Berufungen früherer Wirecard-Aktionäre gegen die BaFin wegen geltend gemachter Schadensersatzansprüche erfolglos
OLG Stuttgart v. 18.12.2024 - 4 U 94/24
Der Sachverhalt:
Dem vorangegangen war eine Berichterstattung in der Financial Times vom 30.1.2019 über Buchführungsmanipulationen bei einer Wirecard-Tochter in Singapur. Der Aktienkurs verlor in der Folge bis zum 15.2.2019 rund 40 %. Am 18.2.2019 erließ die BaFin eine Allgemeinverfügung mit einem bis 18.4.2019 befristeten Leerverkaufsverbot, um so einen durch Leerverkäufe verursachten weiteren Kursrückgang zu verhindern. Begründet wurde dies mit einer Bedrohung des Marktvertrauens. Ein Leerverkauf ist ein Verkauf von Werten (hier Aktien), die der Verkäufer nicht besitzt, sondern für eine bestimmte Zeit geliehen hat. Dabei spekuliert der Leerverkäufer in der Regel darauf, dass der Preis der Aktie sinken wird.
Die Kläger sind frühere Aktionäre der Wirecard AG. In drei Fällen haben sie Aktien zeitlich nach Erlass des Leerverkaufsverbots erworben, im anderen Fall hatte der Aktionär die Aktien schon vorher. Durch den Kurssturz haben die Aktionäre Verluste zwischen rund 5.000 € und in einem der Fälle knapp 175.000 € erlitten.
Die Kläger machten nunmehr gegen die BaFin Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung geltend und meinen, der Erlass des Leerverkaufsverbots sei rechtswidrig gewesen und sie hätten dadurch einen Schaden erlitten. Durch das Leerverkaufsverbot sei das Vertrauen darin gestärkt worden, an der im Bericht der Financial Times behaupteten Manipulationen sei nichts dran. Zudem habe die BaFin im April 2019 Strafanzeige gegen die Verfasser der Financial Times erstattet. Deshalb gehen die Kläger davon aus, dass ohne die beanstandete Maßnahme der BaFin der Kurs der Wirecard-Aktie schon im Frühjahr 2019 weiter gefallen wäre und behaupten, dass sie in diesem Fall die Aktien entweder nicht gekauft oder zu einem bestimmten Preis rechtzeitig verkauft hätten.
Das OLG hat dem Begehren der Kläger eine Absage erteilt (OLG Stuttgart v. 18.12.2024 - 4 U 94/24; 4 U 134/24; 4 U 177/24 und 4 U 161/24).
Die Gründe:
Die BaFin ist zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen in vertretbarer Weise vom Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Leerverkaufsverbots ausgegangen und hat daher nicht pflichtwidrig gehandelt. Zudem dienten die der BaFin obliegenden Pflichten nicht dem Schutz der Anleger, da diese ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt.
Außerdem fehlt es an dem für die Annahme einer Haftung notwendigen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem von der BaFin erlassenen Leerverkaufsverbot und den geltend gemachten Schäden der Anleger. Soweit sich diese darauf berufen, ohne den Erlass des Leerverkaufsverbotes wäre schon im Frühjahr 2019 eine Abwärtsspirale des Aktienkurses ausgelöst worden und sie hätten in diesem Fall die Aktien nicht erworben bzw. frühzeitig verkauft, ist dies rein spekulativ. Soweit die Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Senat angehört wurden, hat sich außerdem gezeigt, dass die Entscheidung zum Kauf der Aktien letztlich nicht durch das erlassene Leerverkaufsverbot beeinflusst wurde.
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OLG Stuttgart PM vom 18.12.2024
Dem vorangegangen war eine Berichterstattung in der Financial Times vom 30.1.2019 über Buchführungsmanipulationen bei einer Wirecard-Tochter in Singapur. Der Aktienkurs verlor in der Folge bis zum 15.2.2019 rund 40 %. Am 18.2.2019 erließ die BaFin eine Allgemeinverfügung mit einem bis 18.4.2019 befristeten Leerverkaufsverbot, um so einen durch Leerverkäufe verursachten weiteren Kursrückgang zu verhindern. Begründet wurde dies mit einer Bedrohung des Marktvertrauens. Ein Leerverkauf ist ein Verkauf von Werten (hier Aktien), die der Verkäufer nicht besitzt, sondern für eine bestimmte Zeit geliehen hat. Dabei spekuliert der Leerverkäufer in der Regel darauf, dass der Preis der Aktie sinken wird.
Die Kläger sind frühere Aktionäre der Wirecard AG. In drei Fällen haben sie Aktien zeitlich nach Erlass des Leerverkaufsverbots erworben, im anderen Fall hatte der Aktionär die Aktien schon vorher. Durch den Kurssturz haben die Aktionäre Verluste zwischen rund 5.000 € und in einem der Fälle knapp 175.000 € erlitten.
Die Kläger machten nunmehr gegen die BaFin Schadensersatzansprüche unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung geltend und meinen, der Erlass des Leerverkaufsverbots sei rechtswidrig gewesen und sie hätten dadurch einen Schaden erlitten. Durch das Leerverkaufsverbot sei das Vertrauen darin gestärkt worden, an der im Bericht der Financial Times behaupteten Manipulationen sei nichts dran. Zudem habe die BaFin im April 2019 Strafanzeige gegen die Verfasser der Financial Times erstattet. Deshalb gehen die Kläger davon aus, dass ohne die beanstandete Maßnahme der BaFin der Kurs der Wirecard-Aktie schon im Frühjahr 2019 weiter gefallen wäre und behaupten, dass sie in diesem Fall die Aktien entweder nicht gekauft oder zu einem bestimmten Preis rechtzeitig verkauft hätten.
Das OLG hat dem Begehren der Kläger eine Absage erteilt (OLG Stuttgart v. 18.12.2024 - 4 U 94/24; 4 U 134/24; 4 U 177/24 und 4 U 161/24).
Die Gründe:
Die BaFin ist zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der zur Verfügung stehenden Informationen in vertretbarer Weise vom Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Leerverkaufsverbots ausgegangen und hat daher nicht pflichtwidrig gehandelt. Zudem dienten die der BaFin obliegenden Pflichten nicht dem Schutz der Anleger, da diese ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt.
Außerdem fehlt es an dem für die Annahme einer Haftung notwendigen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem von der BaFin erlassenen Leerverkaufsverbot und den geltend gemachten Schäden der Anleger. Soweit sich diese darauf berufen, ohne den Erlass des Leerverkaufsverbotes wäre schon im Frühjahr 2019 eine Abwärtsspirale des Aktienkurses ausgelöst worden und sie hätten in diesem Fall die Aktien nicht erworben bzw. frühzeitig verkauft, ist dies rein spekulativ. Soweit die Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Senat angehört wurden, hat sich außerdem gezeigt, dass die Entscheidung zum Kauf der Aktien letztlich nicht durch das erlassene Leerverkaufsverbot beeinflusst wurde.
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