass die Übertragungsnetzbetreiber prüfen, ob nicht eine Rekonfiguration ihrer Zone oder die Anwendung von Entlastungsmaßnahmen wirtschaftlichere Lösungen zur Behebung von Engpässen auf ihren internen Netzelementen als die Kapazitätsvergabe wären, in der Praxis keinerlei Relevanz zu, da sie für den betreffenden Mitgliedstaat oder die fraglichen Betreiber rechtlich nicht verbindlich ist.
Folglich durfte die ACER in diesem Zusammenhang die streitigen Anforderungen nicht in die in Rede stehenden Methoden aufnehmen. Sie konnte sich auch nicht schlicht darauf stützen, dass es vorliegend wirtschaftlichere Lösungen als die vom Unionsgesetzgeber beschlossenen gegeben hätte.
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